Familienministerin Karmasin stellt zweites verpflichtendes Kindergartenjahr ab 2018 in Aussicht
Wien (pk) - Der Gratis-Kindergarten ein Jahr vor Schulantritt wird weiter vom Bund mitfinanziert, das beschloss
der Nationalrat am 15.10. mehrheitlich. Die Verlängerung der Kostenbeteiligung des Bundes mit jährlich
70 Mio. € für die nächsten drei Jahre ist Teil der neuen Vereinbarung mit den Ländern. Ein verpflichtendes
zweites Kindergartenjahr soll es zwar vorerst nicht geben, allerdings will die Regierung das Angebot ermäßigter
Plätze für Vierjährige ausgeweitet sehen. In Beratungsgesprächen sollen PädagogInnen die
Eltern von den Vorteilen einer institutionellen Kinderbetreuung beginnend schon zwei Jahre vor der Schulreife überzeugen.
Familienministerin Sophie Karmasin betonte, die Regierung rücke nicht grundsätzlich vom Vorsatz ab, auch
das zweite Kindergartenjahr verpflichtend zu machen, sondern wolle dies 2018 umsetzen. Eine Arbeitsgruppe befasse
sich bereits damit. Grüne und NEOS stimmten der neuen Bund-Länder-Vereinbarung zwar gemeinsam mit den
Regierungsfraktionen zu, um die bestehenden Regelungen aufrecht zu erhalten. Deutlich plädierten aber beide
Oppositionsparteien für eine qualitative und quantitative Ausweitung der heimischen Elementarpädagogik
und fanden darin Zustimmung bei der SPÖ. Wahlfreiheit der Eltern über die Form der Kinderbetreuung ist
aus Sicht der FPÖ entscheidend, die ebenso wie das Team Stronach gegen den Regierungsvorschlag zur Bund-Länder-Vereinbarung
stimmte.
Mit ihren eigenen Anregungen zur Familienpolitik hatten die Freiheitlichen heute keinen Erfolg im Plenum. Die FPÖ-Anträge
gegen Leistungskürzung aufgrund von Ferialarbeit und Ausgleichszulage wurden mehrheitlich abgelehnt.
Ausweitung des Kindergartenbesuchs auf freiwilliger Basis
Insgesamt 210 Mio. € gibt der Finanzminister in den Kindergartenjahren 2015/16, 2016/17 und 2017/18 frei, um die
Weiterführung des obligatorischen Kindergartenbesuchs ein Jahr vor Schulantritt von Bundesseite mitzufinanzieren.
Außerdem sollen damit mehr vergünstigte oder unentgeltliche Kinderbildungsangebote für die Altersgruppe
der 4-Jährigen geschaffen werden. Bundeszuschüsse, die nicht zum Ersatz von Elternbeiträgen benötigt
werden, könnten für Maßnahmen der Qualitätssicherung wie verkleinerte Gruppengrößen
genutzt werden, geht aus dem Regierungsvorschlag für die neue 15a-Vereinbarung hervor.
Für Familienministerin Karmasin ist Österreich auf einem guten Weg, zum familienfreundlichsten Land Europas
zu werden. Dass der Kurs stimme, zeige neben der Erhöhung der Familienbeihilfe und dem Ausbau der Kindergärten
eben auch die Verlängerung des Gratis-Kindergartenjahres um drei Jahre. Zur Hebung der Betreuungsquote bei
Unter-Fünf-Jährigen meinte sie, die verpflichtende Gespräche mit Sachpädagogen, wie in der
Vereinbarung vorgesehen, stellten hier einen wichtigen ersten Schritt dar; mit der Universität Wien werde
bereits intensiv an einem bundesweiten Leitfaden dafür gearbeitet. "Mit Empfehlung und Überzeugung
ist mehr zu bewirken als durch Verpflichtung", unterstrich die Ministerin. Überdies habe man eine Kostenermäßigung
beim Kindergartenbesuch für Vierjährige in allen Bundesländern erwirkt und eine Arbeitsgruppe befasse
sich schon damit, wie ab 2018 ein verpflichtender Gratiskindergarten für Vierjährige umgesetzt werden
kann.
