Wien hat gewählt

 

erstellt am
12. 10. 15
09:30 MEZ

Wien (sora/öj) - Am 11.10. wurden in Wien Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen abgehalten. Wie auch bei der Landtagswahl in Oberösterreich mußte die SPÖ einen Verlust hinnehnmen, der allerdings wesentlich geringer ausfiel, als befürchtet, hatten doch nahezu alle Meinungsumfragen darauf hingedeutet, die SPÖ könnte von der FPÖ vom ersten Platz verdrängt werden. Ja es wurde sogar in Interview mit Medienvertretern in Aussicht gestellt, die ganze Welt werde dann wohl darüber berichten. Was war dann passiert? Genaugenommen eigentlich nicht sehr viel, denn die SPÖ blieb mit einem Minus von 4,8 Prozent klare Nummer eins in Wien und kam, so das von ORF und SORA errechnete vorläufige Ergebnis einschließlich der Wahlkarten-Prognose, auf 39,5 %. Die FPÖ, die sich als Wahlziel die Ablöse des Wiener Bürgermeisters gesetzt hatte, blieb mit einem Plus von 5,3 % und gesamt 31,0 % klar davon entfernt. Die ÖVP rutschte nach dem schlechten Wahlergebnis 2010 neuerich ab und erreichte nach einem Minus von 4,8 % mit 9,2 % nur mehr ein einstelliges Ergebnis. Die Grünen verloren ebenfalls an Zustimmung, was mit einem Minus von 1,0 % und einem Endergebnis von 11,6 % der Stimmen aber jedenfalls ausreicht, um neuerlich mit der SPÖ eine Koalition zu bilden. Die NEOS waren heuer das erste Mal in Wien angetreten und schafften mit 6,2 % auf Anhieb den Einzug in den Wiener Landtag.

 

 

 

Gemeinderatswahl Wien 2015, ORF/SORA Prognose des Endergebnisses inklusive Wahlkarten

Partei

Prognose

Mandate 

SPÖ

39,5

44

FPÖ

31,0

34

ÖVP

9,2

7

Grüne

11,6

10

Neos

6,2

5

WWW

0,2

0

ANDAS

 1,1

0

GfW

1,0

0

Wahlbeteiligung: 74,4% (inkl. Wahlkarten)
Schwankungsbreite: +/- 0,6%
Quelle: ORF/SORA

 

 

 

Was hat diese Wahl bewegt?
Ergebnisse der ORF/SORA/ISA Wahltagsbefragung

Wie die Wahltagsbefragung unter 2.045 Wahlberechtigten zeigt, haben vor allem Fragen der Lebensqualität und die Flüchtlingsdiskussion Wien bei dieser Wahl bewegt. Erneut konnte die FPÖ den Ärger über die Flüchtlingspolitik sowie Protest und Sorge über Verluste an Lebensqualität in der Stadt für sich mobilisieren. Zuversichtliche und zufriedene WählerInnen stimmten hingegen überwiegend für SPÖ und Grüne.

Zufriedenheit mit der Stadtregierung
Die rotgrüne Stadtregierung wird von einer Mehrheit von 54 Prozent positiv bewertet, wobei SPÖ- und Grün-WählerInnen zu 90 Prozent mit der Arbeit sehr oder eher zufrieden sind. Alle anderen Befragten sehen sie überwiegend negativ, jüngere Befragte beurteilen sie etwas besser als ältere Personen.
Die Bundesregierung bewertet demgegenüber nur rund ein Drittel der WienerInnen positiv, die größte Kritik äußern FPÖ- und NEOS-WählerInnen.

Lebensqualität behauptet oder verloren?
Mit 66 Prozent sind nach wie vor die überwiegende Mehrzahl der befragten wahlberechtigten Wienerinnen und Wiener der Ansicht, dass ihre Stadt alles in allem „sehr lebenswert“ ist. Auf der anderen Seite zeigt der Zeitvergleich zur Stimmung im Vorfeld der Gemeinderatswahl 2010 eine merkliche Eintrübung: Vor fünf Jahren hatten noch 78% Wien als „sehr lebenswert“ bezeichnet.
Differenziert nach Parteien zeigt sich eine tiefe Kluft zwischen FPÖ-WählerInnen und allen anderen Befragten: Während letztere mit Werten von über 70 bis 94 Prozent einen hohen Lebensstandard wahrnehmen, meinen 63 Prozent der FPÖ-AnhängerInnen, dass Wien stark abgewirtschaftet und viel Lebensqualität eingebüßt hat.

Flüchtlingsthema bewegt Wien
Das meist besprochene Thema im Wahlkampf war – wie schon vor zwei Wochen bei der Landtagswahl in Oberösterreich – Flüchtlinge und Asyl (65 Prozent haben sehr darüber diskutiert). Dieses Thema prägte mit großem Abstand die Debatten in der Bevölkerung und war auch unter den AnhängerInnen der einzelnen Parteien jeweils der wichtigste Gesprächsstoff.

