Graz (universität) - Selbstfahrende Autos könnten nach Meinung von ExpertInnen in absehbarer Zukunft
auf unseren Straßen unterwegs sein. Ein innovativer Fahrzeugassistent, der bei Kollisionsgefahr das Steuer
übernimmt, wird gerade in Graz erforscht. Assoz. Prof. Dr. Manfred Hartbauer vom Institut für Zoologie
der Karl-Franzens-Universität hat sich die Basis dafür in der Natur abgeschaut: Wanderheuschrecken können
in brenzligen Verkehrssituationen etwa zehnmal schneller reagieren als Menschen. In Zusammenarbeit mit einem interdisziplinärenTeam
von Joanneum Research Weiz, TU Graz und Carinthian Tech Research erforscht Hartbauer einen kostengünstigen
Kollisionsdetektor, der mit künstlichen Heuschrecken-Augen ausgestattet ist und drohende Zusammenstöße
bei Tag und Nacht rechtzeitig erkennen kann.
Tierisches Vorbild
Die Wanderheuschrecke bewegt sich in Schwärmen von bis zu 1,5 Millionen Individuen wie ein einziger Organismus,
der rasch auf Fressfeinde reagieren kann. „Wenn ein Vogel mit hoher Geschwindigkeit in einen solchen Schwarm fliegt,
teilt sich die Einheit, und der Jäger stößt ins Leere“, erklärt Hartbauer. Diese rasche Koordination
wird durch spezielle visuelle Kollisionsdetektoren ermöglicht. Die Heuschrecken besitzen für jedes der
beiden Komplexaugen ein eigenes Neuron, das auf drohende Zusammenstöße mit zunehmender Erregung reagiert
und unmittelbar das Flugverhalten beeinflusst.
Zusammen mit Studierenden spielte der Zoologe den Insekten in Labor-Untersuchungen kurze Verkehrsvideos mit schlimmen
Kollisionen aus der LenkerInnen-Perspektive vor und zeichnete gleichzeitig die Reaktionen der „Kollisionsneurone“
auf. Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass auf Basis dieser Studie ein Computermodell entwickelt wurde,
das drohende Zusammenstöße in Bildsequenzen mit geringer optischer Auflösung erkennt und wie das
Insektengehirn die Bremskraft sowie eine mögliche Ausweichrichtung berechnet.
Technische Umsetzung
„Diese Methode der Kollisionsdetektion wird derzeit auf Patentierfähigkeit geprüft und soll in einem
interdisziplinären Projekt auf die Technik übertragen werden“, schildert Hartbauer. Ziel ist die Entwicklung
eines innovativen Sensorkonzepts, das auf einer patentierten Nanotechnologie von Joanneum Research beruht und drohende
Zusammenstöße bei Tag und Nacht anzeigt. „Wenn dies gelingt, steht in Zukunft ein preiswertes Sensorsystem
für autonome Fahrzeuge und Fahrzeugassistenten zur Verfügung, das die Zahl der Verkehrsunfälle drastisch
reduzieren könnte“, führt der Zoologe aus. In einem weiteren Vorhaben gemeinsam mit dem Institut für
Fahrzeugsicherheit der TU Graz plant Hartbauer die Entwicklung eines Fahrzeugassistenten nach Heuschreckenvorbild.
Dieser soll in Gefahrensituationen kurzfristig das Steuer übernehmen bzw. eine Bremsung einleiten. Das Projekt
wird in Kürze beim österreichischen Wissenschaftsfonds FWF eingereicht und ist Teil des Forschungsschwerpunkts
„Gehirn und Verhalten“ der Karl-Franzens-Universität Graz.
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