Zugangsregelungen der Universitäten bis 2021 verlängert, Vereinheitlichung der Studieneingangs-
und Orientierungsphase
Wien (pk) - Eine substanzielle Novelle des Universitätsgesetzes 2002 (UG 2002) wurde am 14.10. vom
Nationalrat mit Mehrheit verabschiedet. Wie Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner hervorhob, schafft das
geänderte Universitätsgesetz die organisationsrechtlichen Voraussetzungen für ein "Tenure Track"-Modell
für junge WissenschaftlerInnen an den Universitäten. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte der Novelle
zu und begrüßte vor allem die durchgängigen Karriereperspektiven an den Universitäten. Gegenstimmen
kamen von Seiten der Freiheitlichen und der Grünen, die aus unterschiedlichen Gründen die Maßnahmen
für unzureichend halten.
Mit der Novelle werden auch die bestehenden Zugangsregeln zu einzelnen Studien bis 2021 verlängert und die
Studieneingangs- und Orientierungsphasen (StEOP) vereinheitlicht. Für die Mitglieder der Universitätsräte
sollen ab 2018 erweiterte Unvereinbarkeitsregeln gelten, zudem wird die Möglichkeit der Festlegung von Vergütungs-Obergrenzen
geschaffen.
Durch eine Änderung des Forschungsorganisationsgesetzes werden auch das Österreichische Archäologische
Institut in die Österreichische Akademie der Wissenschaften und das Institut für Österreichische
Geschichtsforschung in die Universität Wien eingegliedert. Zudem wird mit der Novelle eine Forderung der NEOS
umgesetzt, wonach Studierende Einsicht in die Unterlagen von Aufnahmeprüfungen erhalten. Diese Änderung
wurde von allen Fraktionen begrüßt.
Erstmals meldete sich im Rahmen dieser Debatte NEOS-Abgeordnete Claudia Angela Gamon zu Wort. Sie nimmt den Platz
von Beate Meinl-Reisinger ein, die anlässlich der Wiener Landtagswahl ihr Mandat zurückgelegt hat.
FPÖ kritisiert grundsätzliche Mängel der Wissenschafts- und Forschungspolitik
Axel Kassegger (F) meinte, die nunmehr getroffenen Maßnahmen hätten über Änderungen der Kollektivverträge
bzw. im Rahmen der Universitäts-Autonomie besser gelöst werden können. Die FPÖ lehne die StEOP
grundsätzlich als inflexibel und das Studium verzögernd ab. Die gewünschten Effekte wären anders
zu erreichen, meinte er. Auch Zugangsregeln lehne seine Fraktion ebenfalls grundsätzlich ab. Sie seien kein
Steuerungsinstrument und würden vor allem österreichische Studierende vom Studium abhalten. Ausländische
Studierende verursachten überproportionale Kosten für das österreichische Hochschulsystem. Kassegger
forderte daher Vereinbarungen über Ausgleichszahlungen oder ein System der Gebühren für ausländische
Studierende. Er vermisste auch einen Hochschulplan, der klare Planungsvorgaben mache, und eine echte Studienplatzfinanzierung.
Kassegger zeigte sich besorgt darüber, dass Österreich in der Innovationsdynamik immer weiter zurückfalle.
Die 100 Mio. € zusätzlich, die der Finanzminister angekündigt habe, seien zu wenig. Nötig wären
laut Rat für Forschung und Entwicklung 900 Mio. €, um die Fehlentwicklung umzukehren sagte Kassegger, der
die Grundprobleme für Wissenschaft und Forschung in einer verfehlten Budgetpolitik und in fehlenden Strukturreformen
ortete.
FPÖ-Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck vermisste eine Diskussionskultur über Hochschulthemen
und sah eine weitgehende Unzufriedenheit im System. Viele MitspielerInnen seien aber nicht Teil der Lösung,
sondern Teil des Problems, sagte er. Statt an Lösungen zu arbeiten, würden sie sich oft an Nebenschauplätzen
"verzetteln". Karlsböck nannte hier unter anderem die Österreichische HochschülerInnenschaft
(ÖH), die sich oft nur "spätpubertären" Aktionen widme. Statt Veränderungen einzuleiten,
werde die Autonomie als Ausrede missbraucht, ebenso die komplizierten Strukturen, die EU oder das mangelnde Geld,
sagte Karlsböck. Ein großes Problem sah er darin, dass der akademische Mittelbau sehr oft nur befristete
Verträge und damit keine Karrieremöglichkeiten erhalte.
