Sozialminister Hundstorfer präsentierte im Sozialauschuss erste Eckpunkte
Wien (pk) - Die Regierung will anerkannten Flüchtlingen künftig nach dem Vorbild des "Freiwilligen
Sozialen Jahres" ein "Freiwilliges Integrationsjahr" anbieten. Entsprechende gesetzliche Bestimmungen
sollen in das Budgetbegleitgesetz aufgenommen werden, berichtete Sozialminister Rudolf Hundstorfer am 08.10. den
Abgeordneten im Sozialausschuss des Nationalrats. Das Integrationsjahr soll ihm zufolge eine Mischung aus Ausbildungsverhältnis
und freiwilliger Tätigkeit sein und bis spätestens zwei Jahren nach Zuerkennung des Asylstatus angetreten
werden können. Hundstorfer geht davon aus, dass man damit rund 1.000 Flüchtlingen pro Jahr eine Perspektive
bieten kann.
Anbieten können sollen das Freiwillige Integrationsjahr all jene Organisationen, die auch Zivildiener beschäftigen
bzw. bei denen ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Freiwilliges Umweltjahr absolviert werden kann. Die betroffenen
Flüchtlinge werden krankenversichert und unfallversichert sein, nicht aber pensionsversichert und arbeitslosenversichert.
Es gehe darum, Füchtlingen eine Beschäftigung und gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, die deutsche
Sprache besser zu lernen, skizzierte Hundstorfer. In diesem Sinn müssen die jeweiligen Organisationen auch
Sprachkurse anbieten. Dauern soll das Integrationsjahr zwischen sechs Monate und einem Jahr, eine Verlängerungsmöglichkeit
ist nicht vorgesehen.
Um Flüchtlingen die Integration zu erleichtern, strebt Hundstorfer überdies an, mehr jugendlichen AsylwerberInnen
eine Lehrausbildung zu ermöglichen. Die Liste der Lehrberufe, die AsylwerberInnen offen stehen, wurde bereits
auf zwölf ausgeweitet, nun ist man dabei, in Tirol ein praxistaugliches Modell als Vorbild auch für andere
Bundesländer auszuarbeiten. Vor allem in der Gastronomie gebe es im Westen Österreichs viele offene Lehrstellen,
die nicht besetzt werden können, gab Hundstorfer zu bedenken. Er ist zuversichtlich, dass es gelingen wird,
junge AsylwerberInnen aus der Ostregion Österreichs zu einem Umzug in die westlichen Bundesländer zu
bewegen, wenn sie dort eine Beschäftigungsperspektive haben. Die Zahl der derzeitigen Lehrverhältnisse
bezifferte der Sozialminister mit rund 110.
Nichts geändert hat sich laut Hundstorfer an der Vorgabe, dass bei offenen Lehrstellen Inländer Vorrang
haben. Es ist auch nicht vorgesehen, AsylwerberInnen in überbetrieblichen Lehrwerkstätten auszubilden.
Allgemein geht Hundstorfer davon aus, dass die Zahl der beim Arbeitsmarktservice vorgemerkten Flüchtlinge
in den nächsten Wochen und Monaten um (korr. auf) rund 30.000 Personen wachsen wird. Derzeit sind ihm zufolge
19.000 Flüchtlinge beim AMS als arbeitssuchend registriert, von dieser Zahl müsse man aber rund 6.000
abziehen, da sie zwar in der Statistik als Flüchtlinge geführt werden, zum Teil aber schon jahrelang
in Österreich sind und nach einer längeren Beschäftigungsphase arbeitslos wurden. 9.000 bekämen
vom AMS ein "volles Service", jedoch ohne Arbeitslosengeld, die übrigen 4.000 haben zumindest ein
Teileinkommen.
Opposition vermisst Strategie zur Bewältigung der Wirtschaftskrise
Neben dem Bereich Asyl schnitten die Abgeordneten in der Aussprache mit dem Sozialminister auch zahlreiche andere
Themen an. So kritisierte Grün-Abgeordnete Birgit Schatz, dass die Bundesregierung keinerlei Strategie habe,
um aus der krisenhaften Situation, in der sich Österreich befinde, herauszukommen. Immer nur zu sagen, der
Regierungspartner oder die Sozialpartner wollten nicht, sei zu wenig, meinte sie in Richtung Hundstorfer. FPÖ-Abgeordneter
Peter Wurm machte geltend, dass sich angesichts der tristen Konjunkturaussichten auch die Lage am Arbeitsmarkt
nicht entspannen werde. Team-Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich hob die hohe Arbeitslosigkeit unter den türkischen
MigrantInnen hervor.
NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker wies darauf hin, dass seine Partei eine Studie beauftragt habe, um zu eruieren,
warum sich die Unternehmen nicht in der Lage sehen, eine ausreichende Zahl von neuen Arbeitsplätzen zur Verfügung
zu stellen. Am häufigsten wurden ihm zufolge die hohen Lohnnebenkosten und das restriktive Arbeitsrecht in
Österreich genannt. Für Loacker sind das Themen, die unbedingt auf dem immer noch ausstehenden Arbeitsmarktgipfel
angesprochen werden müssen. In "Sonntagsreden" kündige man zwar immer eine Senkung der Lohnnebenkosten
an, aber passieren tue das Gegenteil, klagte er. Seiner Meinung nach ist es auch unverständlich, dass die
SPÖ weiter an der Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche festhält, obwohl ältere ArbeitnehmerInnen
es jetzt schon sehr schwer hätten, einen Job zu finden. Ein weiteres Problem ist für Loacker der ständig
steigende Bundeszuschuss zu den Pensionen.
Seitens der ÖVP sprach Sozialsprecher August Wöginger die Situation älterer Arbeitsloser an. Gertrude
Aubauer wies auf die nach wie vor enorme Differenz zwischen Frauenpensionen und Männerpensionen hin. Werner
Groiß äußerte die Befürchtung, dass durch den Zustrom von AsylwerberInnen das Problem der
Scheinselbstständigkeit wieder Aufwind erhalten könnte.
FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer thematisierte die geplante Wohnbauoffensive, seine Fraktionskollegin Dagmar
Belakowitsch-Jenewein weiter bestehende Probleme mit inadäquaten AMS-Kursen. Waltraud Dietrich vom Team Stronach
wollte wissen, ob es in Bezug auf die Anhebung des Frauenpensionsalters Bewegung gibt. SPÖ-Abgeordnete Ulrike
Königsberger-Ludwig erkundigte sich nach dem aktuellen Stand der Demenz-Strategie.
Für Anliegen behinderter Menschen machten sich Grün-Abgeordnete Helene Jarmer und ÖVP-Abgeordneter
Franz-Joseph Huainigg stark. Huainigg sprach sich etwa dafür aus, im Zuge der Novelle des Gesundheitsberufegesetzes
die Möglichkeit zu schaffen, Pflegetätigkeiten auch an PädagogInnen bzw. Assistenzkräfte zu
delegieren, um pflegebedürftigen Kindern zu ermöglichen, einen Kindergarten bzw. eine Schule zu besuchen.
Hundstorfer: Arbeitsmarktgipfel wird kommen
In Beantwortung der Fragen teilte Sozialminister Hundstorfer unter anderem mit, dass in den Monaten Jänner
bis September in rund 19.000 Fällen eine Eingliederungsbeihilfe zur Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen
gewährt wurde. Wie rasch über 50-Jährige wieder einen Arbeitsplatz finden, hängt ihm zufolge
nicht nur von der Ausbildung, sondern auch von der Region ab. Aus der Türkei gibt es laut Hundstorfer keine
Zuwanderung mehr. Arbeitslose mit türkischem Migrationshintergrund seien schon lange in Österreich bzw.
sogar hier geboren. Allgemein hob der Sozialminister hervor, dass die Zahl der Arbeitsplätze im September
2015 im Vergleich zum Vorjahr um 30.000 gestiegen ist.
Gegenüber Abgeordnetem Loacker versicherte Hundstorfer, der Arbeitsmarktgipfel werde kommen, vielleicht sogar
"rascher, als Sie glauben". Er verteidigte außerdem die Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche.
