Anbringung ab Mitte November – Fachbeirat prüft Bios im historischen Kontext
Salzburg (stadt) - Zur besseren Orientierung haben Straßen und Plätze in Salzburg (und anderswo)
ab dem Mittelalter praxistaugliche Namen erhalten. Mit der Stadterweiterung seit den 1860er Jahren begann der Gemeinderat
mit der bewussten Benennung von Verkehrsflächen – und verband damit häufig eine öffentliche Ehrung
einzelner Persönlichkeiten. Die Auswahl der namengebenden Personen spiegelt jeweils die gesellschaftliche
und politische Lage der Zeit – und ist aus heutiger Sicht in mehreren Fällen umstritten. Zukünftig werden
in Salzburgs Straßen Erläuterungstafeln angebracht, die über den Hintergrund der Namensgebung informieren;
in der ersten Phase konzentriert man sich auf personenbezogene Straßennamen.
„Erinnerungskultur hat immer mit der Gegenwart zu tun.“, betont Bürgermeister Heinz Schaden. „Es geht aber
nicht darum, die Geschichte zu beschönigen, sondern um die kritische und offene Auseinandersetzung mit dem,
was bisher passiert ist. Wir haben uns deshalb für die gründliche und sichtbare Aufarbeitung entschieden.“
Fachbeirat zur Abstimmung und Diskussion
Den Auftrag zu dieser offenen und expliziten Auseinandersetzung hat der Gemeinderat 2013 im Rahmen eines Amtsberichtes
zu neuen Richtlinien für die Benennung von Straßen und Verkehrsflächen an das Stadtarchiv erteilt.
Zugleich wurde beschlossen, dass im ersten Schritt des Projekts Erläuterungen zu jenen Straßennamen
erstellt werden sollten, die nach Personen benannt sind. Topographisch sollte der Startpunkt in der linken Altstadt
liegen.
„Unsere Fachleute im Stadtarchiv haben zu den Biographien recherchiert und Vorschläge für die Erläuterungstexte
ausgearbeitet. Darüber hinaus haben wir einen HistorikerInnen-Fachbeirat zur Begutachtung und Abstimmung der
Texte eingerichtet.“, erläutert Ingrid Tröger-Gordon, Leiterin der Abteilung 2 – Kultur, Bildung und
Wissen. „Diese Kommission befasst sich insbesondere mit Personen, die während der NS-Zeit tätig waren.
Ausführlichere Biographien zu allen Personen gibt es auf der Webseite der Stadt Salzburg.“
Dem Beirat unter Vorsitz von Ingrid Tröger-Gordon gehören Universitätsprofessor Ernst Hanisch und
Universitätsdozent Alexander Pinwinkler, der Direktor des Landesarchivs Oskar Dohle, der NS-Experte Gert Kerschbaumer
sowie die HistorikerInnen des Stadtarchivs Peter Kramml (Leiter), Sabine Veits-Falk und Thomas Weidenholzer an.
Ein fächerübergreifendes Team (Stadtarchiv, Vermessung, Stadtbildpflege, Tourismus Salzburg GmbH und
Grafikdesigner Fritz Pürstinger) entwickelte unter Leitung der Kulturabteilung ein geeignetes Format und inhaltliche
Leitlinien für die Zusatztafeln. Anschließend wurde ein detailliertes Konzept zur Umsetzung des Erläuterungsprojekts
für insgesamt 1.144 Straßennamen in Salzburg entwickelt, das vom Gemeinderat im Frühjahr 2015 beschlossen
wurde.
Kurz-Infos auf Tafeln, mehr im Web
Die Erläuterungstafeln sind quadratisch und haben je nach Länge des Straßennamens eine Kantenlänge
von 50, 60 oder 70 Zentimeter. Angebracht werden sie an einem markanten Gebäude im jeweiligen Straßenzug
– vorzugsweise an Objekten, die im Besitz der Stadt, des Landes, des Bundes oder eines öffentlichen Wohnbauträgers
sind.
Die Texte berichten in Kurzform über die namengebende Person und über ihren Bezug zu Salzburg bzw. über
besondere Verdienste bzw. über NS-Verstrickungen. Alle Tafeln verweisen zudem auf die Internetadresse http://www.stadt-salzburg.at/strassennamen, wo ausführliche Biographien nachzulesen sind
und bei NS-belasteten Personen deren Rolle im Nazi-Regime ausführlich behandelt wird. Die Online-Informationen
sind unter dieser URL ab Mitte November abrufbar, wenn auch die ersten Erläuterungstafeln angebracht werden.
Die Erläuterungstafeln sind aus pulverbeschichtetem Aluminium und kosten in der Herstellung pro Stück
310 Euro. Ab Mitte November werden die ersten 24 Tafeln in einer Pilotphase in der linken Altstadt, am Mönchsberg,
auf dem ehemaligen Stadtwerkeareal und für den Wilhelm-Kaufmann-Steg montiert. Im nächsten Schritt werden
Zusatztafeln im Andräviertel und in Schallmoos angebracht. Jährlich sollen ab 2016 rund 40 weitere Schilder
platziert und weiterführende Informationen im Internet angeboten werden, nachdem die Biographien der namengebenden
Personen aufbereitet und bei Bedarf im Fachbeirat abgestimmt wurden.
Hintergrund – Salzburger Straßennamen in Zahlen
• insgesamt gibt es 1.144 Namen von Straßen und Verkehrsflächen
• 515 (45,1%) mit nicht personenbezogen Namen (Orte, Flurnamen, Tiere, Blumen o.a.)
• 65 (5,7%) nach Personengruppen benannte Straßen
• 529 (46,2%) nach Männern benannte Straßen
• 25 (3%) nach Frauen benannte Straßen
Hintergrund – Straßennamen als Orientierung und Identifikationsfaktor
Straßennamen dienen einer routinehaften Orientierung, die als Stadtplan in den Köpfen durch den Alltag
lenkt, und sie sind ein Identifikationsfaktor. Insbesondere personale Straßennamen fungieren auch als kulturgeschichtliche
Quellen, wenn sie Auskunft über Personenverehrung ihrer Entstehungs- bzw. Umbenennungszeit geben.
Straßenbenennungen in unterschiedlichen Zeitepochen sind also Teil unserer Geschichte, auch wenn diese aufgrund
des heutigen Forschungsstandes und unserer demokratischen Wertehaltung im Einzelfall nur schwer oder gar nicht
mehr verständlich sind. Die moderne Forschung empfiehlt daher den Weg der historischen Kontextualisierung
„problematischer“ Lebensläufe und der Sichtbarmachung und öffentlichen Diskussion der historischen Begleitumstände.
Die Erläuterungstafeln in Salzburg sollen aber auch die Erinnerung an Menschen aktivieren, die Besonderes
und Positives für die Stadt geleistet haben. Die weiterführenden Texte auf der Website der Stadt Salzburg
bieten neben ausführlichen biographischen Infos auch das Datum und den historischen Kontext der Straßenbenennung.
|