ÖVP: Zugangsregelungen haben sich bewährt
ÖVP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle hob aus der Novelle besonders die neuen Regelungen zugunsten
des wissenschaftlichen Nachwuchses hervor. Junge WissenschaftlerInnen erhielten so die Möglichkeit, an der
eigenen Universität, bei entsprechenden Leistungen und nach einer internationalen Ausschreibung eine befristete
Anstellung zu erhalten. Diese Veränderung entspreche internationalen Standards und sei überfällig.
Die Vereinheitlichung der StEOP sah er als weiteren positiven Effekt der Novelle. Töchterle bedauerte, dass
die Zugangsbeschränkungen nicht auf weitere Fächer ausgedehnt wurden. Er sah Zugangsregelungen als unabdingbar,
um bessere Bedingungen in den stark nachgefragten Fächern zu schaffen. Beatrix Karl (V) schloss sich dieser
Sicht an. Die Novelle schaffe durch Neuerungen im Personal- und Organisationsrecht bessere Rahmenbedingungen für
die Hochschulen, die Forschung, für das Universitätspersonal ebenso wie für die Studierenden, sagte
Karl. Sie begrüßte auch die durchgängigeren Karriereperspektiven und die Lockerung der Kettenvertragsregelungen
an den Universitäten.
Friedrich Ofenauer (V) sah ebenfalls eine überfällige Modernisierung der Rahmenbedingungen der Hochschulen
und der Forschung durch die Novelle. Damit erhöhe sich die Planungssicherheit für Hochschulen und Studierende,
meinte er. Die Zugangsbeschränkungen sind aus seiner Sicht notwendig für einen offenen, aber nicht beliebigen
Studienzugang. Grundsätzlich gelte es, Begabungen zu fördern, die verbesserte StEOP solle hierzu beitragen.
Auch Rouven Ertlschweiger (V) sah die Verlängerung der Zugangsregelungen positiv, da sie nachweislich die
Betreuungsverhältnisse verbessern würden. Er sah auch keine negativen Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung
der Studierenden.
Grüne: Diskriminierung und soziale Auslese durch Zugangsregelungen
Sigrid Maurer (G) widersprach der Auffassung, die vor allem von Seiten der ÖVP geäußert wurde,
dass Zugangsbeschränkungen positive Effekte zeigten. Sie seien vielmehr willkürlich und führten
eindeutig zu einer starken sozialen Selektion. Das zeige sich sehr deutlich im Medizinstudium. Die Regelung der
Vergütungen für Mitglieder der Universitätsräte sei eine erste positive Reaktion auf kritische
Anfragen, die sie dazu gestellt habe. Was die Gehälter der RektorenInnen der Universitäten betreffe,
vermisse sie jedoch noch entsprechnde Schritte. Die Universitäten weigerten sich, finanzielle Transparenz
herzustellen, sagte Maurer und forderte eine Obergrenze für die Gehälter von RektorInnen. Sie brachte
einen entsprechenden Abänderungsantrag zur Novelle ein, der in der Abstimmung jedoch in der Minderheit blieb.
Die Universitäten bräuchten insgesamt mehr Transparenz, denn sie seien weitgehend öffentlich finanziert
und damit den SteuerzahlerInnen verpflichtet, schloss Maurer.
Birgit Schatz (G) thematisierte Probleme im Bereich der Pflichtpraktika. Eine klare Regelung müsse arbeitsrechtliche
und studienrechtliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigen, konstatierte sie. Mit der Novelle des Universitätsgesetzes
werde davon jedoch nichts umgesetzt, kritisierte Schatz und nannte als Beispiel das praktische klinische Jahr.
Die neue Regelung setze die Verwirrung, ob es sich hier um ein Anstellungsverhältnis oder um einen Teil der
Ausbildung handle, weiter fort.
SPÖ für freie Studienwahl und offenen Hochschulzugang ohne soziale Diskriminierung
SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl (S) zeigte sich erfreut darüber, dass die Novelle keine neuen
Hürden für Studierende, sondern grundsätzlich Verbesserungen bringt. Die Zugangsregeln seien weiterhin
befristet und würden weiter beobachtet und evaluiert. Kuntzl hielt es auch für wichtig, dass das UG nun
die Forderung nach diskriminierungsfreien Aufnahmeverfahren explizit festschreibt und die Einsichtnahme in die
Prüfungsunterlagen ermöglicht. Damit habe man auch auf Anregungen der Opposition reagiert. Die StEOP
sah Kuntzl als sinnvolle Maßnahme, um Zugangsbeschränkungen zu vermeiden. Hier wurden die Anforderungen
genauer definiert, um eine Vereinheitlichung bei gleichzeitig ausreichender Flexibilität für Institute
und Universitäten zu ermöglichen. Kuntzl hob ebenfalls die verbesserten Laufbahnmöglichkeiten junger
WissenschaftlerInnen positiv hervor. Zur Vergütung der Universitätsräte stellte sie fest, viele
Mitglieder hätten selbst gewünscht, dass das Ministerium einen Rahmen dafür festlegt.
