Achtung der Alpenkonvention im EU-Ausschuss des Bundesrats eingemahnt
Wien (pk) Regionen mehr verbinden das ist seit jeher die Maxime im Bundesrat, wenn es um die Ankurbelung
des Wachstums in der Europäischen Union geht. Bestätigung findet die Länderkammer jetzt in der diesen
Juli von der Europäischen Kommission lancierten Alpenraum-Strategie. Dennoch wurden im EU-Ausschusses des
Bundesrats Warnungen dazu laut: Die sensible Alpenregion dürfe nicht durch gedankenloses Wirtschaftswachstum
beeinträchtigt werden. Auf die Vereinbarungen in der Alpenkonvention beriefen sich dabei die Bundesräte
Stefan Schennach (S/W) und Marco Schreuder (G/W). Der Grünen-Bundesrat vermisst im Kommissionsplan das eindeutige
Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer versuchte indes zu beruhigen. Wachstum und nachhaltige
Entwicklung müssten kein Widerspruch sein, erklärte der Vorarlberger ÖVP-Mandatar.
Zusammenarbeit alpiner Regionen besser koordinieren
Die EU - Strategie für den Alpenraum (EUSALP) ist die vierte makroregionale Strategie für engere Zusammenarbeit
zwischen Regionen und Ländern. Als Zielsetzung von EUSALP gibt die Europäische Kommission an, die Alpen
ökologisch verträglich und sozial gerecht als attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum, als Naturraum
sowie als Tourismusregion zu sichern und weiterzuentwickeln. Kooperationen soll es in den Bereichen Forschung und
Innovation, Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Mobilität, Tourismus, Umweltschutz
und Verwaltung der Energieressourcen geben, geht aus einer Mitteilung der Kommission hervor. Sieben Länder
würde die Alpenraum-Strategie umfassen: fünf Mitgliedstaaten (Deutschland, Österreich, Frankreich,
Italien und Slowenien) und zwei Drittstaaten (Liechtenstein und die Schweiz). Somit wären rund 80 Mio. Menschen
in 48 Regionen von der engeren Zusammenarbeit auf regionaler, nationaler und EU-Ebene der sogenannten multi-level
governance betroffen.
Anstoßen will die EU-Kommission vor allem Projekte zur Hebung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Beispielsweise durch Forschungsaktivitäten zu alpenbezogenen Produkten
und Dienstleistungen. Gerade im Bereich des Tourismus braucht es aus Sicht der Kommission neue Ansätze für
eine nachhaltige und saisonal besser verteilte Freizeitwirtschaft. Weiters zielt die Strategie auf Verbesserungen
im Straßen- und Schienenverkehr ab und auf eine Ausweitung des Netzzugangs per Satellit in abgelegenen Gebieten.
Angestrebt wird auch eine regionale Bündelung der Ressourcen zum Schutz der Umwelt und zur Förderung
der Energieeffizienz im Alpenraum. Thema der Kommissionsmitteilung ist überdies die Bewältigung der Herausforderungen,
die durch den Klimawandel entstehen, wie das vermehrte Auftreten von Naturkatastrophen oder Veränderungen
bei den Wasserressourcen.
Generell bestehe die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit der alpinen Regionen besser zu koordinieren, bestätigten
die Vertreter der zuständigen Regierungsstellen, Außenministerium (BMEIA) und Bundeskanzleramt (BKA),
im Ausschuss den Kommissionsansatz. Dadurch stelle man die optimale Nutzung bestehender Fördermittel sicher
und könne gemeinsam nach Lösungen für regional ähnlich gelagerte Probleme etwa die Verbindung
Alpenraum und Ballungszentren suchen. Wiewohl im Kommissionsplan für die Alpenraum-Strategie auf Steuerungsebene
ein "makroregionales Governance-Modell" vorgeschlagen wird, würden derartige EU-Strategien grundsätzlich
keine neuen Finanzmittel oder Strukturen vorsehen, versicherte der BKA-Vertreter. Finanziert werden soll die Alpenraum-Strategie
der Kommission zufolge vorrangig aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds, Synergien mit anderen
EU-Töpfen wie Horizont 2020 sind möglich. Österreichs Überlegungen, mit einem "Sonderbeauftragten"
der EUSALP-Organisation ein Gesicht zu verleihen, stoße bislang nicht bei allen beteiligten Länder auf
Gegenliebe, informierte das Bundeskanzleramt.