Wenn man sich von den Leuten erwarte, dass sie länger im Erwerbsleben stehen, müsse man ihnen auch längere
Erholungsphasen geben, argumentierte er. Im Übrigen hätte ihm zufolge auch das neue Modell der sechsten
Urlaubswoche an eine längere Betriebszugehörigkeit angeknüpft und wäre für die Unternehmen
insgesamt kostenneutral gewesen.
Faktisches Pensionsantrittsalter steigt weiter an
Das faktische Pensionsantrittsalter steigt nach Auskunft von Hundstorfer weiter an. Als Grund dafür nannte
er nicht nur ein Minus von 17 % bei den Invaliditätspnsionen, auch die übrigen Pensionsantritte seien
um 10 % gesunken. "Am Ende des Jahres werden wir wieder um etliche Monate älter geworden sein",
ist er zuversichtlich. Das Frauenpensionsalter hält Hundstorfer derzeit für nicht angreifbar, "schauen
wir, was die Zukunft bringt."
Gesetzentwurf zum neuen Wohnbaupaket geht demnächst in Begutachtung
Demnächst in Begutachtung gehen wird laut Hundstorfer der Gesetzentwurf zur neuen Wohnbauoffensive, nachdem
es gelungen sei, die letzten Stolpersteine auszuräumen. Die Zuständigkeit liegt beim Wirtschaftsministerium.
Hundstorfer zufolge sollen als Teil des Konjunkturpakets in den nächsten Jahren 5,2 Mrd. € an "frischem
Geld" zur Verfügung gestellt werden. Dass das neue Wohnbaupaket nicht über die Länder, sondern
über eine eigene Wohnbaubank abgewickelt werden soll, begründete er damit, dass Gelder der Europäischen
Investitionsbank "abgeholt" werden sollen. Dafür brauche es auch Bundeshaftungen.
Abgeordnetem Huainigg berichtete Hundstorfer, dass es derzeit aufgrund des enormen Andrangs einen Rückstau
bei der Bearbeitung von Anträgen für einen Vermerk im Behindertenausweis gemäß Straßenverkehrsordnung
gebe. Man habe bereits zusätzliches Personal ins Sozialministeriumservice transferiert, um die Anträge
rascher abzuwickeln, unterstrich er. Es müsse aber jeder Einzelfall geprüft werden. Was das bevorstehende
Auslaufen der Übergangsfrist für den barrierefreien Zugang von Gebäuden betrifft, rechnet Hundstorfer
damit, dass es weiter Diskussionen über die Zumutbarkeit baulicher Veränderungen geben wird. Es gebe
für Geschäfte und Gewerbetreibende aber Leitfäden. In Bezug auf die Demenzstrategie stellte Hundstorfer
eine Präsentation der Ergebnisse für 14. Dezember in Aussicht.
Sozialausschuss genehmigt Sozialabkommen mit Australien
Gegen die Stimmen der FPÖ angenommen wurde von den Abgeordneten ein neues Abkommen zwischen Österreich
und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit ( 779 d.B.). Unter anderem werden darin die Anrechnung von Versicherungszeiten
und die Vermeidung von Doppelversicherungen bei grenzüberschreitendem Arbeitseinsatz geregelt. Seit dem Abschluss
des geltenden Abkommen 1992 seien sowohl innerstaatlich als auch zwischenstaatlich wesentliche Rechtsänderungen
eingetreten, wird das neue Abkommen begründet.
Wie SPÖ-Abgeordneter Dietmar Keck berichtete, bekommen derzeit 879 Personen in Österreich eine Pension
nach australischem Pensionsrecht. In 7.736 Fällen überweise Österreich eine Pension nach Australien.
NEOS-Abgeordneter Loacker nahm die Debatte zum Anlass, um darauf hinzuweisen, dass Australien das Pensionsantrittsalter
schrittweise auf 67 Jahre anhebe. Sozialminister Hundstorfer teilte Abgeordnetem Groiß mit, dass es, abseits
der EU, mit 16 Ländern ähnliche bilaterale Abkommen gebe. Gespräche laufen derzeit mit Albanien,
Brasilien und Japan. Außerdem soll das Abkommen mit Kanada überarbeitet werden.
Weiters auf der Tagesordnung des Sozialausschusses standen rund zwei Dutzend Oppositionsanträge.
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