EU-Alpenraum-Strategie soll für mehr Wachstum sorgen

 

erstellt am
08. 10. 15
09:00 MEZ

Achtung der Alpenkonvention im EU-Ausschuss des Bundesrats eingemahnt
Wien (pk) – Regionen mehr verbinden – das ist seit jeher die Maxime im Bundesrat, wenn es um die Ankurbelung des Wachstums in der Europäischen Union geht. Bestätigung findet die Länderkammer jetzt in der diesen Juli von der Europäischen Kommission lancierten Alpenraum-Strategie. Dennoch wurden im EU-Ausschusses des Bundesrats Warnungen dazu laut: Die sensible Alpenregion dürfe nicht durch gedankenloses Wirtschaftswachstum beeinträchtigt werden. Auf die Vereinbarungen in der Alpenkonvention beriefen sich dabei die Bundesräte Stefan Schennach (S/W) und Marco Schreuder (G/W). Der Grünen-Bundesrat vermisst im Kommissionsplan das eindeutige Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer versuchte indes zu beruhigen. Wachstum und nachhaltige Entwicklung müssten kein Widerspruch sein, erklärte der Vorarlberger ÖVP-Mandatar.

Zusammenarbeit alpiner Regionen besser koordinieren
Die EU - Strategie für den Alpenraum (EUSALP) ist die vierte makroregionale Strategie für engere Zusammenarbeit zwischen Regionen und Ländern. Als Zielsetzung von EUSALP gibt die Europäische Kommission an, die Alpen ökologisch verträglich und sozial gerecht als attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum, als Naturraum sowie als Tourismusregion zu sichern und weiterzuentwickeln. Kooperationen soll es in den Bereichen Forschung und Innovation, Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Mobilität, Tourismus, Umweltschutz und Verwaltung der Energieressourcen geben, geht aus einer Mitteilung der Kommission hervor. Sieben Länder würde die Alpenraum-Strategie umfassen: fünf Mitgliedstaaten (Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Slowenien) und zwei Drittstaaten (Liechtenstein und die Schweiz). Somit wären rund 80 Mio. Menschen in 48 Regionen von der engeren Zusammenarbeit auf regionaler, nationaler und EU-Ebene –der sogenannten multi-level governance – betroffen.

Anstoßen will die EU-Kommission vor allem Projekte zur Hebung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Beispielsweise durch Forschungsaktivitäten zu alpenbezogenen Produkten und Dienstleistungen. Gerade im Bereich des Tourismus braucht es aus Sicht der Kommission neue Ansätze für eine nachhaltige und saisonal besser verteilte Freizeitwirtschaft. Weiters zielt die Strategie auf Verbesserungen im Straßen- und Schienenverkehr ab und auf eine Ausweitung des Netzzugangs per Satellit in abgelegenen Gebieten. Angestrebt wird auch eine regionale Bündelung der Ressourcen zum Schutz der Umwelt und zur Förderung der Energieeffizienz im Alpenraum. Thema der Kommissionsmitteilung ist überdies die Bewältigung der Herausforderungen, die durch den Klimawandel entstehen, wie das vermehrte Auftreten von Naturkatastrophen oder Veränderungen bei den Wasserressourcen.

Generell bestehe die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit der alpinen Regionen besser zu koordinieren, bestätigten die Vertreter der zuständigen Regierungsstellen, Außenministerium (BMEIA) und Bundeskanzleramt (BKA), im Ausschuss den Kommissionsansatz. Dadurch stelle man die optimale Nutzung bestehender Fördermittel sicher und könne gemeinsam nach Lösungen für regional ähnlich gelagerte Probleme – etwa die Verbindung Alpenraum und Ballungszentren – suchen. Wiewohl im Kommissionsplan für die Alpenraum-Strategie auf Steuerungsebene ein "makroregionales Governance-Modell" vorgeschlagen wird, würden derartige EU-Strategien grundsätzlich keine neuen Finanzmittel oder Strukturen vorsehen, versicherte der BKA-Vertreter. Finanziert werden soll die Alpenraum-Strategie der Kommission zufolge vorrangig aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds, Synergien mit anderen EU-Töpfen wie Horizont 2020 sind möglich. Österreichs Überlegungen, mit einem "Sonderbeauftragten" der EUSALP-Organisation ein Gesicht zu verleihen, stoße bislang nicht bei allen beteiligten Länder auf Gegenliebe, informierte das Bundeskanzleramt.

