Salzburger EU-Verbindungsbüro
 für Europa-Staatspreis nominiert

 

erstellt am
23. 10. 15
09:00 MEZ

Interview mit Michaela Petz-Michez zu Entwicklungen in der Flüchtlingssituation: Flüchtlingsfrage wird immer mehr zu Überlebensfrage der EU
Salzburg (lk)- Seit Beginn der Flüchtlingsfrage steht vor allem die Politik der Europäischen Union unter starker Beobachtung und großem Erfolgsdruck. Das Verbindungsbüro des Landes Salzburg in Brüssel ist für Salzburg in dieser Krisensituation der direkte Draht in die EU-Hauptstadt. Die Leiterin des Brüsseler Büros, Mag. Michaela Petz-Michez, hat bei einem Gespräch über die aktuelle Situation berichtet. Das Salzburger EU-Verbindungsbüro wurde kürzlich auch für den Europa-Staatspreis 2016 nominiert. Die Verleihung findet am 6. November in Wien statt, Außenminister Sebastian Kurz wird den Sieger auszeichnen. Das Gespräch führte Chefredakteur Mag. Franz Wieser vom Landes-Medienzentrum.

Franz Wieser: Wie wird die Flüchtlingssituation in Brüssel selber wahrgenommen?

Michaela Petz-Michez: Die Flüchtlingssituation ist aktuell das ganz große Thema auf EU-Ebene. Die Diskussion läuft in Brüssel auf Hochtouren in EU-Kommission, im EU-Parlament und im Rat der EU bis hin zur Ebene der im Europäischen Rat versammelten Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten. Deutlich wird dabei, dass sowohl die im Ausschuss der Regionen versammelten EU-Vertreterinnen und -Vertreter der regionalen und lokalen Ebenen in den Mitgliedstaaten als auch die direkt gewählten EU-Abgeordneten im Europäischen Parlament die Vorschläge der Europäischen Kommission für eine gemeinsame Lösung der Flüchtlingssituation auf europäischer Ebene befürworten und zielstrebig verfolgen. Trotzdem wird aufgrund des großen politischen Drucks, eine Lösung zu finden, und der vielen schutzbedürftigen Menschen, die täglich nach Mitteleuropa kommen, diese Frage mehr und mehr zu einer Überlebensfrage der Europäischen Union.

Welche Aktivitäten sind derzeit in Brüssel spürbar?

Die verbindende Einigung auf die Verteilung von 160.000 Schutzbedürftigen aus Italien, Griechenland und anderen EU-Mitgliedstaaten war ein wichtiges Signal. Es dokumentiert, dass mit aller Kraft nach einer gemeinsam Lösung gesucht wird.

Viele Kommentare stellen immer wieder den Wert der europäischen Solidarität durch die bisherige Vorgehensweise im Krisenmanagement in Frage. Ist dieser gemeinsame Wert wirklich ein Teil der Vergangenheit oder hat er Zukunft?

Gerade bei der vergangenen Sitzung der Fachkommission für Außenbeziehungen des Ausschusses der Regionen ist aufgefallen, dass sich die regionale Ebene intensiv mit den Vorschlägen von Kommission und EU-Parlament auseinandergesetzt hat und auch das Prinzip der Solidarität gelebt haben möchte. Die Vorschläge der EU-Institutionen werden dort stark unterstützt. Sogar die ungarischen Vertreter haben sich für ein solidarisches Vorgehen ausgesprochen. Schlussendlich haben auch die Regionen und Bundesländer die Verantwortung und müssen mit den Folgen von politischen Entscheidungen tagtäglich leben. Es wurde bei dieser Debatte immer wieder klar, dass damit eine wichtige Grundlage für eine Lösung auf dem Tisch liegt. Man könnte auch sagen, die Regionalvertreterinnen und -vertreter sind in der Diskussion den Nationalstaaten einen Schritt voraus.

Wie wichtig schätzen Sie jetzt die Vertretung Salzburgs bei der EU ein?

Sehr wichtig, denn die EU-Vertretung des Landes Salzburg in unmittelbarer Nähe zu den EU-Institutionen in Brüssel ermöglicht eine äußerst zeitnahe Berichterstattung an unsere Landesregierung, insbesondere im Hinblick auf neue Handlungsmöglichkeiten sowie mit Blick auf Entwicklungen im Schengen-Raum und nicht zuletzt mit Blick auf die Wahrung der Interessen unseres Bundeslandes auf EU-Ebene in dieser schwierigen Situation. Man könnte sagen, dass die aktuelle Flüchtlingssituation erneut zeigt, wie sehr EU-Politik immer auch Innenpolitik und letztendlich auch Regional- und Kommunalpolitik ist: Die 28 EU-Mitgliedstaaten sind inzwischen mit Erfolg soweit miteinander verwoben, dass in bestimmten Fragen gemeinsames Handeln auf EU-Ebene allgemein ganz deutlich als die beste Option anerkannt wird. Diese Erkenntnis braucht die Europäische Union auch in der Flüchtlingsfrage.

Was bedeutet das nun für das Land Salzburg?

Aus Sicht des Landes Salzburg als Grenzregion zu Deutschland ist ein solidarischer Ansatz auf EU-Ebene mit einem verpflichtenden Verteilerschlüssel auf alle EU-Mitgliedstaaten für die Bewältigung der Flüchtlingssituation unbedingt zu befürworten. Aus der Stellungnahme von EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos nach der Ratssitzung der Justiz- und Innenministerinnen und -minister der 28 EU-Mitgliedstaaten wurde bereits deutlich, dass dieser Beschluss des Rates Justiz und Inneres vom 22. September 2015 de facto gleichbedeutend ist mit einer Änderung des Dublin-III-Abkommens, das den Verbleib von Asylwerbenden in ihren EU-Ankunftsstaaten regelt. Er konstatierte, dass "Dublin" in seiner bisherigen Form so nicht länger funktioniere und fügte hinzu, dass die Basis des Handelns in Europa nun erneut Solidarität auf EU-Ebene und zwischen allen Mitgliedstaaten sei.

Was sind in dieser großen Thematik konkret die kommenden Tätigkeiten für das Salzburger Europabüro?

Im Verbindungsbüro des Landes Salzburg zur EU in Brüssel werden wir die von der EU-Kommission in der EU-Migrationsagenda für 2016 angekündigte Überarbeitung der Dublin-Verordnung, gemeinsam mit den anderen Vertreterinnen und Vertretern der insgesamt 276 in Brüssel vertretenen EU-Regionen der 28 Mitgliedstaaten aufmerksam verfolgen und die Interessen des Landes auch hier einbringen. Dazu stehen wir sowohl mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Regionen wie mit der Salzburger Landesregierung und dem Amt der Landesregierung in ständigem Kontakt. Auch in Brüssel versuche ich die guten Kontakte, die in Salzburg zwischen zum Beispiel Bayern und dem Land Salzburg gepflegt werden, durch verstärkte Kommunikation zu unterstützen. Es ist wichtig, dass hier alle Stellen an einem Strang ziehen.

 

 

 

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