Dringliche Anfrage an Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek
Wien (pk) - In einer von den Grünen initiierten Sondersitzung des Nationalrats musste am 06.10. Unterrichtsministerin
Gabriele Heinisch-Hosek insgesamt 50 kritische Fragen zur Bildungsreform beantworten. Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek
(G) zeigte sich sehr besorgt darüber, dass es nicht zu dem angekündigten großen Wurf kommt, da
wieder einmal politischer Hick-Hack und bürokratische Ausreden im Vordergrund stünden. Österreich
habe im internationalen Vergleich schon jetzt Nachholbedarf, gab sie zu bedenken, und jede weitere Verzögerung
würde nur dazu führen, dass die Zukunftschancen tausender Kinder und Jugendlicher verspielt werden. Bundesministerin
Gabriele Heinisch-Hosek räumte ein, dass es Verbesserungsbedarf gibt, kündigte aber an, dass am 17. November
eine Bildungsreform aus einem Guss präsentiert werde.
In der anschließenden Diskussion gab es wenig neue Argumente. So beharrte Abgeordnete Brigitte Jank namens
der ÖVP auf die Beibehaltung des Gymnasiums. "Darauf verzichten wir nicht", richtete sie den BefürworterInnen
einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen aus. Auch die FPÖ stellte sich ausdrücklich hinter
das Gymnasium. Mehrfach gefordert wurden darüber hinaus mehr Schulautonomie und eine Entpolitisierung der
Schulen. Die im Laufe der Debatte von den Oppositionsparteien eingebrachten Entschließungsanträge fanden
keine Mehrheit.
Grüne sehen die Zukunftsperspektiven der Kinder gefährdet
Da sich das Bekenntnis der politisch Verantwortlichen in den letzten Jahren, die beste Bildung für unsere
Kinder verwirklichen zu wollen, sich als ein nicht einmal ansatzweise eingelöstes Versprechen entpuppt habe,
haben die Grünen eine Dringliche Anfrage unter dem Motto "Bildungsreform 2015 - großer Wurf oder
nächster Flop?" eingebracht, erläuterte Eva Glawischnig-Piesczek (G). Sie befürchtete, dass
die angekündigte Reform wieder zu einem Reförmchen verkommt, da aus den Verhandlungen der Expertengruppe
durchgesickert sei, dass es etwa zu keiner Vereinheitlichung und Zusammenführung der Schulverwaltung kommen
wird. Auch könnten die Ergebnisse der Wiener Landtagswahl in der nächsten Woche dazu führen, dass
es zu einem weiteren Stillstand kommt und wieder Monate und Jahre vergeudet werden.
Schon jetzt "verliere" man jährlich bis zu 8.000 Kinder, die nicht sinnerfassend lesen können
und Probleme beim Rechnen und Schreiben haben, gab die G-Mandatarin zu bedenken. Hauptgrund dafür sei ein
Bildungssystem, das von einem politischen Hick-Hack zwischen Bund und Ländern bzw. zwischen Rot und Schwarz
geprägt sei und das in Kauf nehme, dass viele junge Menschen auf der Strecke bleiben. Erst vor kurzem wurde
etwa die Einführung eines zweiten verpflichtenden Gratis-Kindergartenjahres "beerdigt", obwohl sich
95 % der Eltern diese Entlastung sehr dringend gewünscht hätten. Unerträglich sei auch die Tatsache,
dass jene Kinder, deren Eltern einen niedrigeren Bildungsstand haben, viel schlechtere Zukunftschancen haben. Dies
alles habe fatale Konsequenzen, weil damit den Jugendlichen der Zugang zum Arbeitsmarkt und generell an der gesellschaftlichen
Teilhabe verwehrt werde.