Schutz der Alpen nicht durch Wachstumspolitik gefährden
Bedenken äußerte auch Bundesrat Marco Schreuder (G/W). Als Gefahr bei der vorgeschlagenen Alpenraum-Strategie sieht er dessen Fokus auf wirtschaftliches Wachstum, wodurch eine nachhaltige und ökologische Entwicklung womöglich behindert werde. Zudem seien Nichtregierungsorganisationen an der Steuerung der Maßnahmen nicht beteiligt, die Umsetzung vor Ort erfolge durch die Regionalbehörden, kritisierte er einen mangelhaften Zugang zur Zivilbevölkerung. Stefan Schennach (S/W) übte zwar weniger harsche Kritik, er riet aber eindringlich, die Zielvorgaben der Alpenschutzkonvention zum Schutz der sensiblen Alpenregionen als Grundlage für die EUSALP-Umsetzung zu nehmen.

Die Sorgen rund um Naturschutz und soziale Nachhaltigkeit würden bei den laufenden Verhandlungen zur Finalisierung der Strategie zur Sprache kommen, versicherte der BMEIA-Vertreter. Gerade hinsichtlich der Bedeutung der Alpen als Tourismusregion müsse man auf Nachhaltigkeit setzen. Folglich liege eine intelligenten Umsetzung der Strategie ganz im Interesse Österreichs. Mit EUSALP hofft man laut Bundeskanzleramt, grenzübergreifend einen Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Nutzung des Alpenraums und dem Schutz des sensiblen Ökosystems zu erreichen. Neben den alpinen Kerngebieten umfasst der Kommissionsplan auch das Alpenvorland sowie alpine Metropolen. Eingerichtet worden ist in Österreich bereits eine nationale Koordinierungsplattform für die EU-Alpenraum-Strategie, bestehend aus Mitgliedern der involvierten Bundesministerien, der Landesregierungen, der Sozialpartner sowie der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA. Die Expertise der Alpenkonvention, bei deren Konferenzen alle zwei Jahre MinisterInnen der Alpenstaaten zusammentreffen, soll hier ebenfalls einfließen, wobei die Informationsweitergabe zentrale Aufgabe der Plattform ist, etwa an relevante Nichtregierungsorganisationen, wird vom Außenministerium unterstrichen.

Alpenraum-Strategie könnte mit 2016 starten
Völlig neu sind Anstrengungen zur vermehrten Kooperation der Alpenländer nicht, eine entsprechende internationale Arbeitsgruppe besteht dem Außenministerium zufolge bereits seit über 40 Jahren. Durch EUSAP will man nun den Dialog zwischen den Organisationen und Institutionen verstärken, insbesondere zwischen dem bestehenden EU-Alpenraumprogramm und Regierungsinitiativen einiger Alpenregionen. Die EU-Kommission beabsichtigt, die Koordination und Moderation der EUSALP zu übernehmen, zur Ausarbeitung der Organisationsstruktur wurde eine Steuerungsgruppe aus VertreterInnen der beteiligten Mitgliedsstaaten und Regionen eingerichtet. Für Österreich sind das Außenministerium, das Bundeskanzleramt und das Land Tirol in dieser Steuerungsgruppe vertreten. Die Schnittstellenorganisation zwischen makroregionalen Strategien wie EUSALP und der Umsetzung der Programme der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds soll im Rahmen der Österreichischen Raumordnungskonferenz, getragen von Bund, Ländern und Gemeinden, liegen.

Angeregt worden war die EU-Strategie für den Alpenraum von den Staats- und Regierungschefs der Union beim Europäischen Rat vom 19./10. Dezember 2013. Im Vorjahr starteten umfassende Onlinekonsultationen zur Strategie, bei denen Privatpersonen genauso wie Behörden und RegierungsvertreterInnen ihre Stellungnahmen abgeben konnten. Insgesamt seien 196 Schreiben im Rahmen dieser Bürgerbeteiligung ergangen, erfuhr Bundesrat Christoph Längle (F/V). Am 28 Juli 2015 schließlich wurde die Alpenraum-Strategie in Form einer Mitteilung und eines Aktionsplans als Entwurf auf den Weg gebracht, derzeit werden Schlussfolgerungen des Rats dazu vorbereitet. Falls der Europäische Rat die Strategie noch diesen Dezember billigt, so das Außenministerium, könnte sie Anfang 2016 starten. Wie bei allen makroregionalen Strategien würde man die Auswirkungen von EUSALP alle zwei bis drei Jahre evaluieren, ergänzte der BMEIA-Experte auf Nachfrage von Bundesrätin Ingrid Winkler (S).

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

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