Wirtschaftsausschuss diskutiert über Konjunktur und Wettbewerb
Wien (pk) - Österreichs Wirtschaft befindet sich im europäischen Vergleich nach wie vor auf der
"Kriechspur". WIFO-Chef Karl Aiginger bezifferte in einer aktuellen Aussprache des Wirtschaftsausschusses
zum Thema Konjunktur am 07.10. das Wirtschaftswachstum für dieses Jahr mit 0,7% und rechnet für 2016
mit einer Beschleunigung auf 1,4%. Es müsse gelingen, die Wachstumsrate wieder mindestens auf den EU-Schnitt
heranzuführen, mahnte er und drängte vor allem auf gezielte Investitionen in Bildung und Forschung. Kurzfristig
erwartet sich Aiginger ebenso wie Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner Wachstumsimpulse durch die Steuerreform
2016.
Im weiteren Verlauf der Sitzung nahmen die Abgeordneten den aktuellen Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde
einstimmig zur Kenntnis und verabschiedeten überdies eine Novelle zum Elektrotechnikgesetz, die vor allem
eine Harmonisierung der entsprechenden Bestimmungen bezweckt. Auf der Tagesordnung standen schließlich auch
eine Reihe von Anträgen der Oppositionsparteien zu den Themenblöcken Entbürokratisierung, Wirtschaftskammer
und Russland-Sanktionen, die jeweils mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurden.
Ausfall des Exportturbos bedingt schwaches Wachstum
In der Debatte mit den Abgeordneten begründete Aiginger das niedrige Wirtschaftswachstum vor allem mit dem
Ausfall des Exportturbos, zumal die wichtigen Märkte im Schwarzmeerraum – Ukraine und Russland – weggebrochen
seien. Grund zur Angst, man hätte an Wettbewerbsfähigkeit verloren, bestehe aber nicht, verzeichne Österreich
doch mit 5 Mrd. € einen der höchsten Leistungsbilanzüberschüsse Europas. Als problematisch sah Aiginger
jedoch das Ausbleiben von realen Einkommenssteigerungen, das er vor allem auf die kalte Progression und die im
europäischen Schnitt hohe Inflation zurückführte. Unter diesen Umständen werde es auf Dauer
nicht gelingen, den Inlandskonsum aufrechtzuerhalten, warnte er, erwartete sich aber eine Einkommenserhöhung
im nächsten Jahr durch die Steuerreform. Als weiteres Problemfeld bezeichnete der Wifo-Chef die mangelnde
Zuversicht der Unternehmer und die daraus resultierende geringe Bereitschaft zu Investitionen. Erleichtert werde
die Situation auch nicht durch den Umstand, dass der Staat aufgrund der aktuellen Budgetlage als Triebkraft für
Wachstum ausfällt, gab er weiters zu bedenken.
WIFO-Chef fordert mehr Investitionen in Bildung und Forschung
Aiginger drängte mit Nachdruck auf Investitionen in den Bildungs- und Forschungsbereich sowie in die Qualifikation
der Beschäftigten. Anerkennend registrierte er in diesem Zusammenhang die Steigerung der F+E-Quote. Verstärktes
Augenmerk muss zudem seiner Meinung nach auch der Inflationsbekämpfung geschenkt werden, dies vor allem durch
mehr Konkurrenz im Handel und Zurückhaltung bei den öffentlichen Gebühren. Auch eine vernünftige
Umweltpolitik kann nach den Worten Aigingers durchaus ein Vorteil für die Wirtschaft sein. Hier gelte es insbesondere,
in neue Technologien zu investieren, die es ermöglichen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Positiv schätzte
Aiginger auch Investitionen in den Wohnbau ein. Das Ziel müsse allerdings die Errichtung von Null-Energie-Wohnungen
sein, da Österreich seine Klimaziele sonst niemals erreichen werde.