Schutz der Alpen nicht durch Wachstumspolitik gefährden
Bedenken äußerte auch Bundesrat Marco Schreuder (G/W). Als Gefahr bei der vorgeschlagenen Alpenraum-Strategie
sieht er dessen Fokus auf wirtschaftliches Wachstum, wodurch eine nachhaltige und ökologische Entwicklung
womöglich behindert werde. Zudem seien Nichtregierungsorganisationen an der Steuerung der Maßnahmen
nicht beteiligt, die Umsetzung vor Ort erfolge durch die Regionalbehörden, kritisierte er einen mangelhaften
Zugang zur Zivilbevölkerung. Stefan Schennach (S/W) übte zwar weniger harsche Kritik, er riet aber eindringlich,
die Zielvorgaben der Alpenschutzkonvention zum Schutz der sensiblen Alpenregionen als Grundlage für die EUSALP-Umsetzung
zu nehmen.
Die Sorgen rund um Naturschutz und soziale Nachhaltigkeit würden bei den laufenden Verhandlungen zur Finalisierung
der Strategie zur Sprache kommen, versicherte der BMEIA-Vertreter. Gerade hinsichtlich der Bedeutung der Alpen
als Tourismusregion müsse man auf Nachhaltigkeit setzen. Folglich liege eine intelligenten Umsetzung der Strategie
ganz im Interesse Österreichs. Mit EUSALP hofft man laut Bundeskanzleramt, grenzübergreifend einen Ausgleich
zwischen der wirtschaftlichen Nutzung des Alpenraums und dem Schutz des sensiblen Ökosystems zu erreichen.
Neben den alpinen Kerngebieten umfasst der Kommissionsplan auch das Alpenvorland sowie alpine Metropolen. Eingerichtet
worden ist in Österreich bereits eine nationale Koordinierungsplattform für die EU-Alpenraum-Strategie,
bestehend aus Mitgliedern der involvierten Bundesministerien, der Landesregierungen, der Sozialpartner sowie der
Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA. Die Expertise der Alpenkonvention, bei deren Konferenzen alle zwei
Jahre MinisterInnen der Alpenstaaten zusammentreffen, soll hier ebenfalls einfließen, wobei die Informationsweitergabe
zentrale Aufgabe der Plattform ist, etwa an relevante Nichtregierungsorganisationen, wird vom Außenministerium
unterstrichen.
Alpenraum-Strategie könnte mit 2016 starten
Völlig neu sind Anstrengungen zur vermehrten Kooperation der Alpenländer nicht, eine entsprechende internationale
Arbeitsgruppe besteht dem Außenministerium zufolge bereits seit über 40 Jahren. Durch EUSAP will man
nun den Dialog zwischen den Organisationen und Institutionen verstärken, insbesondere zwischen dem bestehenden
EU-Alpenraumprogramm und Regierungsinitiativen einiger Alpenregionen. Die EU-Kommission beabsichtigt, die Koordination
und Moderation der EUSALP zu übernehmen, zur Ausarbeitung der Organisationsstruktur wurde eine Steuerungsgruppe
aus VertreterInnen der beteiligten Mitgliedsstaaten und Regionen eingerichtet. Für Österreich sind das
Außenministerium, das Bundeskanzleramt und das Land Tirol in dieser Steuerungsgruppe vertreten. Die Schnittstellenorganisation
zwischen makroregionalen Strategien wie EUSALP und der Umsetzung der Programme der Europäischen Struktur-
und Investitionsfonds soll im Rahmen der Österreichischen Raumordnungskonferenz, getragen von Bund, Ländern
und Gemeinden, liegen.
Angeregt worden war die EU-Strategie für den Alpenraum von den Staats- und Regierungschefs der Union beim
Europäischen Rat vom 19./10. Dezember 2013. Im Vorjahr starteten umfassende Onlinekonsultationen zur Strategie,
bei denen Privatpersonen genauso wie Behörden und RegierungsvertreterInnen ihre Stellungnahmen abgeben konnten.
Insgesamt seien 196 Schreiben im Rahmen dieser Bürgerbeteiligung ergangen, erfuhr Bundesrat Christoph Längle
(F/V). Am 28 Juli 2015 schließlich wurde die Alpenraum-Strategie in Form einer Mitteilung und eines Aktionsplans
als Entwurf auf den Weg gebracht, derzeit werden Schlussfolgerungen des Rats dazu vorbereitet. Falls der Europäische
Rat die Strategie noch diesen Dezember billigt, so das Außenministerium, könnte sie Anfang 2016 starten.
Wie bei allen makroregionalen Strategien würde man die Auswirkungen von EUSALP alle zwei bis drei Jahre evaluieren,
ergänzte der BMEIA-Experte auf Nachfrage von Bundesrätin Ingrid Winkler (S).
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