ÖVP-Abgeordneter Georg Strasser lobte die Regierungsinitiativen in der Familienpolitik anhand mehrerer Beispiele
wie sprachlicher Frühförderung und brach in diesem Zusammenhang eine Lanze für die verpflichtenden
Elterngespräche, die zur Anhebung der Betreuungsquote bei den Vierjährigen führen sollen: "In
Zusammenarbeit mit den PädagogInnen wird hier in einem sensiblen Bereich hervorragende Arbeit geleistet".
Der Obmann des Familienausschusses liest daraus ein gutes Zusammenspiel von Kindergärten, Familien und Gemeinden
ab. Sein Parteikollege Norbert Sieber bekräftigte, der Bund dürfe in Fragen der Elementarpädagogik
Länder und Gemeinden als kostentragende Gebietskörperschaften nicht einfach bevormunden. Lobend beschriebt
er die Situation in Vorarlberg, wo die institutionelle Kinderbetreuung sich zu allererst nach den Bedürfnissen
der Eltern richte.
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Seitens der Opposition hagelte es jedoch Kritik an der neu ausverhandelten Vereinbarung mit den Bundesländern.
Die Entscheidungsfreiheit der Eltern in Sachen Kinderbetreuung sehen Anneliese Kitzmüller (F) und Leopold
Steinbichler (T) durch das verpflichtende Kindergartenjahr untergraben und wie ihre Parteikollegin Carmen Schimanek
monierte die FPÖ-Familiensprecherin, dass der Entwurf der Vereinbarung ohne vorangegangenes Begutachtungsverfahren
im Parlament behandelt worden sei. Eine mögliche Bestrafung von Eltern, die einem Gespräch über
die Vorteile eines Kindergartenbesuchs für ihr Kind nicht Folge leisten wollen, wies Kitzmüller entschieden
zurück. Schimanek beklagte überdies, immer noch gebe es in Österreich keine Interessensvertretung
der KindergartenpädagogInnen und sie rügte die derzeitige Kompetenzzersplitterung im Kindergartenwesen,
die einheitliche Qualitätsstandards verhindere. Zu den Geburtenzahlen spannte Steinbichler den Bogen weiter
und verdeutlichte, die Ursache für deren Rückgang liege auch in der sinkenden Kaufkraft der Bevölkerung,
für die ein Grund die fehlende Inflationsabgeltung bei der Familienbeihilfe sei.
Als "Beibehaltung des Status Quo" titulierte Harald Walser (G) die angepeilte Vereinbarung zwischen Bund
und Ländern, fehle darin doch erneut das im Regierungsprogramm angekündigte verpflichtende zweite Kindergartenjahr.
Obwohl sich bereits 95% der Vierjährigen im Kindergarten befänden, müsse man bei dieser Altersgruppe
verstärkt auf elementarpädagogische Bildung setzen, denn jene 5% außerhalb der sozialen Bildung
im Kindergarten würden großteils schulische Schwierigkeiten haben, zeigte der Grünen-Bildungssprecher
auf. Solange der Kindergartenbesuch nicht auf freiwilliger Basis möglich sei, sollte zumindest eine Verpflichtung
von 12 Wochenstunden bestehen. Viel Diskussionsbedarf ortet im Bereich Elementarpädagogik auch Judith Schwentner
(G), die trotz aller Kritik die Zustimmung ihrer Fraktion mit dem Festhalten am bestehenden Gratiskindergartenjahr
begründete. Auf einer Linie mit der Industriellenvereinigung sieht sich NEOS-Klubobmann Matthias Strolz mit
seiner Forderung nach einem umfassenden Ausbau der elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen als profundes
Mittel, schulischen Problemen vorzubeugen.
