ForscherInnen messen Elektronenorbitale von Molekülen in 3D
Graz (univesität) - Vielen sind sie vielleicht noch aus dem Schulunterricht bekannt: Oftmals als bunte
Wolken oder Ballons dargestellt, geben Elektronenorbitale Auskunft über den Aufenthaltsort der Elektronen
von Atomen und Molekülen. WissenschafterInnen der Karl-Franzens-Universität Graz, des Forschungszentrums
Jülich und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Berlin ist es nun gelungen, diese Gebilde in allen drei
Dimensionen experimentell zu erfassen. Für ihre Untersuchung nutzten sie die Weiterentwicklung einer Methode,
mit der sie die Orbitale vor zwei Jahren bereits zweidimensional sichtbar machen konnten. Ihre Ergebnisse haben
sie im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
In der Physik werden Elektronen nicht nur als Teilchen, sondern auch als Wellen behandelt. Diese Wellennatur lässt
sich über die räumliche Wellenfunktion, das Orbital, beschreiben. „Orbitale beinhalten Informationen
über die räumliche Verteilung der Elektronen bei einer bestimmten Energie. Sind sie bekannt, lassen sich
alle relevanten Eigenschaften eines Materials ableiten“, erklärt Assoz.-Prof. Dr. Peter Puschnig von der Karl-Franzens-Universität
Graz. Die Gesetze der Quantenmechanik bringen es mit sich, dass man nicht direkt beobachten kann, wie sich ein
Elektron als Welle ausbreitet. Doch vor rund zwei Jahren gelang es den Grazer und Jülicher ForscherInnen erstmals,
auch solche Orbitale zu erfassen, die sich über größere, komplexe Moleküle erstrecken. Für
ihre Messungen nutzten sie eine Form der sogenannten Photoelektronenspektroskopie, die auf dem Photoeffekt beruht:
Dabei wird eine Molekülschicht auf einer Silberoberfläche mit Photonen, also Lichtteilchen, beschossen,
woraufhin sich die energetisch angeregten Elektronen herauslösen. „Diese fliegen danach nicht willkürlich
durch den Raum, sondern lassen aufgrund der Winkel- und Energieverteilung Rückschlüsse auf die Molekülorbitale
zu“, so Puschnig.
Mit einer Weiterentwicklung der Methode ist es den WissenschafterInnen nun gelungen, die Sichtbarkeit der Orbitale
von der zwei- auf die dreidimensionale Ebene zu bringen. Dazu war es nötig, das Experiment mit verschiedenen
Energien, also verschiedenen Wellenlängen des Lichts, im ultravioletten Bereich durchzuführen. „Mit unterschiedlichen
Wellenlängen lassen sich zusätzliche räumliche Tiefeninformationen gewinnen, ähnlich wie mit
einer Kamera, die ein Motiv wiederholt mit variabler Brennweite aufnimmt“, erläutert Prof. Stefan Tautz vom
Forschungszentrum Jülich. Doch lange ließen sich die Daten, die aus unterschiedlichen Messreihen stammen,
nicht zu einem räumlichen Modell vereinen. Um vergleichbare Werte zu erhalten, installierten die Jülicher
ForscherInnen ihren Detektor an der Metrology Light Source der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in
Berlin. „Unsere Synchrotronstrahlungsquelle ist weltweit eine der wenigen, die einen genau kalibrierten Photonenfluss
bereitstellt“, erklärt Dr. Alexander Gottwald von der PTB. Anhand der Daten aus den kalibrierten Messungen
konnten die Grazer WissenschafterInnen im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „Modelle und Simulation“ anschließend
die Elektronenverteilung in 3D rekonstruieren.
Damit hat das Forschungsteam aus Jülich, Graz und Berlin die Wellenfunktion, die sich im quantenmechanischen
Sinne eigentlich gar nicht direkt beobachten lässt, dennoch sichtbar gemacht. Die Ergebnisse sind ein lang
gesuchter Beleg für die herrschenden Modellvorstellungen. Das Ergebnis ist darüber hinaus auch für
die Physik relevant: „Unser Experiment liefert eine interessante neue physikalische Erkenntnis über den zugrundeliegenden
Photoeffekt“, berichtet Stefan Tautz. Demnach lassen sich die Elektronen, die dabei herausgelöst werden, ganz
ähnlich wie freie Elektronen beschreiben – eine Vorstellung, die man vor fast 50 Jahren aufgrund der angenommenen
Streuung an den Atomkernen eigentlich schon verworfen hatte.
Publikation:
S. Weiß, D. Lüftner, T. Ules, E. M. Reinisch, H. Kaser, A.
Gottwald, M. Richter, S. Soubatch, G. Koller, M. G. Ramsey, F. S. Tautz, and P. Puschnig, „Exploring three-dimensional
orbital imaging with energy dependent photoemission tomography", Nature Communications (2015)
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