Zur Flüchtlingsfrage stellte Aiginger fest, hier habe nicht die Ökonomie das letzte Wort. Die Vergangenheit
habe aber gezeigt, dass massive Einwanderung, so etwa die Migrationswellen aus Ungarn und aus Bosnien, immer ein
Vorteil für Österreichs Wirtschaft waren. Die Aufnahme von 30.000 Personen sei nicht unbedingt ein Problem,
wenn es eine entsprechende Arbeitsmarkt- und Flüchtlingsstrategie gibt. Ein Sperren der Grenze könne
jedenfalls keine Antwort auf die Flüchtlingskrise sein. Dies würde sich erst recht negativ auf den Arbeitsmarkt
auswirken und eine Rückabwicklung der europäischen Integration bedeuten, warnte Aiginger.
Auch Mitterlehner setzt auf Steuerreform
Man sei auf einem guten Weg, stellte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner fest und setzte dabei ebenfalls
auf positive Wirkungen der Steuerreform, um der Konsum- und Investitionsschwäche zu begegnen. Als wesentlich
bezeichnete der Ressortleiter zudem die Diversifizierungsstrategie beim Export sowie eine rasche Umsetzung der
Verwaltungsreform mit dem Ziel einer Entbürokratisierung für die Wirtschaft. In der Flüchtlingspolitik
will Mitterlehner mit entsprechenden Programmen, die vom Universitätsbereich bis hin zum Arbeitsmarkt reichen,
effiziente Integration ermöglichen.
Die Einschätzung der Abgeordneten
Seitens der SPÖ äußerte Christoph Matznetter seine Überzeugung, dass die Steuerreform einen
echten Impuls für die Kaufkraft auslösen werde. Was die Beschäftigungswirkung einer Arbeitszeitverkürzung
betrifft, konnte er die negative Einschätzung der ÖVP-Abgeordneten Kathrin Nachbaur nicht teilen. Sein
Fraktionskollege Franz Kirchgatterer richtete den Blick auf die Qualifizierung der Lehrlinge, während Rainer
Wimmer (S) den Wunsch nach größerer Effizienz des Arbeitsmarktes äußerte.
Vor neuen Belastungen für die KMU warnte ÖVP-Mandatarin Angelika Winzig, die sich in diesem Zusammenhang
auch klar gegen eine sechste Urlaubswoche aussprach. Für Brigitte Jank (V) wiederum ist es entscheidend, Investitionsanreize
zu setzen und die Zuversicht der Wirtschaftstreibenden zu heben.
Kritik an der seiner Meinung nach hohen Steuerbelastung und den hohen Lohnnebenkosten übte FPÖ-Abgeordneter
Bernhard Themessl. Sein Fraktionskollege Axel Kassegger drängte auf Aufhebung der Russland-Sanktionen als
Antwort auf den Wegfall des Exportturbos. Peter Wurm (F) thematisierte die Kosten der Flüchtlingskrise und
fand kritische Worte für die Asylpolitik der Regierung.
Grünen-Wirtschaftssprecherin Ruperta Lichtenecker mahnte weitere Anstrengungen in den Bereichen Forschung
und Innovation ein, während Matthias Köchl (G) zu mehr Wohnbauinvestitionen aufrief. Christiane Brunner
(G) forderte Mitterlehner auf, noch vor dem Klimagipfel in Paris konkrete Signale zur CO2-Reduktion zu setzen.
Anliegen von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Alm waren die Lockerung der Gewerbeordnung sowie die Sonntagsöffnung
der Geschäfte. Für Leopold Steinbichler vom Team Stronach schließlich stellte sich die Frage, ob
Österreich angesichts der hohen Arbeitslosenrate noch weitere Flüchtlinge verkraften könne.
Lob für die Bundeswettbewerbsbehörde
Das Engagement der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) für faire Marktbedingungen fand ungeteilte Anerkennung
bei allen Fraktionen. Die Abgeordneten stützten sich dabei auf den von Generaldirektor Theodor Thanner präsentierten
Tätigkeitsbericht 2014 (III-209 d.B.), der vor allem die zunehmende Bedeutung von Hausdurchsuchungen und Geldbußen
im Kampf gegen Kartelle unterstreicht und eine Reihe aktueller Fälle – von der Lebensmittelbranche über
den Dämmstoffhandel bis hin zu Hotel-Onlinebuchungssystemen – herausgreift.
