Robert Musil und der Erste Weltkrieg

 

erstellt am
20. 10. 15
09:00 MEZ

Ausstellung im StifterHaus: "Landsturmbezirkskommando Linz 20. August 1914"
Linz (lk) - Robert Musil wurde 1880 in Klagenfurt geboren. Schon zwei Jahre später übersiedelte die Familie nach Steyr und ließ sich dort für neun Jahre nieder. Während Klagenfurt durch das Musil-Haus mit Musil-Literaturmuseum an den Dichter erinnert, sind Musils biografische Verbindungen zu Oberösterreich weniger bekannt, aber in mehrfacher Hinsicht gegeben.


Kindheit in Steyr
Die Ausstellung im StifterHaus macht u.a. diese Verbindungen in die Region sichtbar, wo er einen wesentlichen Teil seiner Kindheit und frühen Jugend verbrachte.

In Musils Tagebuch findet sich dazu ein Vermerk, aus dem klar hervorgeht, welche Bedeutung die Stadt Steyr für ihn hat. Er verlegt sozusagen seinen Geburtsort nach Steyr - wenn er das auch wieder relativiert: "Geboren in Steyr. Eigentlich nicht ganz. Aber im Zeitalter der Versetzungen, Geschäftsaufenthalte udgl. werden viele anderswo geboren als sie auf die Welt kommen […]."

Verwurzelung in Linz durch Mutter und Großeltern
Musil war durch die Herkunft seiner Familie in Oberösterreich verwurzelt: seine Mutter Hermine, wurde 1853 unter dem Mädchennamen Bergauer in Linz geboren; der Großvater Franz Xaver Bergauer nahm bei der k.k. Privilegierten Ersten Eisenbahngesellschaft eine wichtige Funktion beim Bau der Pferdeeisenbahn Linz-Budweis ein. Er lebte mit Musils Großmutter Emmeline Bergauer zunächst in der Eisenhandstraße, direkt in Sichtweite des "Aufsitzplatzes" der Pferdeeisenbahn, wo sich heute die OÖ. Landesgalerie befindet.

Als der Lokal-Direktor (später Betriebsinspektor) der Pferdeeisenbahn in den Ruhestand ging, zog die Familie in die Dametzstraße. Robert Musil beschäftigt sich mit der oberösterreichischen Verwandtschaft eingehend in seinem Essay "Die Entdeckung der Familie". Teile davon, wie die Beschreibung seines Onkels Moritz Bergauer, flossen auch in sein Hauptwerk "Der Mann ohne Eigenschaften" ein.

Wohnung beim Schloss Vogelsang in Steyr
Zwei Jahre nach Robert Musils Geburt zog die Familie nach Steyr, wo der Vater Alfred Musil ein Stellenangebot als Leiter der Versuchsanstalt für Stahl- und Eisenindustrie erhalten hatte. Die Wohnung lag unmittelbar beim Schloss Vogelsang in der Preuenhueberstraße. Robert Musil, der als hervorragender Schüler galt, besuchte in Steyr ab 1886 die Volksschule und später das Bundesrealgymnasium.

Erinnerungen an Oberösterreich
Erst viele Jahre später, als Soldat an der italienischen Front, setzte sich Musil mit seiner Zeit in Steyr auseinander. Die Kindheitserinnerungen und Episoden notierte er in seinem Tagebuch. Erwähnt werden zum Beispiel erzieherische Maßnahmen seiner Eltern und erste Liebeleien, etwa mit den Nachbarstöchtern Barber.

Dass Robert Musil seine Zeit in Oberösterreich prägte, lässt sich auch an einer Rezension von Richard Billingers Theaterstück "Der Knecht" (von 1924) erahnen, in dem er eine Reminiszenz auf das "Land der Mostschädel", in dem "irgendeine große Schönheit steckt" verfasste.

Eisenstadt, Mährisch-Weißkirchen, Wien, Brünn, Berlin
Musil besuchte ab 1892 die Militärunterrealschule in Eisenstadt und wechselte nach zwei Jahren auf die berühmte Kadettenschule Mährisch-Weißkirchen. Die Erfahrungen verarbeitete er in seinem Debütroman "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" (1906)

Nach der Schule besuchte er zunächst die Technische Militärakademie in Wien, entschied sich dann für ein Ingenieurstudium in Brünn, welches er 1901 abschloss. 1903 nahm er ein Studium der Philosophie und Psychologie in Berlin auf, wo er auch seine spätere Ehefrau Martha Marcovaldi kennenlernte. 1908 promovierte er zum Doktor der Philosophie.