Emotionen zur Flüchtlingspolitik
Wie die Wahltagsbefragung im Detail zeigt, wird die Anhängerschaft der einzelnen Parteien auf der anderen Seite von durchaus unterschiedlichen Emotionen zum Flüchtlingsthema bewegt:
So haben Personen, die eher Zuversicht in die Fähigkeit der Politik setzen, Fragen der Flüchtlingsaufnahme und der Integration zu bewältigen, überdurchschnittlich stark die Grünen und die SPÖ gewählt. Der Ärger über die Flüchtlingssituation – zusammen mit der Sorge hinsichtlich der Lebensqualität in Wien – ist hingegen unter FPÖ-WählerInnen besonders ausgeprägt.

Insgesamt positiver als in der Flüchtlingsfrage ist die Stimmung der Bevölkerung, wenn es allgemein um die Fähigkeit der Politik geht, „das Zusammenleben aller WienerInnen“ gut zu gestalten: Hier äußerten sich unter allen Befragten 45% zuversichtlich, 38% besorgt und nur 11% verärgert (Rest: weiß nicht, keine Emotion)

Motiv Spitzenkandidat, Bürgermeister und gewünschte Koalitionen
Von den SpitzenkandidatInnen der Wiener Parteien konnten vor allem Michael Häupl und Heinz-Christian Strache überzeugen, neun von zehn WählerInnen der jeweiligen Partei bezeichneten sie als bestes Personalangebot. Michael Häupl kann zudem die Frage nach dem nächsten Wunsch-Bürgermeister klar für sich entscheiden: 54 Prozent meinen, dass er die nächsten fünf Jahre an der Spitze der Stadt stehen soll. Heinz-Christian Strache wird in dieser Frage von 29 Prozent genannt, wobei praktisch ausschließlich FPÖ-WählerInnen sich den blauen Spitzenkandidaten im Rathaus wünschen.

Die beste Koalition für Wien ist für eine relative Mehrheit von 36 Prozent eine weitere rot-grüne Zusammenarbeit, die vor allem von SPÖ- und Grün-WählerInnen bevorzugt wird. Dahinter folgen mit deutlich geringerer Zustimmung die Varianten rot-blau, rot-schwarz und blau-schwarz. Eine Zusammenarbeit von SPÖ und FPÖ wünschen sich 49 Prozent der FPÖ-, aber nur fünf Prozent der SPÖ-WählerInnen

Weitere Motive
SPÖ-WählerInnen sind nicht nur mit Spitzenkandidat Häupl, sondern zu über 93% auch mit der bisher geleisteten Arbeit der Partei zufrieden. Die besten Vorschläge zum Thema Flüchtlinge sehen 81% der SPÖ-WählerInnen bei ihrer Partei.

FPÖ-WählerInnen zeigen sich rundum von ihrer Partei überzeugt – sowohl Spitzenkandidat, Zukunftsvorschläge als auch Vorschläge beim Thema Flüchtlinge finden rund 90% Zustimmung.
Neben dem Flüchtlingsthema beschäftigten sich FPÖ-WählerInnen auch stark mit dem Kernthema „Sicherheit und Kriminalität“ (54% sehr häufig diskutiert). Auf der anderen Seite haben auch rund vier von zehn FPÖ-WählerInnen die sozialen Themen „Kosten des täglichen Lebens“ sowie „Wirtschaft und Arbeitsplätze“ beschäftigt.

ÖVP-WählerInnen stimmen mit 80% vor allem mit den Zukunftsvorschlägen ihrer Partei überein; Spitzenkandidat Juraczka findet 64% Zustimmung.
Hinsichtlich wichtiger Themen im Wahlkampf folgen nach dem Flüchtlingsthema unter ÖVP-WählerInnen an zweiter Stelle der Verkehr (42%) sowie „Wirtschaft und Arbeitsplätze“ (39%).

Grün-WählerInnen sehen bei ihrer Partei zu 86% die besten Zunftsvorschläge; sieben von zehn sind mit der bisherigen Arbeit zufrieden, rund zwei Drittel sehen Maria Vassilakou im Parteienvergleich als beste Spitzenkandidatin.
Im Wahlkampf haben sich Grün-WählerInnen nach der Flüchtlingsfrage auch intensiv mit dem Thema Bildung und Schule beschäftigt (44% sehr häufig diskutiert).

NEOS-WählerInnen sehen bei ihrer Partei vor allem die besten Zukunftsvorschläge (87% Zustimmung). In der Flüchtlingsfrage stehen hingegen nur 37% der NEOS-WählerInnen hinter ihrer Partei; Spitzenkandidatin Meinl-Reisinger wird von zwei Drittel als bestes Angebot angesehen.


