Hamburg (idw) - Zwei Arten von Licht haben die Forschungslandschaft verändert: Im sichtbaren Wellenlängenspektrum
ermöglichen moderne optische Laser Untersuchungen von ultraschnellen Prozessen, neuen Materialien oder zur
Telekommunikation. Und von Synchrotronen erzeugte Röntgenstrahlung erlaubt Einblicke in winzige Strukturen
und andere verborgene Teile des Nanokosmos. Es entstanden große internationale Laser- und Beschleunigerzentren,
die mit verbesserten Röntgenlicht-Eigenschaften die Forschungsmöglichkeiten erweiterten. Die EU fördert
nun das 7-Millionen-Euro-Projekt European Cluster of Advanced Laser Light Sources (EUCALL), das die beiden Arten
von Forschungszentren näher zusammenbringen wird.
Das Projekt wird von European XFEL koordiniert, einem im Bau befindlichen Freie-Elektronen-Röntgenlaser in
der Metropolregion Hamburg, der 2017 den Betrieb aufnehmen wird.
Tausende von Wissenschaftlern aus Forschungsgebieten wie Biomedizin, Biologie, Physik, Materialwissenschaften und
vielen anderen kommen aus der ganzen Welt zu diesen Zentren, die auch als Forschungsinfrastrukturen bezeichnet
werden. Sie nutzen dort die einzigartige Röntgenstrahlung und die hochmoderne Ausrüstung, die in einem
Forschungslabor sonst nicht verfügbar sind. Die auf Teilchenbeschleunigern basierenden Synchrotrone beispielsweise
liefern ultrahelle Röntgenstrahlen, und die neueren Freie-Elektronen-Röntgenlaser erweitern die Grenzen
der beschleunigerbasierten Technologien mit ultrakurzen Pulsen laserartigen Röntgenlichts von beispielloser
Leuchtstärke. Seit einigen Jahren werden intensive Röntgenstrahlen auch mit Hilfe von speziellen optischen
Lasern erzeugt und entsprechende Forschungsinfrastrukturen errichtet. Ziel von EUCALL ist es, die Betreiber von
beschleuniger- und laserbetriebenen Röntgenquellen dabei zu unterstützen, den Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern aus aller Welt ein noch besseres Forschungsumfeld zu bieten.
Im Rahmen des EUCALL-Projekts arbeiten beschleuniger- und laserbetriebene Röntgen-Forschungsinfrastrukturen
in Europa erstmals auf technischer, wissenschaftlicher und strategischer Ebene umfassend zusammen. Eines der Hauptziele
des Projekts ist es, durch neue Synergien zwischen den Forschungsinfrastrukturen wesentliche wissenschaftliche
und technologische Fortschritte zu erzielen. Innerhalb von EUCALL können sie gemeinsame Methoden und Forschungsmöglichkeiten
erarbeiten, die zu neuen Anwendungen und Innovationen auch im privaten Sektor führen können, und eine
Basis schaffen, die die Zusammenarbeit auch in der Zukunft sichert. Das Projekt wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
aus der ganzen Welt einen besseren Zugang zu den begehrten Röntgenanlagen gewähren.
Dazu werden die EUCALL-Partner auf strategischem und technologischem Gebiet kooperieren und Lösungen erarbeiten,
die an allen Anlagen eingesetzt werden können. So wird es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht,
die begrenzte Experimentierzeit effektiver zu nutzen.
Drei große internationale Forschungsinfrastrukturen spielen bei EUCALL eine Schlüsselrolle: Der European
XFEL, der ultrahelle Röntgenlaserblitze für die Untersuchung von nanometerkleinen Partikeln, ultraschnellen
Prozessen und extremen Zuständen der Materie erzeugen wird; die Extreme Light Infrastructure (ELI), bestehend
aus drei innovativen optischen Hochleistungslaser-Laboratorien in der Tschechischen Republik, Ungarn und Rumänien,
die 2018 in Betrieb gehen wird; und die European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, Frankreich,
eines der bedeutendsten Röntgenforschungszentren der Welt.
Fünf weitere Institute sind außerdem am Projekt beteiligt: Das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY
in Hamburg mit den Röntgenquellen FLASH und PETRA III; Elettra, das in Triest, Italien, den zweistufigen Freie-Elektronen-Laser
FERMI als Nutzereinrichtung betreibt; das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, das optische Hochleistungslaser-Anlagen
und einen Freie-Elektronen-Laser betreibt; die Universität Lund, die in Schweden das Synchrotron MAX-IV baut;
und das Paul-Scherrer-Institut, das in Villigen, Schweiz, den Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL baut.