Für die SPÖ unterstrichen Angela Lueger und Katharina Kucharowits, die mit den Ländern ausverhandelte
Weiterführung des Gratis-Kindergartenjahrs sei in ihren Augen nicht gänzlich zufriedenstellend. Kritikpunkte
der Sozialdemokratinnen sind, dass ohne zusätzlicher Finanzmittel eine Ausweitung der Betreuungsangebote angestrebt
werde und der kostenlose Kindergarten nur Vormittagsstunden umfasse. Schon um die Chancengleichheit von Kindern
mit unterschiedlichem sozialökonomischen Hintergrund zu fördern, sei ein weiterer Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen
inklusive verpflichtendem zweiten Jahr mit bundesweitem Rahmengesetz dringend nötig. Für das zweite Gratis-Kindergartenjahr
sei Sorge zu tragen, bestätige Wolfgang Knes (S), räumte aber ein, viele Gemeinden hätten derzeit
nicht die Ressourcen dafür.
Keine Zustimmung zu FPÖ-Anträgen gegen mögliche Kürzungen bei Familienbeihilfe
Mit zwei Anträgen stellte sich die FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller gegen mögliche
Reduktionen bei der Familienbeihilfe, fand jedoch auch im Plenum nicht die nötige Unterstützung, nachdem
bereits der Familienausschuss dagegen votiert hatte. Zum einen verlangte Kitzmüller, Studierenden dürfe
die Familienbeihilfe nicht mehr gekürzt werden, falls sie durch Ferialarbeit die jährliche Verdienstobergrenze
von 10.000 € überschreiten ( 1278/A(E)). Zum anderen orten die Freiheitlichen in einigen Fällen eine
nicht nachvollziehbare Leistungsminderung der Waisenrente bei behinderten BezieherInnen. Einigen dieser Personen
werde bei Bezug einer Ausgleichszulage ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit ein Teil der ihnen zustehenden
Familienbeihilfe aberkannt ( 1305/A(E)), so Kitzmüllers Vorwurf.
In der Debatte begründete sie ihre Forderung einer vollständigen Auszahlung der Familienbeihilfe an Studierende
unabhängig von deren Einkommen, damit, dass eine Leistungskürzung der falsche Ansatz sei, Studierende
zu beruflicher Tätigkeit zu motivieren. "Fleiß muss sich lohnen" zog Leopold Steinbichler
(T) nach und regte an, die Beihilfen auch bei Lehrlingen ohne Abstriche auszuzahlen. Da das Studieren von Kindern
eine finanzielle Belastung für Eltern darstelle, wie der fraktionslose Abgeordnete Gerhard Schmid sagte, bedürfe
es einer Abkehr von der derzeitigen Regelung. Judith Schwentner (G) warnte beim FPÖ-Ansatz zwar vor bürokratischen
Hürden in der Umsetzung, konnte sich aber eine generelle Anhebung der Zuverdienstgrenzen für Studierende
vorstellen.
Als Untermauerung ihres zweiten Antrags wies Kitzmüller auf ein Schreiben des Seniorenrats hin, der in der
Leistungskürzung bei der Familienbeihilfe infolge der Ausgleichszulage ebenfalls auf großen materiellen
Schäden bei betroffenen Personen aufmerksam mache. Schwentner verlangte bezugnehmend auf einen konkreten Fall
eine rasche rechtliche Klarstellung.
Tatsächlich bestünden die von den Freiheitlichen aufgezeigten Probleme de facto nicht mehr, begründeten
Claudia Durchschlag (V) und Hermann Lipitsch (S) die Ablehnung der Anträge. Bei den Waisenpensionen werde
die Ausgleichzulagen nicht länger zu den Einkünften gezählt, was man in entsprechenden Fortbildungen
allen Finanzämtern vermitteln wolle. Und mittels einer Einschleifregelung werde von StudentInnen nicht mehr
die gesamte Familienbeihilfe zurückgefordert, sobald die Zuverdienstgrenze überschritten wird, sondern
nur der Betrag, der über die Grenze von 10.000 € hinausgeht.
Der Definition von Familie widmete sich schließlich Marcus Franz (V) und legte dabei das Hauptaugenmerkt
auf Familien mit Kindern. Diese "klassische Familie" verdiene als Grundstein der Gesellschaft die meiste
Unterstützung der Politik.
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