Ihre Fraktion habe ein umfassendes Bildungskonzept vorgelegt, in dem u.a. ein besserer Übergang von der Volksschule
in die Mittelschule gefordert wird, erinnerte Eva Glawischnig-Piesczek (G). Es sei nicht einzusehen, warum einem
Kind aufgrund einer Teilschwäche die Tür zum Gymnasium versperrt bleibe. Prinzipiell sollten nicht die
Schwächen im Mittelpunkt stehen, sondern die Stärken individuell gefördert werden. Gleichzeitig
müssen auch die LehrerInnen unterstützt werden, verlangte die Rednerin, zwei PädagogInnen pro Klasse
seien notwendig. Auch die Schulen selbst bräuchten mehr Autonomie, weil man vor Ort am besten wisse, was gebraucht
wird. Dabei gehe es nicht nur um die Wahl der Unterrichtsmethoden und der Lernschwerpunkte, sondern auch um Leistungsbeurteilungen,
Team-Teaching, Förderstunden, freiwillige Übungen, Gesundheitsförderung, tägliche Bewegungseinheiten
etc.
Was die Arbeit der Reformkommission betrifft, so sei es sehr bedauerlich, dass die von den Auswirkungen am meisten
Betroffenen, nämlich die Jugendlichen, in die Beratungen nicht eingebunden wurden. Dass es auch anders gehe
zeige das Beispiel Finnland, wo 60.000 SchülerInnen bei einem großen Reformprojekt mitarbeiten konnten,
zeigte Glawischnig-Piesczek auf. Auch ihr Fraktionskollege Harald Walser bemängelte, dass die Schulreform
als Geheimprojekt durchgeführt werde; dies könne nicht funktionieren. In Vorarlberg hingegen haben man
alle Eltern und Lehrer befragt, ob es in Richtung gemeinsame Schule gehen soll; 78% haben Ja dazu gesagt. Diesen
Mut sollte man auch in Wien aufbringen, forderte Walser.
Die Empfindlichkeiten von Landespolitikern oder schwierige Kompetenzverteilungen dürfen kein Argumente mehr
dafür sein, dass wesentliche Reformvorhaben nicht umgesetzt werden, betonten die Grünen. Parteibuch und
Proporz müssten endlich raus aus den Schulen. Bildung ist nicht nur der Schlüssel für die persönliche
Entwicklung eines jeden Menschen, sondern auch Basis für ein gutes Zusammenleben in der Gesellschaft, unterstrich
Glawischnig-Piesczek abschließend.
Heinisch-Hosek: Bildungsreform ist auf gutem Weg
Die Bildungsministerin Gabriele Heinisch versicherte eingangs, dass ihr Ressort intensiv daran arbeite, bis 17.
November eine "Bildungsreform aus einem Guss" vorzulegen, die alles - von der Frühpädagogik
bis zur Erwachsenenbildung – abdecken wird. Sie habe in den letzten drei Wochen zahlreiche Einrichtungen besucht
und feststellen können, mit welch hohem Engagement die PädagogInnen tätig sind und wie gut sehr
viele Bereiche funktionieren. Dennoch sei klar, dass Verbesserungen notwendig sind, räumte die Ministerin
ein, "uns ist der Handlungsbedarf mehr als bewusst". Ein System, das u.a. aus 2.100 Gemeinden, die als
Schulerhalter fungieren, sowie neun Bundesländern mit jeweils eigenen Durchführungsgesetzen besteht,
könne natürlich nicht von heute auf morgen geändert werden. Ziel sei es jedoch, die Schulverwaltung
unter einen Hut bringen, damit sie einfacher, kostengünstiger sowie transparenter wird und damit sie vor allem
den Kindern und Eltern weniger Stress verursacht.