Wie Theodor Thanner in der Debatte gegenüber den Abgeordneten Franz Kirchgatterer (S), Hermann Schultes (V)
und Nikolaus Alm (N) ankündigte, werden der Online-Handel sowie der Lebensmittelbereich auch weiterhin die
Schwerpunkte der Tätigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde darstellen. Man turne sich hier von einem Fall
zum nächsten Fall, wobei Verfahren meist durch Kronzeugen oder durch Beschwerden in Gang gebracht werden.
Was den von den Abgeordneten Brigitte Jank (V) und Matthias Köchl (G) angesprochenen Glücksspielbereich
betrifft, wies Thanner auf Marktgespräche mit den wesentlichen Playern hin. Zur Personalsituation teilte der
Generaldirektor dem Ausschuss mit, derzeit verfüge die BWB über 36 Planstellen. Aus dem Bundesamt für
Eich- und Vermessungswesen sollen nun aber vorbehaltlich der Genehmigung durch das Finanzministerium zehn zusätzliche
Planstellen zur Bundeswettbewerbsbehörde kommen.
Novelle zum Elektrotechnikgesetz bringt EU-Harmonisierung
Einen weiteren Schritt zur Vertiefung des europäischen Binnenmarkts setzte der Ausschuss mit der einhelligen
Zustimmung zu einer Novelle zum Elektrotechnikgesetz (806 d.B.), die vor allem im Lichte der Notwendigkeit einheitlicher
Marktbedingungen für elektrotechnische Produkte zu sehen ist und darauf abzielt, nicht EU-konforme Erzeugnisse
im ganzen EU-Raum gleich zu behandeln. Konkret ist nun vorgesehen, das Wirtschaftsministerium als notifizierende
Behörde einzurichten und dabei auch Regeln über das Notifizierungsverfahren ins Gesetz aufzunehmen.
In einer Debatte mit sonst durchwegs positiven Wortmeldungen zur Harmonisierung technischer Normen in Europa warnte
Bernhard Themessl (F) vor Belastungen der Wirtschaft mit Kosten, die durch eine bedenkliche Regulierungswut der
EU entstünden. Demgegenüber betonte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, die Gesetzesänderung
werde keinen Mehraufwand nach sich ziehen. Die Vorlage eines Normengesetzes, das auf mehr Transparenz bei den technischen
Normen abziele, kündigte der Minister noch für das laufende Jahr an.
Opposition pocht auf Bürokratieabbau und Modernisierung der Gewerbeordnung
Entbürokratisierung und Erleichterungen für die Wirtschaft sind die zentralen Forderungen von Anträgen
der Oppositionsparteien, die bei der Abstimmung allerdings mehrheitlich vertagt wurden. So fordert Grünen-Wirtschaftssprecherin
Ruperta Lichtenecker in ihrer Initiative (1348/A(E)) etwa die Einrichtung von One-Stop-Shops für Unternehmensgründungen
und Betriebsanlagengenehmigungen sowie eine umfassende Verwaltungsreform. Die Gewerbeordnung sollte ihrer Meinung
modernisiert werden und nur noch das unbedingt notwendige Minimum an Regulierung enthalten. In diese Richtung geht
auch ein Vorstoß (613/A(E)) der NEOS, in dem Josef Schellhorn ebenfalls die Einrichtung von One-Stop-Shops
vor Ort in allen Landeshauptstädten vorschlägt, und zwar für sämtliche Fragen zu Genehmigungen,
Gewerbeberechtigungen, Förderungen, Steuernummer und Firmenbucheintragung. In Sachen Bürokratieabbau
wiederum (1319/A(E)) setzt der NEOS-Wirtschaftssprecher insbesondere bei Statistik- und Berichtspflichten sowie
bei den behördlichen Überprüfungen an und fordert entsprechende Entlastungen.
