Um Gäste aus aller Welt anzulocken muss Tourismus auch in Zukunft seinen Erfolg an der
Einzigartigkeit der regionalen Qualität ausrichten.
Mellau (bötm) - Zum Thema "Lebensraum und Tourismus" tagte der Bund Österreichischer
Tourismusmanager (BÖTM) von 7. bis 9. Oktober in Mellau im Bregenzerwald. Rund 70 Tourismusmanager aus ganz
Österreich konnten Präsident Josef Schirgi und Seminargestalter Markus Kofler zum dreitägigen Seminar
locken, um mit geladenen Fachexperten der Frage nachzugehen, welche Wege die Branche in Zukunft einschlagen soll."
"Wir sind im Tourismus in einer Phase angelangt, die extrem viele Chancen bietet, aber in diesem Systemübergang
droht auch der Absturz", mahnt Franz Schmidt, der Geschäftsführer der Investschmidt GmbH in seinem
Vortrag. Das Problem sieht Schmidt darin, dass der Tourismus nach den Erfolgsrezepten von damals lebt. "Während
in Tourismusorganisationen noch diskutiert wird, hat sich die Welt bereits fünf Mal gedreht". Immer noch
gibt es keine Antworten auf den gesellschaftlichen Wandel. Die Fragen um die Veränderung der Mobilität
und die zunehmende Technisierung bleiben bis heute offen. Die Branche muss aufwachen. Man müsse endlich erkennen,
dass Gäste nicht an rein touristischen Themen interessiert sind - wie der Neubau eines Hotels oder einer weiteren
Liftanlage. Vielmehr suchen Gäste Urlaub in jenem Lebensraum, den eine Destination auszeichnet. Dieser Lebensraum
ist stark mit der heimischen Identität verbunden und zeichnet sich durch regionale Spezifika aus. Deshalb
sollen Tourismusorganisationen ihre Geschäftsmodelle kritisch hinterfragen und neue Denkansätze finden,
die über ihre touristischen Interessen hinausgehen.
Dass der Lebensraum einer Destination wieder mehr an Bedeutung gewinnt, davon ist auch Harald Pechlaner von der
Europäischen Akademie Bozen überzeugt. "Destinationen sollen keinen ausschließlich touristischen
Blickwinkel einnehmen," so Pechlaner. Vielmehr seien Tourismusmanager gefordert, als Standortentwickler zu
arbeiten und in regionalen Innovationssystemen zu denken. Pechlaner sieht die Regionalität als Gegentrend
zur Globalisierung und Chance für den Tourismus. Netzwerke mit regionalen Anbietern sollen forciert und weiterentwickelt
werden.
Regionalität ist Trumpf
Wie Regionalität erfolgreich in ein Geschäftsmodell integriert werden kann, das zeigte der Gastredner
Jürgen Sutterlüty am Beispiel des Handels auf. Die Vorarlberger Supermarktkette "Sutterlüty"
ist bekannt für ihre kreativen Partnerschaftsmodelle mit regionalen Betrieben. "Wir verkaufen Produkte
mit Geschichten, hinter denen reale Menschen aus der Umgebung stehen", sagt Sutterlüty. Die Kette bietet
nicht nur die Produkte an, sondern unterstützt die Produzenten bei der Entwicklung ihrer Geschäftsideen.
Selbst die Gebäude der Kette sind von heimischen Architekten und Handwerkern gebaut. Die Wertschöpfungskette
bleibt im Land und der Region.
"In der Phase des internationalen Handels gibt es eigentlich keine Chance für Betriebe wie unseren",
erzählt Sutterlüty. Es sei nahezu unmöglich, als Familienbetrieb gegen das Monopol im Lebensmittehandel
anzutreten. "86 Prozent der Lebensmittel in Österreich werden von drei Unternehmen hergestellt."
Sutterlüty ist aber mit seiner Idee erfolgreich.
"Wenn es uns in den Alpen nicht gelingt Regionalität zu stärken, regionale Ideen sowie Produkte
zu entwickeln, dann wird bald alles austauschbar", mahnte Sutterlüty die Touristiker und ortet noch viel
Nachholbedarf seitens der Gastronomie. "Es wird jede Ausrede genützt, warum der Wirt nicht regional einkaufen
kann. Aber was will der Tourismus verkaufen, wenn es nur noch verkarstete Berglandschaften gibt?". Sutterlüty
sieht hier intensive Überzeugungsarbeit.
Der Wert der Landschaft und gelebte Regionalität
Der bekannte ZIB-Moderator Tarek Leitner warnte davor, aus Grund und Boden eine Ware zu machen. "Wir sind
einer Grenzenlosigkeit verfallen, die Hybridräume geschaffen hat", meint Leitner. Touristisch vermarktete
Bilder stimmen mit der Realität kaum noch überein. Unberührte Landschaften, wie sie in Hochglanzbildbänden
angepriesen werden, verschwinden immer mehr und weichen Parkplatzwüsten, Kreuzungslandschaften und nächtlich
beleuchteten Werbetafeln. Die Landschaft wird der Wirtschaftlichkeit untergeordnet. Dabei wollen Urlauber eine
schöne Zeit in einer schönen Umgebung verbringen. "Wir sollten den Anspruch auf eine schöne
Umgebung nicht auf zwei Wochen Urlaub im Jahr reduzieren, sondern auf 365 Tagen ausweiten", so Leitner.
Wie die Theorie in der Praxis aussieht erlebten die Seminarteilnehmer bei einem Ausflug in die Region Bregenzerwald.
Anhand von fünf Betrieben (Kuschelhotel Gams, Werkraumhaus Andelsbuch, Metzler Natur hautnah erleben, BUS:STOP
und Das Schiff in Hittisau), wurde gezeigt, wie gelebte Regionalität funktioniert. Besondern Eindruck auf
die Teilnehmer machte der Werkraum Bregenzerwald, der innovatives Handwerk mit 85 Mitgliedsbetrieben unter einem
Dach vereint.
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