Kunstrückgabebeirat beschloss vier Empfehlungen

 

erstellt am
16. 10. 15
09:00 MEZ

Wien (bka) - Der Kunstrückgabebeirat beschloss in seiner Sitzung vom 15.10. vier Empfehlungen. In drei Fällen, die die Albertina (Alfred Menzel), das Österreichische Museum für Volkskunde (Siegfried Fuchs) und die Sammlung Alter Musikinstrumente des Kunsthistorischen Museums (Maria Gerngross) betreffen, empfahl der Beirat Rückgaben. Im vierten Fall, der ein Aquarell und eine Grafik von Egon Schiele in der Albertina betrifft, empfahl der Beirat, die Werke nicht an die Erben nach Fritz Grünbaum zu übereignen.

Der Wiener Rechtsanwalt Dr. Siegfried Fuchs verfügte über eine umfangreiche Sammlung von Büchern, Bildern, Stichen, Aquarellen, Dosen, Stöcken und Porzellanen. Er wurde als Jude von den Nationalsozialisten verfolgt. In seiner Vermögensanmeldung bewertete er diese Sammlung mit RM 10.500,-. Vor seiner Flucht im Jahr 1940 verkaufte er die Sammlung an verschiedene Institutionen, darunter auch an das Österreichische Museum für Volkskunde. Siegfried Fuchs gelang die Flucht nach Shanghai, wo er im Jahr 1946 verstarb. Der Kunstrückgabebeirat hat bereits in den Jahren 2005, 2006 und 2012 Empfehlungen zur Rückgabe von Objekten aus seiner Sammlung beschlossen. Diese Empfehlungen betrafen die Österreichische Nationalbibliothek, das Museum für angewandte Kunst (MAK) und das Kunsthistorischen Museum. Zehn Objekte, darunter eine Zither, Majoliken und Bilder, die sich im Museum für Volkskunde befinden, wurden nun zur Rückgabe empfohlen.

Auch die in Wien lebenden Brüder Fritz und Alfred Menzel wurden vom NS-Regime verfolgt. Alfred Menzel suchte am 30. Mai 1938 bei der Zentralstelle für Denkmalschutz um die Genehmigung der Ausfuhr seiner Kunstsammlung an. Diese Bewilligung wurde mit Ausnahme der Miniatur von Karl Agricola, Gräfin Harrach erteilt. Im August 1938 flüchtete Alfred Menzel nach Belgien. Die Miniatur blieb in Wien zurück und wurde im Jänner 1939 von seinem Bruder Fritz Menzel an die Albertina verkauft. Alfred Menzel und seine Frau wurden nach der Besetzung Belgiens interniert und im September 1943 in Auschwitz ermordet. Sein Bruder Fritz Menzel wurde mit seiner Frau im März 1941 aus Wien in das Ghetto Modliborzyce (Distrikt Lublin) deportiert und dort im Herbst 1942 ermordet. Die Miniatur wurde zur Rückgabe empfohlen.

Der Beirat empfahl weiters die Rückgabe eines Hammerflügels aus der Sammlung alter Musikinstrumente des Kunsthistorischen Museums an die Erben nach Maria Gerngross. Maria Gerngross gab in ihrer Vermögensanmeldung zwei Spinette und einen Flügel an. Dieser ist auch durch eine zeitgenössische Fotografie dokumentiert. Maria Gerngross flüchtete im Jänner 1939 nach Prag. Im Jahr 1942 wurde sie nach Ravensbrück deportiert und am 25. Jänner 1943 in Auschwitz ermordet. Ihre Eltern Robert und Frida Gerngross, die auch unter dem Namen Maria Gardi als Sängerin aufgetreten war, waren in Wien geblieben. Im Jahr 1940 verkaufte Frida Gerngross den Hammerflügel der Sammlung alter Musikinstrumente. Robert und Frida Gerngross wurden am 9. April 1942 aus einer Sammelwohnung nach Izbica deportiert. Sie wurden im Jahr 1947 für tot erklärt.

Schließlich nahm der Beirat seine in der vorangegangenen Sitzung vertagten Beratungen zu zwei Blättern von Egon Schiele aus der Albertina wieder auf. Er empfahl, diese nicht an die Erben nach Fritz Grünbaum zu übereignen. Der Kabarettist Fritz Grünbaum wurde unmittelbar nach dem "Anschluss" Österreichs verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald deportiert. Am 14. Jänner 1941 kam er im Konzentrationslager Dachau ums Leben. Fritz Grünbaum besaß eine umfangreiche Kunstsammlung, die unter anderem durch ein Schätzgutachten, das seiner Vermögensanmeldung beiliegt, dokumentiert ist. Die Kunstsammlung, die einen hohen Anteil von Grafiken hatte, wurde in dem Gutachten mit RM 5.791,- bewertet. Die Frau von Fritz Grünbaum, Elisabeth Grünbaum, nannte die Kunstsammlung in drei Anzeigen zur Vermögensanmeldung ihres Mannes am 12. November 1938, am 25. Jänner 1939 und am 30. Juni 1939, gab jedoch in der Todfallsaufnahme an, dass Fritz Grünbaum ohne Vermögen sei. Elisabeth Grünbaum wurde am 5. Oktober 1942 aus Wien nach Maly Trostinec deportiert und dort ermordet.

Der weitere Verbleib der Sammlung während der NS-Zweit konnte nicht ermittelt werden. Die Schwester von Elisabeth Grünbaum, Mathilde Lukacs, und deren Ehemann Sigmund Lukacs wurden ebenfalls als Juden verfolgt. Sie konnten nach Belgien fliehen, wo sie die Verfolgung überlebten. Ab dem Jahr 1955 verkaufte Mathilde Lukacs Kunstwerke an die Berner Galerie Klipstein & Kornfeld. Zum Teil können diese mit den Informationen zur Sammlung Fritz Grünbaum in Übereinstimmung gebracht werden. Auch die beiden Blätter von Egon Schiele wurden von Mathilde Lukacs an Klipstein & Kornfeld verkauft und kamen im Jahr 1988 durch eine Schenkung der Witwe nach Erich Lederer, Elisabeth Lederer, an die Albertina. Auch wenn nahe liegt, dass die beiden Blätter aus der Sammlung von Fritz Grünbaum stammen, so sieht der Beirat nach den derzeit bekannten Quellen keine Grundlage, eine Entziehung anzunehmen. Da die Kunstwerke nach 1945 in der Verfügung von Mathilde Lukacs standen, ohne dass Suchanfragen oder Rückstellungsanträge festgestellt werden konnten, ist anzunehmen, dass es Elisabeth Grünbaum gelungen war, die Sammlung (oder zumindest einen Teil der Sammlung) in eine gesicherte Verwahrung zu geben und sie so an ihre Schwester gelangten konnte. Auch ist zu beachten, dass Mathilde Lukacs als Schwester von Elisabeth Grünbaum zu den gesetzlichen Erben nach Fritz Grünbaum zählte.

Die Empfehlungen sind im Wortlaut auf der Webseite der Kommission für Provenienzforschung unter http://www.provenienzforschung.gv.at wiedergegeben.

 

 

 

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