Was hat diese Wahl bewegt?
Ergebnisse der ORF/SORA/ISA Wahltagsbefragung
Wie die Wahltagsbefragung unter 2.045 Wahlberechtigten zeigt, haben vor allem Fragen der Lebensqualität und
die Flüchtlingsdiskussion Wien bei dieser Wahl bewegt. Erneut konnte die FPÖ den Ärger über
die Flüchtlingspolitik sowie Protest und Sorge über Verluste an Lebensqualität in der Stadt für
sich mobilisieren. Zuversichtliche und zufriedene WählerInnen stimmten hingegen überwiegend für
SPÖ und Grüne.
Zufriedenheit mit der Stadtregierung
Die rotgrüne Stadtregierung wird von einer Mehrheit von 54 Prozent positiv bewertet, wobei SPÖ- und
Grün-WählerInnen zu 90 Prozent mit der Arbeit sehr oder eher zufrieden sind. Alle anderen Befragten sehen
sie überwiegend negativ, jüngere Befragte beurteilen sie etwas besser als ältere Personen.
Die Bundesregierung bewertet demgegenüber nur rund ein Drittel der WienerInnen positiv, die größte
Kritik äußern FPÖ- und NEOS-WählerInnen.
Lebensqualität behauptet oder verloren?
Mit 66 Prozent sind nach wie vor die überwiegende Mehrzahl der befragten wahlberechtigten Wienerinnen
und Wiener der Ansicht, dass ihre Stadt alles in allem „sehr lebenswert“ ist. Auf der anderen Seite zeigt der Zeitvergleich
zur Stimmung im Vorfeld der Gemeinderatswahl 2010 eine merkliche Eintrübung: Vor fünf Jahren hatten noch
78% Wien als „sehr lebenswert“ bezeichnet.
Differenziert nach Parteien zeigt sich eine tiefe Kluft zwischen FPÖ-WählerInnen und allen anderen Befragten:
Während letztere mit Werten von über 70 bis 94 Prozent einen hohen Lebensstandard wahrnehmen, meinen
63 Prozent der FPÖ-AnhängerInnen, dass Wien stark abgewirtschaftet und viel Lebensqualität eingebüßt
hat.
Flüchtlingsthema bewegt Wien
Das meist besprochene Thema im Wahlkampf war – wie schon vor zwei Wochen bei der Landtagswahl in Oberösterreich
– Flüchtlinge und Asyl (65 Prozent haben sehr darüber diskutiert). Dieses Thema prägte mit großem
Abstand die Debatten in der Bevölkerung und war auch unter den AnhängerInnen der einzelnen Parteien jeweils
der wichtigste Gesprächsstoff.
Emotionen zur Flüchtlingspolitik
Wie die Wahltagsbefragung im Detail zeigt, wird die Anhängerschaft der einzelnen Parteien auf der anderen
Seite von durchaus unterschiedlichen Emotionen zum Flüchtlingsthema bewegt:
So haben Personen, die eher Zuversicht in die Fähigkeit der Politik setzen, Fragen der Flüchtlingsaufnahme
und der Integration zu bewältigen, überdurchschnittlich stark die Grünen und die SPÖ gewählt.
Der Ärger über die Flüchtlingssituation – zusammen mit der Sorge hinsichtlich der Lebensqualität
in Wien – ist hingegen unter FPÖ-WählerInnen besonders ausgeprägt.
Insgesamt positiver als in der Flüchtlingsfrage ist die Stimmung der Bevölkerung, wenn es allgemein um
die Fähigkeit der Politik geht, „das Zusammenleben aller WienerInnen“ gut zu gestalten: Hier äußerten
sich unter allen Befragten 45% zuversichtlich, 38% besorgt und nur 11% verärgert (Rest: weiß nicht,
keine Emotion)
Motiv Spitzenkandidat, Bürgermeister und gewünschte Koalitionen
Von den SpitzenkandidatInnen der Wiener Parteien konnten vor allem Michael Häupl und Heinz-Christian Strache
überzeugen, neun von zehn WählerInnen der jeweiligen Partei bezeichneten sie als bestes Personalangebot.
Michael Häupl kann zudem die Frage nach dem nächsten Wunsch-Bürgermeister klar für sich entscheiden:
54 Prozent meinen, dass er die nächsten fünf Jahre an der Spitze der Stadt stehen soll. Heinz-Christian
Strache wird in dieser Frage von 29 Prozent genannt, wobei praktisch ausschließlich FPÖ-WählerInnen
sich den blauen Spitzenkandidaten im Rathaus wünschen.
Die beste Koalition für Wien ist für eine relative Mehrheit von 36 Prozent eine weitere rot-grüne
Zusammenarbeit, die vor allem von SPÖ- und Grün-WählerInnen bevorzugt wird. Dahinter folgen mit
deutlich geringerer Zustimmung die Varianten rot-blau, rot-schwarz und blau-schwarz. Eine Zusammenarbeit von SPÖ
und FPÖ wünschen sich 49 Prozent der FPÖ-, aber nur fünf Prozent der SPÖ-WählerInnen
Weitere Motive
SPÖ-WählerInnen sind nicht nur mit Spitzenkandidat Häupl, sondern zu über 93% auch mit
der bisher geleisteten Arbeit der Partei zufrieden. Die besten Vorschläge zum Thema Flüchtlinge sehen
81% der SPÖ-WählerInnen bei ihrer Partei.
