Diskussion im Parlament zur "Mediendemokratie"
Wien (pk) - Medien sind unverzichtbar in einer Demokratie. Sie informieren objektiv und tragen als unabhängige
Kontrollinstanz zur Meinungsbildung bei, so ihr ethischer Grundgedanke. Was aber, wenn die kritische Beobachtung
in politische Aktivität übergeht? Wo ist die Trennlinie zwischen reiner Berichterstattung und subjektivem
Kommentar zu ziehen? Wie kann die Politik mit der schnelllebigen Medienwelt Schritt halten? Und leben wir gar in
einer von Medien gesteuerten Demokratie? Diesen Fragen widmete sich auf Einladung von Nationalratspräsidentin
Doris Bures die Diskussionsveranstaltung "Vom Kommentieren zum Mitregieren - Gibt es eine neue Macht der Medien?"
am 05.10. Mit Politikwissenschafter Thomas Meyer debattierten dabei die Publizistin und ehemalige Kieler Oberbürgermeisterin
Susanne Gaschke, Andreas Koller von den Salzburger Nachrichten, der auch Präsident des Presseclub Concordia
ist, und Ulla Kramar-Schmid, die vor ihrer Tätigkeit beim ORF lange Jahre für das profil schrieb. Die
Moderation übernahm Falter-Chefredakteur Armin Thurnher.
Demokratische Abläufe mit Medienlogik in Einklang bringen
"Politik und Medien folgen nicht immer der gleichen Logik, nicht immer dem gleichen Takt. Aber sie sind als
Partner aufeinander angewiesen." Daher sei es wichtig, dass AkteurInnen beider Seiten ihre Arbeits- und Produktionsbedingungen,
Bedürfnisse und Spielregeln austauschen, umriss Nationalratspräsidentin Bures in ihrer Begrüßung
Ausgangslage und Zielsetzung der Diskussionsveranstaltung. Zu Beginn ihrer Karriere im Parlament in den 1990er-Jahren,
erinnerte die Präsidentin, war die Medienwelt weitaus langsamer. Oft dauerte es, bis Neuigkeiten öffentlich
wurden. Heute dagegen würden Nachrichten dank Digitalisierung fast im Sekundentakt geliefert, wodurch traditionelle
Geschäftsmodelle ökonomisch unter Druck gesetzt sind. "Die neue Medienwelt funktioniert nach Spielregeln,
die es für den Journalismus immer schwieriger machen, komplexe Prozesse zu beschreiben und Zusammenhänge
zu erklären". Nicht zuletzt JournalistInnen selbst würden das beklagen, so Bures.
Mit dieser Schnelligkeit habe wiederum die Politik mitunter Schwierigkeiten. "Politische Prozesse in Demokratien
brauchen von ihrer Natur her tendenziell Zeit, weil Viele mitzureden und mitzubestimmen haben", unterstrich
die Nationalratspräsidentin. Gewaltenteilung, Föderalismus, Rechtsstaat und Koalitionen von Parteien
mit unterschiedlichen Wertehaltungen bedingten ein angemessenes Abwägen, um bestmögliche Ergebnisse zu
erzielen. Zwar verlangten "dramatische Umstände" wie die aktuelle Flüchtlingsbewegung "schnellste
Entscheidungen und Lösungen", manchmal werde der Politik die benötigte Zeit aber einfach nicht gewährt.
Bures: "Der immer schnellere Takt der Medien verlangt permanent nach neuen Geschichten und Schlagzeilen".
Die Politik hingegen lebe ungeachtet ihres Bekenntnisses zu Offenheit und Transparenz von einer gewissen Verschwiegenheit,
denn "Vertraulichkeit schafft keine schnellen Schlagzeilen, ist aber die Grundlage erfolgreicher Verhandlungen".
Journalismus im Spannungsfeld zwischen Information und Meinungsbildung
Ähnlich, wenn auch schärfer, beschrieb Politologe Thomas Meyer seine Sicht auf das "spannungsreiche
Verhältnis" zwischen Politik und Medien. Er konstatiert eine Vereinnahmung der Politik durch die Medien,
wie er unter anderem in seinem Buch "Die Unbelangbaren" darlegt. Seiner Analyse nach würden Journalistinnen
und Journalisten die Politik nicht mehr nur kommentieren, sondern allzu oft selbst übernehmen wollen, obwohl
sie dafür nicht demokratisch legitimiert sind. Die öffentliche Meinungsbildung sei stark von den Redaktionen
gesteuert, und zwar ohne wechselseitige Kontrolle, meint er. Medien würden bei großen Themen wie Sozialleistungen
vielfach auf Standpunkte des Mainstreams zurückgreifen und die Politik auf ihre einzelnen VertreterInnen beziehungsweise
deren Konflikte reduzieren. Meyer leitet daraus ein echtes Demokratieproblem ab und regte als ersten Schritt zur
Lösung an, öffentlich kritische Diskussion von PolitikerInnen, MedienwissenschafterInnen und JournalistInnen
über den politischen Journalismus zu führen. So könne man die Problemlage der Mediendemokratie bewusst
machen.
Hinsichtlich der Bewusstseinsbildung gaben ihm die übrigen DiskutantInnen recht. Der stellvertretende Chefredakteur
Andreas Koller etwa schlug vor, Presseförderung und Inserate der öffentlichen Hand von der Einhaltung
des journalistischen Ehrenkodex durch ein Medium abhängig zu machen. Die Publizistinnen Susanne Gaschke und
Ulla Kramar-Schmid fügten an, besonders jungen JournalistInnen sei bei ihrer Arbeit zu vermitteln, wo die
Grenzen zwischen kritischer Berichterstattung und Populismus liegen. Meyers These von der "medialisierten
Politik", bei der PolitikerInnen oftmals herabgewürdigt würden, wollten Koller und Kramar-Schmid
jedoch nicht beipflichten. Die gebrandmarkte mediale Inszenierung einzelner PolitikerInnen gehe oftmals von diesen
selbst aus, heikle gesellschaftliche Diskurse anzustoßen, würde die Politik dagegen häufig scheuen.
Keinesfalls, betonte Kramar-Schmid, sei der Journalismus schuld an sämtlichen politischen Fehlentwicklungen.
Die Öffentlichkeit benötige aufgrund der modernen Nachrichtenüberflutung einfach eine journalistische
Einordnung politischer Vorhaben; die Ausrichtung dieser Bewertungen gestalte sich am österreichischen Medienmarkt
aber durchaus kontrovers. Zumindest für die deutschen Medien hielt indes Gaschke fest, "wenn wir nicht
die Pressefreiheit gefährden wollen, müssen wir pluralistischer werden".
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