Wer hat wen gewählt?

Unterschiede nach Wahrnehmung der Lebensqualität in Wien
Der größte Unterschied im Wahlverhalten zeigt sich bei dieser Wahl aber in Abhängigkeit davon, wie die Befragten die Entwicklung der Lebensqualität in Wien einschätzen:
Unter jenen, die eine sinkende Lebensqualität sehen, wählten diesmal 76% FPÖ (SPÖ: 12%, ÖVP: 7%). – Unter Personen, die eine weiterhin hohe Lebensqualität sehen, kam die FPÖ mit 13% hingegen hinter SPÖ (51%), Grünen (16%) nur auf Rang drei.
Unterschiede nach Geschlecht

Bei der Gemeinderatswahl 2015 gab es nur eine geringe Geschlechterkluft im Wahlverhalten, Männer und Frauen stimmten in ähnlichem Umfang für alle Parteien. Nur die SPÖ konnte etwas stärker Frauen von sich überzeugen. Der bei früheren Wahlen zu beobachtende starke Überhang der FPÖ unter jungen Männern zeigt sich bei dieser Wahl nicht.

Unterschiede nach Alter
Nach dem Alter zeigen sich die stärksten Unterschiede bei Grünen, NEOS und ÖVP: Während die ÖVP bei den Ab-60-Jährigen mit 14% etwa doppelt so stark abschnitt wie bei den Unter-30-Jährigen, verhält es sich bei den beiden anderen Parteien umgekehrt: Die Grünen kamen in der jüngsten Alterstgruppe auf 20% der Stimmen (NEOS: 11%) gegenüber 4% (NEOS: 2%) unter Ab-60-Jährigen.
Weniger ausgeprägt sind die Unterschiede nach Alter bei SPÖ und FPÖ, wobei beide Parteien unter Älteren besser abschnitten.
Der bei früheren Wahlen zu beobachtende starke Überhang der FPÖ unter jungen Männern zeigt sich bei dieser Wahl nicht.

Wahlverhalten nach Erwerbsstatus
Unter ArbeiterInnen war bei dieser Wahl die FPÖ stärkste Partei, sie kam mit 53% auf eine absolute Mehrheit.
Unter Angestellten erzielte die FPÖ 32% und lag damit hinter der SPÖ mit 36%.
Öffentlich Bedienstete wählten in Wien mit 50% überdurchschnittlich SPÖ gefolgt von der FPÖ mit 21% und den Grünen mit 17%.
Unter Personen in Ausbildung sind die Grünen mit 24% besonders stark.

Wahlverhalten nach Migrationshintergrund
WienerInnen, die selbst im Ausland geboren wurden, wählten mit 52% überdurchschnittlich die SPÖ gefolgt von den Grünen mit 18% und der FPÖ mit 17%.
Die zweite Einwanderer-Generation (mindestens ein Elternteil im Ausland geboren) unterscheidet sich in ihrem Wahlverhalten weniger von der Gesamtbevölkerung: Sie wählten weniger häufig die ÖVP und SPÖ und etwas häufiger die Grünen und die NEOS.
Wahlverhalten im Gemeindebau

Hätten bei dieser Wahl nur Personen im Wiener Gemeindebau gewählt, wäre die FPÖ mit 47% vor der SPÖ mit 42% auf Platz 1 gekommen. Alle anderen Parteien konnten im Gemeindebau kaum Stimmen für sich gewinnen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://wahlen.wien.at

 

 

 

 

 

Wiener Landtagswahl wirkt sich auch auf Bundesrat aus
FPÖ gewinnt ein Mandat auf Kosten der ÖVP
Wien (pk) - Die Wiener Landtagswahl wirkt sich auch auf die Zusammensetzung des Bundesrats aus. Gemäß dem vorläufigen Ergebnis gewinnt die FPÖ ein Mandat dazu, die ÖVP verliert hingegen ihren einzigen Sitz. Die SPÖ kann ihre 6 Sitze halten. Damit kommen künftig von den 11 Wiener VertreterInnen im Bundesrat 6 von der SPÖ, 4 von der FPÖ und 1 von den Grünen.

Da die FPÖ auch in Oberösterreich zwei zusätzliche Bundesratsmandate gewonnen hat, je eines auf Kosten der ÖVP und der SPÖ, lautet die Mandatsverteilung in der Länderkammer künftig wie folgt: ÖVP 22, SPÖ 20, FPÖ 13, Grüne 4, Team Stronach 1, ohne Fraktion 1. Angelobt werden die neuen BundesrätInnen nach der konstiutierenden Sitzung der jeweiligen Landtage, jene in Oberösterreich ist für 23. Oktober anberaumt.

 

 

 

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