In der gemeinsamen Debatte über die drei Anträge forderte Matthias Köchl (G) einen Fahrplan für
konkrete Maßnahmen auf dem Weg zu einem "Gründerland Österreich" und Nikolaus Alm (N)
die Befreiung der Betriebe von administrativen Belastungen und einen Bürokratieabbau. Bernhard Themessl unterstützte
diese Anliegen und wies auf gleichlautende Anträge seiner Fraktion hin. Ihre erfolgreichen Vertagungsanträge
begründeten Christoph Matznetter (S) und Brigitte Jank (V) mit dem für 2016 geplanten Reformdialog. Christiane
Brunner (G) warnte davor, die behördliche Kontrolle bei der Einhaltung von Umweltschutzvorschriften einzuschränken.
Grüne und NEOS drängen auf Reformen bei den Wirtschaftskammern
Vom Unbehagen der Opposition über das derzeitige System der Wirtschaftskammern sind Initiativen der Grünen
und der NEOS getragen, die vom Ausschuss ebenfalls vertagt wurden. Matthias Köchl (G) verlangt in einem Entschließungsantrag
(1149/A(E)) eine schrittweise Reduktion der Kammerumlage II mit dem Ziel ihrer gänzlichen Abschaffung in fünf
Jahren und verspricht sich davon vor allem eine finanzielle Entlastung für die Unternehmen. Seitens der NEOS
ortet Josef Schellhorn demokratische Defizite beim Wirtschaftskammerwahlrecht und erhebt die Forderung (1022/A(E))
auf Direktwahl der Wirtschaftsparlamente und Zuteilung der Mandate nach dem Verhältnissystem. Ein Austrittsrecht
für Ein-Personen-Unternehmen aus der Wirtschaftskammer bis 2019 und in weiterer Folge eine Opt-Out-Möglichkeit
für alle Betriebe wiederum sind die zentralen Punkte eines Vorstoßes (756/A(E)) von NEOS-Mandatar Nikolaus
Alm.
Gegen die Abschaffung der Kammerumlage II – schrittweise, wie es Matthias Köchl (G) vorschlug oder möglichst
rasch, wie Nikolaus Alm forderte – argumentierte Christoph Matznetter (S), indem er sagte, dieser Kammerbeitrag
sei für die Finanzierung der Außenhandelsorganisation der Wirtschaftskammer wichtig. Gegen eine Opt-Out-Möglichkeit
für Einzelpersonen-Unternehmen wiederum spreche die Gefahr, dass diese Unternehmen letztlich ohne Interessenvertretung
dastünden. Für die Reform des Kammerwahlrechts schlugen Christoph Matznetter und Franz Kirchgatterer
(beide S) eine umfassende Diskussion vor und beantragten gemeinsam mit Angelika Winzig (V) die Vertagung der Anträge,
die mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit erfolgte.
FPÖ will Aus für Russland-Sanktionen
Vertagt wurde schließlich auch ein Antrag (1277/A(E)) der FPÖ, in dem Axel Kassegger die Regierung auffordert,
sich auf EU-Ebene für die Aufhebung der Russland-Sanktionen einzusetzen. Der Handelskonflikt zwischen der
EU und Russland habe zu dramatischen Exporteinbußen mit negativen Auswirkungen auf Beschäftigung und
Schuldenstand geführt, argumentierte der FPÖ-Abgeordnete und stützte sich dabei auch auf eine entsprechende
Studie des WIFO.
Dieser Antrag stieß auf Sympathie bei den Abgeordneten Christoph Matznetter und Cornelia Ecker (beide S)
sowie bei Leopold Steinbichler (T) - die Vertagung erfolgte im Hinblick darauf, dass der Antrag zum außenpolitischen
Ausschuss ressortiere, wie Matzneter ausführte.
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