Die Schule der Zukunft müsse zudem eine offene Bildungseinrichtung sein, die alle Kinder mitnimmt, und in
der es eine sinnvolle Abfolge von Unterricht und Freizeit gibt. Heinisch-Hosek hielt es zudem für überaus
wichtig, dass auch Kinder von Eltern, die Bildungsbenachteiligungen mit sich bringen, so früh wie möglich
aufgefangen werden. Auch wenn nun kein zweites Gratis-Kindergartenjahr realisiert werden konnte, so gebe es zumindest
verpflichtende Beratungsgespräche. Außerdem werde gerade in 73 Kindergärten und 110 Volksschulen
erprobt, wie ein möglichst sanfter Übergang von einer Bildungseinrichtung in die andere ermöglicht
werden könne. Bereits eingeleitet wurde die PädagogInnenausbildung-Neu, die von den RektorInnen als Jahrhundertreform
bezeichnet wird, informierte die Ministerin, in einem weiteren Schritt sollen die Lehrpläne adaptiert werden.
Positiv stand Heinisch-Hosek auch der Einführung von Modellregionen gegenüber, da sie ein erster Schritt
in Richtung gemeinsame Schule mit verschränktem Unterricht sein könnten; Vorarlberg habe bis jetzt aber
noch kein konkretes Konzept vorgelegt. Zu Fragen der Finanzierung merkte die Ministerin an, dass u.a. die Empfehlungen
des Rechnungshofes sehr intensiv diskutiert werden; sie könne jedoch keinen Verhandlungsergebnissen vorgreifen.
Was die immer wieder ins Spiel gebrachte "Verländerung" der Schulverwaltung betrifft, so haben Berechnungen
ihres Hauses ergeben, dass dies zu ziemlichen hohen Mehrkosten führen würde. Klar sei jedenfalls für
sie, dass die Schulstandorte durch mehr Autonomie gestärkt werden sollen, und zwar auch im Rahmen von Schulverbünden.
Reduzieren werde man auch die Zahl an Schulversuchen, weil nur mehr ganz neue Sachen erprobt werden sollen. Haben
sich Konzepte bewährt, dann sollen sie ins Regelwesen übernommen werden, betonte die Ministerin. Ein
ganz wichtiger Aspekt sei die Qualitätssicherung, damit die Schulen regelmäßig Feedback darüber
bekommen, ob sie auf dem richtigen Weg sind. All diese Themen wurden und werden in ihrem Ressort ausführlich
erörtert, konkrete Ergebnisse werden am 17. November der Öffentlichkeit präsentiert, kündigte
Heinisch-Hosek an.
Grossmann: Österreichisches Bildungssystem ist besser als sein Ruf
Seitens der SPÖ verwahrte sich Abgeordnete Elisabeth Grossmann gegen undifferenzierte Kritik am österreichischen
Bildungssystem. Dieses sei wesentlich besser als sein Ruf, bekräftigte sie. Es stimme nicht, dass aus den
österreichischen Schulen nur AnalphabetInnen hervorgingen, wie manche zu suggerieren versuchten, vielmehr
würden von LehrerInnen und SchülerInnen hervorragende Leistungen erbracht. Das zeigen ihr zufolge nicht
zuletzt erfolgreiche Berufsolympiaden und andere internationale Wettbewerbe.
Grossmann machte überdies geltend, dass in der Vergangenheit bereits etliche Reformschritte gesetzt wurden,
und hob in diesem Zusammenhang etwa die Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen und das damit verbundene
bessere Lehrer-Schüler-Verhältnis hervor. Dass es weiteren Reformbedarf gebe, sei nicht zu verheimlichen,
sagte Grossmann, die Bildungsministerin gehe anstehende Reformvorhaben aber "beherzt" an.
Immer wieder spielte auch der Wiener Wahlkampf in die Debatte hinein. So nannte Grossmann Wien ein Bildungsvorzeigeland
mit einem breiten Kindergarten- und Schulangebot, Gratisnachhilfe für SchülerInnen und einer hervorragenden
berufsbildenden Schulausbildung.