FPÖ-WählerInnen zeigen sich rundum von ihrer Partei überzeugt – sowohl Spitzenkandidat, Zukunftsvorschläge
als auch Vorschläge beim Thema Flüchtlinge finden rund 90% Zustimmung.
Neben dem Flüchtlingsthema beschäftigten sich FPÖ-WählerInnen auch stark mit dem Kernthema
„Sicherheit und Kriminalität“ (54% sehr häufig diskutiert). Auf der anderen Seite haben auch rund vier
von zehn FPÖ-WählerInnen die sozialen Themen „Kosten des täglichen Lebens“ sowie „Wirtschaft und
Arbeitsplätze“ beschäftigt.
ÖVP-WählerInnen stimmen mit 80% vor allem mit den Zukunftsvorschlägen ihrer Partei überein;
Spitzenkandidat Juraczka findet 64% Zustimmung.
Hinsichtlich wichtiger Themen im Wahlkampf folgen nach dem Flüchtlingsthema unter ÖVP-WählerInnen
an zweiter Stelle der Verkehr (42%) sowie „Wirtschaft und Arbeitsplätze“ (39%).
Grün-WählerInnen sehen bei ihrer Partei zu 86% die besten Zunftsvorschläge; sieben von zehn sind
mit der bisherigen Arbeit zufrieden, rund zwei Drittel sehen Maria Vassilakou im Parteienvergleich als beste Spitzenkandidatin.
Im Wahlkampf haben sich Grün-WählerInnen nach der Flüchtlingsfrage auch intensiv mit dem Thema Bildung
und Schule beschäftigt (44% sehr häufig diskutiert).
NEOS-WählerInnen sehen bei ihrer Partei vor allem die besten Zukunftsvorschläge (87% Zustimmung). In
der Flüchtlingsfrage stehen hingegen nur 37% der NEOS-WählerInnen hinter ihrer Partei; Spitzenkandidatin
Meinl-Reisinger wird von zwei Drittel als bestes Angebot angesehen.
Wer hat wen gewählt?
Unterschiede nach Wahrnehmung der Lebensqualität in Wien
Der größte Unterschied im Wahlverhalten zeigt sich bei dieser Wahl aber in Abhängigkeit davon,
wie die Befragten die Entwicklung der Lebensqualität in Wien einschätzen:
Unter jenen, die eine sinkende Lebensqualität sehen, wählten diesmal 76% FPÖ (SPÖ: 12%, ÖVP:
7%). – Unter Personen, die eine weiterhin hohe Lebensqualität sehen, kam die FPÖ mit 13% hingegen hinter
SPÖ (51%), Grünen (16%) nur auf Rang drei.
Unterschiede nach Geschlecht
Bei der Gemeinderatswahl 2015 gab es nur eine geringe Geschlechterkluft im Wahlverhalten, Männer und Frauen
stimmten in ähnlichem Umfang für alle Parteien. Nur die SPÖ konnte etwas stärker Frauen von
sich überzeugen. Der bei früheren Wahlen zu beobachtende starke Überhang der FPÖ unter jungen
Männern zeigt sich bei dieser Wahl nicht.
Unterschiede nach Alter
Nach dem Alter zeigen sich die stärksten Unterschiede bei Grünen, NEOS und ÖVP: Während
die ÖVP bei den Ab-60-Jährigen mit 14% etwa doppelt so stark abschnitt wie bei den Unter-30-Jährigen,
verhält es sich bei den beiden anderen Parteien umgekehrt: Die Grünen kamen in der jüngsten Alterstgruppe
auf 20% der Stimmen (NEOS: 11%) gegenüber 4% (NEOS: 2%) unter Ab-60-Jährigen.
Weniger ausgeprägt sind die Unterschiede nach Alter bei SPÖ und FPÖ, wobei beide Parteien unter
Älteren besser abschnitten.
Der bei früheren Wahlen zu beobachtende starke Überhang der FPÖ unter jungen Männern zeigt
sich bei dieser Wahl nicht.
Wahlverhalten nach Erwerbsstatus
Unter ArbeiterInnen war bei dieser Wahl die FPÖ stärkste Partei, sie kam mit 53% auf eine absolute
Mehrheit.
Unter Angestellten erzielte die FPÖ 32% und lag damit hinter der SPÖ mit 36%.
Öffentlich Bedienstete wählten in Wien mit 50% überdurchschnittlich SPÖ gefolgt von der FPÖ
mit 21% und den Grünen mit 17%.
Unter Personen in Ausbildung sind die Grünen mit 24% besonders stark.
Wahlverhalten nach Migrationshintergrund
WienerInnen, die selbst im Ausland geboren wurden, wählten mit 52% überdurchschnittlich die SPÖ
gefolgt von den Grünen mit 18% und der FPÖ mit 17%.
Die zweite Einwanderer-Generation (mindestens ein Elternteil im Ausland geboren) unterscheidet sich in ihrem Wahlverhalten
weniger von der Gesamtbevölkerung: Sie wählten weniger häufig die ÖVP und SPÖ und etwas
häufiger die Grünen und die NEOS.
Wahlverhalten im Gemeindebau
Hätten bei dieser Wahl nur Personen im Wiener Gemeindebau gewählt, wäre die FPÖ mit 47% vor
der SPÖ mit 42% auf Platz 1 gekommen. Alle anderen Parteien konnten im Gemeindebau kaum Stimmen für sich
gewinnen.
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