Bad Gastein und Schloss Anif als Schauplätze historischer Weichenstellungen
Salzburg (lk) - Warum über das Schicksal Schleswig-Holsteins ausgerechnet im Bad Gasteiner Hotel Straubinger
entschieden wurde und wie der letzte König Bayerns in Anif mit Missverständnissen abdankte, erklärt
ein aktueller Grenzfall, der am 14.10. auf der Plattform für
die Europaregion, veröffentlicht wurde.
Nicht immer lassen sich historische Entwicklungen auf einen Ort und einen Tag reduzieren. In zwei Fällen innerhalb
der vergangenen 150 Jahre können jedoch wichtige Weichenstellungen der deutschen Geschichte auf Salzburger
Boden präzise festgemacht werden.
Kurzlebiger Kompromiss in Bad Gastein
Erster Schauplatz ist Bad Gastein, wo am 14. August 1865 im mit Zirbelholz getäfelten Zimmer Nummer 7 des
Erdgeschoßes des Hotels Straubinger vom preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck und
dem österreichischen Gesandten Gustav von Blome der Vertrag von Gastein unterzeichnet wurde. Der damals als
Wildbad Gastein weltbekannte Kurort war bei der High Society sehr beliebt, Bismarck gehörte zu den Gasteiner
Stammgästen und führte die deutsche Politik auch vom Badebecken aus.
Geklärt werden musste anno 1865, wie Österreich und Preußen die im Krieg gegen Dänemark ein
Jahr zuvor gewonnenen Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg verwalten sollen. Eine gemeinsame Administration
hatte sich als undurchführbar erwiesen. Österreich wollte die Herzogtümer als eigenständige
Gebiete und Mitglieder des Deutschen Bundes erhalten. Preußen wollte seinen Machtbereich erweitern und die
Gebiete ins eigene angrenzende Staatsgebiet eingliedern. Im Gasteiner Vertrag wurde Preußen die Verwaltung
Schleswigs und Österreich jene von Holstein übertragen. Lauenburg ging gegen eine Entschädigungszahlung
an Preußen. Für Preußen war dies durchaus ein Gewinn, denn Schleswig lag dem eigenen Staatsgebiet
nahe und konnte so auch leicht verwaltet werden. Für Österreich entwickelte sich die Verwaltung Holsteins
aufgrund der Entfernung zur Belastung.
Bismarck brachte der Vertrag, den er nach eigener Definition als "Verklebung der Risse im Bau" in "nicht
eben jubelnder Stimmung" unterzeichnete, die Erhebung in den Grafenstand und dem Rest Europas viel Ärger.
Den übrigen deutschen Staaten war der "Länderschacher" des zur Großmacht strebenden Preußen
ein Dorn im Auge, und Österreich übertrug den Fall der Bundesversammlung in Frankfurt am Main. Damit
hatte Preußen einen Kriegsgrund, und im Juni 1866 rückten preußische Truppen von Schleswig aus
in Holstein ein, der Auftakt zum Deutschen Krieg war erfolgt. Im Juli leitete der Sieg der Preußen über
die Österreicher und ihre deutschen Verbündeten bei der Schlacht bei Königgrätz die Vormachtstellung
Preußens in Deutschland und die Auflösung des Deutschen Bundes ein.
Bayerns Monarchie endete in Anif
Im neugotischen Wasserschloss Anif hingegen ging 1918 die bayerische Monarchie zu Ende. König Ludwig III.,
seit 1912 "Kini" der bayerischen Nachbarn, war vor der Novemberrevolution in Deutschland über Schloss
Wildenwart bei Rosenheim und vom Hintersee bei Berchtesgaden in das Schloss des bayerischen Reichsrats Ernst Graf
von Moy südlich von Salzburg geflüchtet. Bereits drei Tage nach der Novemberrevolution in Bayern hatte
General Max von Speidel den König am 10. November zu einer Abgabe einer Erklärung zu bewegen versucht,
um die Offiziere des bayerischen Heeres vom Treueid zu entbinden. Doch er kam zu spät, da Ludwig III. inzwischen
von Wildenwart nach Anif geflüchtet war. Dort bestellte dieser in Eigeninitiative den letzten Staatsminister
des königlichen Hauses, Otto von Dandl, zu sich.
Auf die Forderung nach einem Thronverzicht reagierte der Monarch gereizt: "Kein Verzicht – auch später
nicht – Krone niemals verkaufen!" Was wenig nutzte, denn nach Dandls Rückkehr nach München mit der
"Anifer Erklärung", die lediglich die Beamten, Offiziere und Soldaten von ihrem Eid auf den König
entband, wurde diese nur 70 Wörter umfassende Erklärung als Thronverzicht umgedeutet und von der Regierung
unter Kurt Eisner als solcher zur Kenntnis genommen. 17 von 22 Monarchen Deutschlands dankten nach dem Ersten Weltkrieg
formell ab. Die Bayerischen Regenten gehörten nicht dazu, versuchten aber auch keine Restauration wie etwa
Kaiser Karl – vergeblich – in Ungarn.
Die Erklärung wurde in der Bayerischen Staatszeitung und in Tageszeitungen veröffentlicht, das Original
gibt es heute nicht mehr. Aus Misstrauen gegenüber Eisner behielt der damalige Innenminister Erhard Auer sie
bei sich. Beim Hitlerputsch in München fünf Jahre später wurde Auers Wohnung verwüstet, seitdem
ist die Erklärung des letzten regierenden Wittelsbachers verschollen.
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