Jank: ÖVP verzichtet nicht auf Gymnasium
Dezidiert für die Beibehaltung eines differenzierten Schulsystems in Österreich machte sich ÖVP-Abgeordnete
Brigitte Jank stark. "Wir verzichten nicht auf das Gymnasium", bekräftigte sie und wertete es in
diesem Sinn als unverantwortlich, in den neuen Wiener Stadtentwicklungsgebieten keine neuen Gymnasien zu errichten.
Auch die Jugend in Floridsdorf, in Aspern und in anderen Wiener Stadtteilen habe ein Recht auf einen Gymnasium-Besuch.
Was die Kritik der Grünen betrifft, äußerte sich Jank zuversichtlich, dass die eingesetzte Bildungsreformkommission
am 17. November Ergebnisse präsentieren wird. In der Kommission seien alle wesentlichen Themen angeschnitten
worden, auch würden alle "Stakeholder" eingebunden, versicherte sie. Jank selbst sieht die Ausweitung
der Schulautonomie als zentralen Reformpunkt, sie will den Schulen bei der Personalwahl und bei der Personalentwicklung
mehr Freiheiten geben. Gleichzeitig müssten die Leistungen der Schule transparent gemacht werden, das würde
ihrer Ansicht nach den Wettbewerb beflügeln.
Wesentliche Themen sind für Jank auch die Elementarpädagogik und der Übergang vom Kindergarten in
die Volksschule. Es sei wichtig, Sprachdefizite vorzeitig zu erkennen und zu beheben. Schließlich hätten
sechs von zehn Volksschulkindern in Wien Deutsch nicht als Muttersprache.
Rosenkranz: In der Schule muss man auch etwas lernen
Einen Appell, endlich konkrete Schritte zu setzen, richtete FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz an die Regierungsparteien.
Es sei im Parlament schon genug über Bildung geredet worden, es habe sich aber nichts getan, kritisierte er.
Seiner Meinung nach wird viel zu viel Augenmerk darauf gelegt, dass sich Schülerinnen und Schüler in
der Schule wohlfühlen, man müsse sich in der Schule aber nicht nur wohlfühlen, sondern auch etwas
lernen.
Rosenkranz will die Eltern überdies nicht aus ihrer Verantwortung in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder
entlassen. Der Staat habe selbstverständlich die Aufgabe, Kindern aus bildungsfernen Familien beiseite zu
stehen um ihre Chancen zu erhöhen, meinte er, man dürfe die Verantwortung aber nicht umdrehen. Den Grünen
gehe es vorrangig darum, Kinder nach dem Vorbild der DDR von früh bis spät in die Schule zu stecken,
um sie "umzuerziehen", vermutet er.
Ausdrücklich wandte sich Rosenkranz auch dagegen, die Gymnasien auszuhungern. Es müssten ausreichend
Plätze in der AHS-Unterstufe für alle berechtigten SchülerInnen zur Verfügung stehen, fordert
er in einem entsprechenden Entschließungsantrag. Ein zweiter von ihm namens der FPÖ eingebrachter Antrag
zielt auf eigene "Sprachklassen" für SchülerInnen ohne ausreichende Kenntnis der Unterrichtssprache
ab.
Strolz: Ideologische Kämpfe müssen aufgegeben werden
Auf einen "dritten Weg" in der Bildungspolitik setzt NEOS-Chef Matthias Strolz. Es sei dringend notwendig,
den mittlerweile 100-jährigen ideologischen Kampf um das Gymnasium bzw. die gemeinsame Schule aufzugeben,
ist er überzeugt. Die NEOS können sich etwa eine gemeinsame Schule in der Modellregion Vorarlberg vorstellen,
es brauche aber eine gemeinsame Schule der Vielfalt und nicht einen Aufguss einer schablonenhaften Gesamtschule,
mahnte Strolz. Für ihn macht es überdies wenig Sinn, mit der "Abrissbirne" an die AHS heranzurücken.
