Wien (med uni) - Neuesten Forschungsergebnissen der Medizinischen Universität Wien zufolge können
Endocannabinoide, cannabis-ähnliche Substanzen, die vom Körper selbst produziert werden, einen Effekt
auf die Entwicklung der Bauchspeicheldrüse von Babys haben. Die Studie zeigt auch die Bedeutung einer Diät
während der Schwangerschaft ab dem Zeitpunkt, an dem die Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Das ist das
Ergebnis einer aktuellen, nun im Journal "Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States
of America (PNAS)" veröffentlichten Studie.
Regulierung durch ungesättigte Omega-3-Fettsäuren
Dem Team rund um Tibor Harkany vom Zentrum für Hirnforschung an der MedUni Wien ist es in Zusammenarbeit
mit KollegInnen aus Polen, den USA, Italien und Schweden gelungen nachzuweisen, dass Endocannabinoide direkten
Einfluss auf die Entwicklung der Bauchspeicheldrüse von ungeborenen Babys nehmen können. Diese körpereigenen
Botenstoffe sind Teil des endogenen Cannabinoid-Systems und verantwortlich für etliche Entwicklungsschritte
der Organe von ungeborenen Kindern.
Eine mögliche Schattenseite dieser erst seit rund 20 Jahren bekannten Substanzen zeigt nun die aktuelle Studie
auf: Ein zu hoher Anteil von Endocannabinoiden im Blut könnte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Kinder
später Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Glucose haben - und somit einem höheren Diabetes-Risiko
ausgesetzt sind. Ursache dafür ist, dass Endocannabinoide während der Bildung der Bauchspeicheldrüse
sowohl die Zusammensetzung als auch die Größe der Langerhans-Inseln beeinflussen, die Insulin und Glucagon
produzieren.
Die Einnahme von ungesättigten Omega-3-Fettsäuren - wie zum Beispiel in Fischöl enthalten - kann
werdenden Müttern dabei behilflich sein, den eigenen Endocannabinoid-Level sowie jenen des Babys zu senken
und so eine gut ausgebildete Bauchspeicheldrüse auszubilden.
Dennoch gilt diese vom Körper selbst produzierte Substanz seit ihrer Entdeckung Anfang der 1990er-Jahre als
Multitalent. Endocannabinoide helfen ab der Geburt bei der Regulierung vieler physiologischer Prozesse, wie etwa
bei Fruchtbarkeit, der Entwicklung des Zentralen Nervensystems, Schmerzempfinden, Appetit, Immunreaktion oder auch
Energiehaushalt. Neu hinzu kommt nun die Erkenntnis, dass sie auch in der Lage sind, die Bauchspeicheldrüse
Ungeborener zu "programmieren". "In unseren Versuchen ließen sich die Insel-Zellen durch die
Zugabe von Molekülen, die das endocannabinoide Signaling regulieren, fast nach Belieben modulieren und bildeten
funktionierende pankreatische Zellcluster", beschreibt Erstautorin Katarzyna Malenczyk.
Tibor Harkany zeigt sich von den Forschungsergebnissen beeindruckt: "Dieses neue Verständnis wird uns
sicherlich bei der Erarbeitung von Strategien für die rechtzeitige Reparatur von verzögerter oder fehlgeschlagener
Entwicklung der Bauchspeicheldrüse helfen. Und es wird auch die pharmakologische Entwicklung von wirksamen
Medikamenten beschleunigen. Das therapeutische Potenzial ist jedenfalls großartig, und die Studie zeigt auch
die exakte Reihenfolge der Abläufe, die einen lebenslangen Nutzen fördern."
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