Erster Weltkrieg: Einrücken in Linz
Wie viele Intellektuelle war Musil bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges zuerst von Begeisterung erfasst. In seinem patriotischen Aufsatz "Europäertum, Krieg, Deutschtum" schrieb er: "Wir haben nicht gewusst, wie schön und brüderlich der Krieg ist." Nur einen knappen Monat nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Robert Musil freiwillig und rückte am 20. August 1914 als Kriegsfreiwilliger beim Landsturmbezirkskommando Linz ein, nachdem er zuvor seine Familie in Oberösterreich besucht hatte.

In einem Brief vom März 1915 ermahnt ihn sein Vater Alfred zur "Duldsamkeit mit den Mängeln anderer, die man sie nicht fühlen lassen darf". Der "väterliche Rat" knüpft an eine Beobachtung:

"Ich habe bei Deinen wechselvollen Beziehungen zu den verschiedensten Menschen, mit denen Du dienstlich in Berührung kamst, die Erfahrung gemacht, daß Du stets in einen unliebsamen Gegensatz zu denselben gekommen bist und man Dich daher nie so einschätzen lernte, als Du es vermöge Deiner geistigen und sonstigen Eigenschaften verdient hättest; Du verlangst von den Menschen viel zuviel und bietest ihnen zu wenig. - Ich habe es auch in Linz gesehen, in Deinem Gruße anderer Offiziere, in dem allein schon so wenig Entgegenkommen und Verbindlichkeit lag, daß Dein Wesen den Eindruck der Arroganz hervorrufen mußte."

Grenzsicherung in Südtirol - Die Kriegseuphorie beginnt zu weichen
Robert Musil wurde anfänglich zur Grenzsicherung gegen Italien nach Südtirol ins Fersental (Palai) abkommandiert, wo es im Vergleich zu den erbitterten Kämpfen in Galizien verhältnismäßig ruhig war. Seine alltäglichen Beobachtungen und Tagebuchnotizen aus dem Palai flossen später in die Novelle "Grigia" (1921) ein.

Im September 1915 beschreibt er im Tagebuch einen Angriff italienischer Flugzeuge am Caldonazzo-See, bei dem ihn ein Fliegerpfeil nur knapp verfehlte. Die anfängliche Euphorie beginnt zu weichen. Musil spricht im Tagebuch von dem "Gefühl einer bösartigen Sinnlosigkeit" und "schwerer Traurigkeit". Er kämpfte in der Folge zwei Mal am Grenzgebiet des Isonzo (1915 und 1917), das sich zum Hauptkampffeld entwickelt hatte. Zu den verheerenden Schlachten notiert er: "Der Horizont rollt - lange Trupps Verwundeter auf Wagen und zu Fuß. Weiße Verbände mit roten Flecken."

Arbeit als Redakteur
1916, nach einem krankheitsbedingten Aufenthalt im Lazarett, arbeitete Musil als Redakteur für die "Tiroler Soldaten-Zeitung". Ab März 1918 wechselte er in das Kriegspressequartier in Wien. Er war verantwortlicher Schriftleiter für alle Ausgaben der patriotischen Wochenschrift "Heimat", die die "im Hinterland zutage tretenden destruktiven Strömungen" bekämpfte.

Opus Magnum "Der Mann ohne Eigenschaften"
Die Ausstellung im StifterHaus spannt den Bogen in Musils Leben, von der frühen Kindheit in Oberösterreich bis hin zum Ende des Ersten Weltkrieges.

Schließlich ist auch die ganze Romankonstruktion von Robert Musils Opus Magnum "Der Mann ohne Eigenschaften", das ihn nach dem Krieg von den 1920ern bis an sein Lebensende in Anspruch nehmen sollte, auf die Ereignisse und Stimmungen des Jahres 1914 und den damit verbundenen "Zusammenbruch der Kultur" angelegt.


Tod im Genfer Exil
Der Krieg als zivilisatorisches Ereignis sowie die Auflösung des Kaiserreichs beschäftigten Robert Musil bis zu seinem Tod im Genfer Exil am 15. April 1942, wohin er aufgrund der untragbaren Verhältnisse unter dem Regime der Nationalsozialisten geflüchtet war. Er starb damals weitgehend unbekannt.

Zur Ausstellung in Linz erscheint eine Begleitpublikation mit dem Titel:
"Geboren in Steyr. Eigentlich nicht ganz. Robert Musil 1880-1942" (Grafik: Gertrude Plöchl)
Die ursprüngliche Ausstellung "Der Gesang des Todes" Robert Musil und der Erste Weltkrieg wurde von Dr. Reinhard Wittmann und Karolina Kühn vom Literaturhaus München kuratiert und von Alexander Wöran für das StifterHaus adaptiert.

Gestaltung: unodue{ münchen: Costanza Puglisi & Florian Wenz, Carola Cless

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.stifter-haus.at

 

 

 

 

 

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