Als wesentlich wertet es Strolz auch, sich vom seiner Meinung nach "derzeit wichtigsten Buch in der Schule"
zu verabschieden, dem Parteibuch. Die NEOS fordern die Regierung in diesem Sinn auf, bis zum März kommenden
Jahres eine konkrete Strategie vorzulegen, um die parteipolitische Einflussnahme im Bildungsbereich zurückzudrängen.
Überdies drängt er darauf, sowohl die Oppositionsfraktionen als auch engagierte Bildungsinitiativen in
die Arbeit der Bildungsreformkommission einzubinden.
Ein kleines Scharmützel lieferte sich Strolz mit FPÖ-Abgeordnetem Rosenkranz, der kritisiert hatte, dass
NEOS-Mandatarin Beate Meinl-Reisinger nach wie vor im Plenum sitzt, obwohl sie bei der letzten Nationalratssitzung
ihre Abschiedsrede gehalten hat. Meinl-Reisinger werde ihr Nationalratsmandat mit 9. Oktober zurücklegen und
setze damit einen mutigen, unüblichen Schritt, während FPÖ-Chef Heinz Christian Strache die Bevölkerung
"mit seiner Nummer als Wiener Duellant" nun schon zum dritten Mal verschaukle, hielt Strolz fest. Strache
werde nach den Wiener Wahlen wieder im Nationalrat und nicht im Wiener Landtag sitzen, prophezeite er.
Lugar: "Politik raus aus der Schule"
Team-Stronach-Abgeordneter Robert Lugar gab zu bedenken, dass es derzeit von Glück abhänge, ob man einen
engagierten Lehrer oder eine engagierte Lehrerin habe. Die SchuldirektorInnen seien machtlos und hätten keine
Möglichkeit, ungeeignete LehrerInnen zu ersetzen, klagte er. Der Unterrichtsministerin warf Lugar vor, das
Machtsystem Schule nicht aus der Hand geben zu wollen. Seiner Meinung nach würden einige wenige Vorgaben an
die Schulen ausreichen. Wesentlich sei, dass die SchülerInnen nach Ende der Schulpflicht ordentlich lesen
und schreiben könnten, dass besondere Talente gefördert würden und dass niemand zurückgelassen
werde. Das solle man zweimal im Jahr überprüfen, den Rest jedoch dem Direktor und der Schule überlassen,
schlägt Lugar vor. Er hält es überdies für notwendig, Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache
so lange in eigenen Klassen zu unterrichten, bis sie dem Unterricht folgen können, das sage einem der Hausverstand.
"Politik raus aus der Schule!", lautete der abschließende Appell des Abgeordneten.
SPÖ für gemeinsame Schule und mehr Schulautonomie
Im weiteren Verlauf der Sitzung bekräftigten die Fraktionen einmal mehr ihre Standpunkte, wobei seitens
der SPÖ Andrea Kuntzl ihr Bekenntnis zu einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen untermauerte.
Kinder müssten individuell nach ihren Bedürfnissen gefördert werden, die Schule dürfe kein
Kind zurücklassen. Ihre Fraktionskollegin Andrea Lueger unterstrich den Stellenwert des Kindergartens als
erste Bildungseinrichtung und maß dabei der Sprachförderung große Bedeutung zu. Den Blick auf
die Schulautonomie lenkte Elmar Mayer (S), dem es vor allem darum ging, den Schulstandort aufzuwerten und dem
Prinzip "Wer zahlt soll anschaffen" zum Durchbruch zu verhelfen.
ÖVP hält am differenzierten Schulsystem fest
In der Bildungsdebatte müssen die verhärteten Fronten überwunden werden, stand für ÖVP-Abgeordnetem
Karlheinz Töchterle fest. Er begrüßte in diesem Sinn die Modellregionen zur Erprobung neuer Schulformen,
plädierte aber ebenso wie ÖVP-Jugendsprecher Asdin El Habbassi für die Beibehaltung des Gymnasiums.