Philip Kucher (S) begrüßte wie Kuntzl die besseren Karrieremöglichkeiten für junge WissenschaftlerInnen
und bekannte sich zum freien und offenen Hochschulzugang. Er lehnte Hürden, die vor allem Kinder aus sozial
schwächeren Schichten benachteiligen, ab. Auch die StEOP sei so organisiert, dass sie nicht zu einem verdeckten
Auswahlverfahrung wird. Hier habe man Anregungen der ÖH aufgenommen. Gemeinsam habe man eine tragbare Lösung
gefunden, um diskriminierungsfreie Bedingungen bei den Aufnahmeprüfungen zu schaffen. Auch Harry Buchmayr
(S) verwies auf die Probleme der Studierenden, die sich ihr Studium durch Arbeit finanzieren müssen. Die Novelle
bringe zwar gewisse Erleichterungen, trotzdem sei weiter darauf zu achten, dass niemand aufgrund des sozialen Hintergrunds
der Zugang zu einem Studium verwehrt bleibt.
NEOS fordern rasche Umsetzung der kapazitätsorientierten Studienplatzfinanzierung
Nikolaus Scherak (N) wies pauschale Kritik an der ÖH zurück und sah einige positive Schritte wie etwa
die Schaffung eines Tenure Track-Modells. Leider bleibe man auf halbem Weg stehen, bedauerte er. Die Zugangsbeschränkungen
müssten seiner Ansicht nach konsequenter geregelt und ausgeweitet werden. Scherak sprach das Problem der Kettenverträge
an. Hier werde ein richtiger Schritt gesetzt, meinte er. Die Einsicht in Prüfungsunterlagen komme nach langer
Verzögerung nun endlich doch, zeigte Scherak sich zufrieden. Ein Grundproblem der stockenden Universitätsreform
sah Scherak in ideologischen Grabenkämpfen innerhalb der Koalition.
Seine neue Fraktionskollegin Claudia Angela Gamon forderte bei ihrer ersten Wortmeldung im Parlament mehr Generationengerechtigkeit
und nannte die Universitäten als Beispiel für die Säumigkeit der Bundesregierung, echte Reformen
einzuleiten. Die Novelle setze zwar einige richtige Schritte, diese seien aber noch zu klein. Die Entwicklung einer
echten kapazitätsorientierten Studienplatzfinanzierung gehe nicht voran, dabei wäre diese eine grundlegende
Voraussetzung, um zu Kostenwahrheit im System der Hochschulbildung zu gelangen.
Mitterlehner sieht erfolgreichen Interessensausgleich durch UG-Novelle
Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner stellte fest, dass die UG-Novelle 2015 grundsätzlich den schwierigen
Balanceakt zwischen sehr unterschiedlichen Auffassungen von Autonomie und öffentlichen Interessen gemeistert
habe. Das Gesetz schaffe neue Karriereperspektiven für UniversitätslehrerInnen durch ein Tenure Track-Modell.
Damit sei die Möglichkeit vorgesehen, DozentInnen, Assistenz- und assoziierte ProfessorInnen im Rahmen eines
gegenüber einer "normalen" Berufung vereinfachten Verfahrens in die Professorenkurie überzuleiten.
In fünf Jahren werde man den Erfolg der Maßnahme evaluieren.
Mitterlehner verwies auch auf die Ausweitung der Unvereinbarkeitsregeln für Universitätsräte sowie
die Möglichkeit zur Schaffung von Vergütungs-Obergrenzen. Populistischen Maßnahmen in der Frage
der Rektorengehälter erteilte er eine Absage. Dies Frage ist nach Ansicht des Wissenschaftsministers im Rahmen
der Universitätsautonomie zu regeln.
Der Wissenschaftsminister sagte, er sehe die Beibehaltung der Zugangsbeschränkungen bis 2021 positiv, da sie
zu einer klaren Verbesserung der Betreuungsverhältnisse an den Universitäten geführt hätten.
Dadurch sei eine Entlastung der Massenfächer eingetreten, die Verbindlichkeit der Studienwahl gestärkt
und die Dropout-Rate markant gesenkt worden. Das zeige sich ganz deutlich im Medizinstudium. Mit der Änderung
der StEOP werde sichergestellt, dass sie ihren angestrebten Zweck erfüllt. Pauschale Kritik an der ÖH
wies Mitterlehner zurück. In der Diskussion mit allen Beteiligten sei es gelungen, zukunftsweisende Schritte
zu setzen, sagte er und bat um breite Zustimmung zur Novelle.
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