Die beteiligten Forschungsinfrastrukturen verfügen über sehr umfangreiche Erfahrungen, die an einer Vielzahl
von laser- und beschleunigerbasierten Röntgenlabors gesammelt wurden. EUCALL umfasst deshalb auch die bestehenden
EU-Kooperationen dieser Einrichtungen, LASERLAB-Europe und FELs of Europe, sowie drei Partner, die eng mit ELI
zusammenarbeiten. „EUCALL ermöglicht es laser- und beschleunigerbasierten Röntgenforschungseinrichtungen
in Europa, gemeinsame Strategien und neue Technologien zu entwickeln, um den wissenschaftlichen Nutzern noch mehr
Forschungsmöglichkeiten zu eröffnen“, erklärt Thomas Tschentscher, wissenschaftlicher Direktor bei
European XFEL und EUCALL-Projektkoordinator. „Das Projekt wird so dazu beitragen, die führende Rolle der europäischen
Forschung in vielen wichtigen Bereichen zu sichern.“
„Passend zum Internationalen Jahr des Lichts ist EUCALL der erste ernsthafte Versuch, Forscher aus zwei unterschiedlichen
Disziplinen zusammenzubringen, die beide mit Röntgenlicht forschen, allerdings mit unterschiedlichem wissenschaftlichen
und technischen Hintergrund“, betont ELI-Generaldirektor Prof. Wolfgang Sandner. „ELI begrüßt die Erweiterung
der Forschungsmöglichkeiten und das Innovationspotenzial, die sich für unsere europäischen und internationalen
Nutzer aus dieser Zusammenarbeit ergeben.“
Die Fördermittel der EU werden von den einzelnen Forschungsinfrastrukturen verwendet, um einen Teil der Entwicklungskosten
für neue Technologien zu finanzieren, Effizienzstudien durchzuführen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
speziell für EUCALL-Aufgaben einzustellen. Zu diesen Aufgaben gehören vier Forschungsinitiativen zur
Entwicklung von gemeinsam nutzbarer Hard- und Software. Ein Forschungsziel ist die Entwicklung einer Simulationsplattform,
mit der die Nutzer ihre Experimente genauer modellieren können, bevor sie zur Durchführung der Versuche
an eine Anlage kommen. Damit sollen Nutzeranträge und Experimente besser fokussiert werden, so dass die Wissenschaftler
die begrenzte Experimentierzeit optimal nutzen können. Ein weiteres Forschungsziel ist die Entwicklung eines
anpassbaren Software- und Firmware-Pakets zur Verarbeitung des hohen Datenstroms, der bei den hohen oder ultrahohen
Wiederholraten der Röntgen- und Laserblitze an diesen Anlagen entsteht.
Die beiden anderen Forschungsbereiche befassen sich mit der Entwicklung gemeinsamer wissenschaftlicher Hardware.
Ein Ziel ist es, ein effizientes Verfahren zu erarbeiten, mit dem Nutzer mittels Elektronen- und Lichtmikroskopie
vorab prüfen können, an welchen Stellen Proben am besten im Röntgenstrahl untersucht werden sollten.
Schließlich soll eine Reihe modernster Werkzeuge zur Röntgenstrahldiagnose entwickelt werden, mit denen
die Intensität des einfallenden Photonenstrahls und die Wellenfront der kohärenten Röntgenstrahlen
genau gemessen und der Ankunftszeitpunkt der Röntgenpulse an der Probe zur Durchführung ultraschneller
Experimente exakt bestimmt werden kann.
European XFEL wird am 29. und 30. Oktober in Hamburg ein EUCALL-Auftakttreffen veranstalten. Über die dreijährige
Laufzeit von EUCALL hinaus sieht das Projekt vor, eine langfristige Kooperation zwischen den beteiligten Forschungsinfrastrukturen
zu etablieren mit dem Ziel, die Forschungsmöglichkeiten weiterzuentwickeln und eine engeren Zusammenarbeit
zu fördern.
Das Projekt wird durch die Europäische Kommission im Rahmenprogramm für Forschung und Innovation HORIZON
2020 unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 654220 gefördert.
Über European XFEL
In der Metropolregion Hamburg entsteht mit dem European XFEL eine Großforschungs- anlage der Superlative:
27 000 Röntgenlaserblitze pro Sekunde und eine Leuchtstärke, die milliardenfach höher ist als die
besten Röntgenstrahlungsquellen herkömmlicher Art, werden völlig neue Forschungsmöglichkeiten
eröffnen. Forschergruppen aus aller Welt können an dem europäischen Röntgenlaser atomare Details
von Viren und Zellen entschlüsseln, dreidimensionale Aufnahmen im Nanokosmos machen, chemische Reaktionen
filmen und Vorgänge wie die im Inneren von Planeten untersuchen. Die European XFEL GmbH ist eine gemeinnützige
Forschungsorganisation, die eng mit dem Forschungszentrum DESY und weiteren internationalen Institutionen zusammenarbeitet.
Bei Beginn des Nutzerbetriebs im Jahr 2017 wird sie rund 280 Menschen beschäftigen. Mit Kosten von 1,22 Milliarden
Euro (Preisniveau 2005) für Bau und Inbetriebnahme und einer Länge von 3,4 Kilometer ist European XFEL
eines der größten und ambitioniertesten europäischen Forschungsprojekte. Derzeit beteiligen sich
zwölf Länder: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Polen, Russland, Schweden,
die Schweiz, die Slowakei, Spanien und Ungarn.
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