Nur ein differenziertes Schulsystem könne den Kindern mit ihren unterschiedlichen Talenten und Neigungen gerecht
werden, pflichtete ihnen Wolfgang Gerstl (V) bei. Was wiederum die ganztätigen Schulformen betrifft, sprachen
sich sowohl El Habbassi als auch Martina Diesner Wais (V) für Wahlfreiheit der Eltern aus.
Freiheitliche Absage an "sozialistische Bildungsutopien"
Scharfe Worte fand FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch-Jenewein im Zusammenhang mit ganztägigen gemeinsamen
Schulen, wobei sie von Zwangsverpflichtung sprach. Über Dauer und Anwesenheit in der Schule müsse es
Wahlfreiheit geben, bekräftigte auch Barbara Rosenkranz (F). Wendelin Mölzer sprach sich im Gleichklang
mit seinen beiden Fraktionskolleginnen gegen eine Zerschlagung des derzeitigen seiner Einschätzung nach guten
Schulsystems aus und lehnte dabei die gemeinsame Schule als "sozialistische Bildungsutopie" ab.
Grüne gegen "Aussortieren" von Kindern
"Mehr Individualität, mehr Projektunterricht, mehr Wahlmöglichkeiten" lauteten die Anforderungen
des Grün-Abgeordneten Julian Schmid an die Bildungsreform. Das differenzierte Schulsystem passe nicht mehr
in die heutige Zeit, gelte es doch, jedes Kind dort abzuholen, wo es sich befindet. Nur eine gemeinsame Schule
könne allen Kindern gleiche Chancen geben, zeigte sich auch Siegrid Maurer (G) überzeugt, die jeglicher
"Aussortierung" eine klare Absage erteilte. Helene Jarmer (G) plädierte für Inklusion von behinderten
Kindern und wünschte eine Schule, in der es möglich ist, "gemeinsam unterschiedlich zu sein".
NEOS wollen mehr Qualität in der Elementarpädagogik
Beate Meinl-Reisinger von den NEOS setzte bei der Elementarpädagogik an und verlangte in einem Entschließungsantrag
einheitliche Qualitätskriterien für diesen Bereich, wobei sie ein entsprechendes Forderungspapier der
Sozialpartner und der Industriellenvereinigung aufgriff. Ihr Fraktionskollege Gerald Loacker wiederum machte auf
die Überlastung vieler LehrerInnen aufmerksam und forderte ein flexibleres Lehrerdienstrecht sowie ein Abgehen
vom starren Gehaltsschema.
Team Stronach für Entpolitisierung
Ein schlechtes Zeugnis stellte Team Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich dem Schulsystem aus. Österreich
gebe am meisten Geld für Bildung aus, falle im internationalen Vergleich aber Jahr für Jahr zurück.
Wenn heute jedes 10. Kind in eine Privatschule geht, dann sei dies nichts anderes als ein Hilfeschrei der Eltern
angesichts des Versagens der staatlichen Schulen, befand sie. Gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Leopold Steinbichler
forderte sie mit Nachdruck eine Entpolitisierung der Schule und eine Bildungsreform unter Einbindung aller Betroffenen.
Steinbichler drängte überdies in einem Entschließungsantrag auf Vollautonomie für alle Schulen.
Kritik am derzeitigen Schulsystem kam auch von zwei Abgeordneten ohne Fraktion. So sprach sich Rupert Doppler gegen
Parteipolitik im Schulwesen aus und beklagte überdies den Sparkurs an den Schulen. Gerhard Schmid wiederum
wandte sich gegen eine Demontage des Gymnasiums und warb für die Beibehaltung des derzeitigen differenzierten
Schulsystems. - Im Anschluss daran fand noch eine weitere Nationalratssitzung statt, die geschäftsordnungsmäßigen
Mitteilungen und Zuweisungen diente.
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