Graz (universität) - In der NS-Zeit wurden aus rassischen und ideologischen Gründen verfolgte BürgerInnen
und Institutionen ihrer Besitztümer beraubt. Dadurch gelangten nicht nur wertvolle Gemälde in andere
Hände, auch Bücher und ganze Bibliotheken wechselten auf verschiedenen illegalen Wegen den Besitz. Über
Dublettentausch, Geschenke oder Antiquariatskäufe erwarb die Grazer Universitätsbibliothek ebenfalls
zahlreiche enteignete Kulturgüter. Ein von den Vizerektoren Martin Polaschek und Peter Scherrer eigens initiiertes
und finanziertes Forschungsprojekt durchsucht die Buchbestände nach Nazi-Raubgut, um sie an die Nachfahren
der rechtmäßigen EigentümerInnen zu restituieren.
„Die Provenienzforschung liegt uns sehr am Herzen. Wir wollen damit einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung
leisten und unrechtmäßig in unseren Bestand geratene Werke so schnell wie möglich wieder zurückgeben“,
betont Rektorin Christa Neuper.
Zu diesem Zweck haben Dr. Birgit Scholz und Dr. Markus Helmut Lenhart seit September 2011 die Erwerbungen der Hauptbibliothek
der Jahre 1938 bis 1945 sowie alle bis inklusive 1945 erschienenen Bücher von sieben ausgewählten Institutsbibliotheken
genau unter die Lupe genommen. „Bisher konnten 120 Bände zurückgegeben werden. Weitere 63 wurden der
Bibliothek als Geschenk überlassen“, ziehen die ForscherInnen Bilanz. In zahlreichen Fällen konnten noch
keine Nachfahren ausgeforscht werden beziehungsweise laufen die Recherchen, ob es sich tatsächlich um Raubgut
handelt. Das Projekt wird daher bis 2017 fortgesetzt.
Einen Überblick über die bisher erfolgten Restitutionen ? unter anderem an die Nachfahren des Nobelpreisträgers
Otto Loewi und der ersten steirischen Nationalratsabgeordneten Martha Tausk ? sowie über den institutionalisierten
nationalsozialistischen Buchraub geben Scholz und Lenhart am 4. November 2015 ab 15 Uhr im großen Lesesaal
der Karl-Franzens-Universität. Ebenfalls referieren wird in diesem Rahmen der österreichische Historiker
Dr. Winfried R. Garscha, Ko-Leiter der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz am Dokumentationsarchiv
des österreichischen Widerstandes, über den Volksgerichtsprozess gegen Adolf Hitler im Jahr 1952.
Im Anschluss stehen die Vortragenden für Fragen zur Verfügung.
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