Registrierkassenpflicht landet jetzt
 vor dem Höchstgericht

 

erstellt am
02. 11. 15
10:00 MEZ

Drei steirische Unternehmer reichen mit Unterstützung der WKO Verfassungsbeschwerde ein.
Graz (wkstmk) - Mit 1. Jänner 2016 tritt die Registrierkassenpflicht in Kraft, das lässt in vielen heimischen Betrieben nach wie vor die Wogen hochgehen. Grund dafür sind die vielen offenen Fragen und die damit verbundene fehlende Rechtssicherheit bzw. der fehlende Investitionsschutz beim Kauf einer solchen Kasse. Darum haben sich nun mehrere steirische Unternehmen - die Tischlerei Pieber, das Gastronomie-Unternehmen Josef Wilhelmer sowie eine Schmuckdesignerin, die anonym bleiben will - mit Unterstützung der WKO Steiermark und von zwei renommierten Rechtsexperten, Professor Johannes Heinrich und Professor Klaus Poier, zu einer Verfassungsbeschwerde entschlossen. "Viele Details sind nach wie vor völlig offen. Wir pochen auf Klärung", betonen WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk und Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk.

Hauptkritikpunkt Nummer eins ist und bleibt die Verhältnismäßigkeit. Bisher legte die Barbewegungsverordnung eine Grenze von 150.000 Euro Jahresumsatz fest, ab 1. Jänner müssen Unternehmer bereits ab 15.000 Euro - davon 7.500 Euro in bar - eine Registrierkasse verwenden. "Für viele kleine Betriebe ist das unzumutbar. Nicht zuletzt deshalb, weil eine Umsatzsteuerpflicht erst ab Umsätzen von 30.000 Euro besteht und eine Einkommensteuerpflicht überhaupt erst ab einem Gewinn von 11.000 Euro zum Tragen kommt", schüttelt WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk den Kopf. Hauptkritikpunkt Nummer zwei ist die fehlende Rechtssicherheit bzw. der fehlende Investitionsschutz. Denn die Vorschriften für den sogenannten Manipulationsschutz bei Registrierkassen treten erst ab 1. Jänner 2017 in Kraft, der technische Startcode für die dafür notwendige Sicherheitseinrichtung soll mit 1. Juli 2016 vorliegen. "Was aber passiert mit jenen Registrierkassen, die in der Zwischenzeit gekauft werden und danach vielleicht wieder nicht dem Gesetz entsprechen?", fragt sich nicht nur Herk.

Viele offene Fragen, auf die es bis dato keine Antworten gibt. Aus diesem Grund hat die Bundespolitik nun auch "Straffreiheit" für die ersten sechs Monate nach der Einführung der Registrierkassenpflicht angekündigt. "Ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem nun weitere folgen müssen", so Herk. Denn der vorliegende Erlass bringe noch immer keine Rechtssicherheit, zahlreiche Details sind nach wie vor offen. Das zeigen auch die vielen Anfragen, die die Experten der WKO Steiermark tagtäglich bekommen: Mehr als 5.000 Unternehmer haben sich in den letzten Wochen und Monaten an ihre Interessenvertretung mit Fragen zur Registrierkassenpflicht gewandt. "Fragen, auf die wir oftmals keine Antworten geben können", kritisiert Herk. Aus diesem Grund unterstützt die WKO Steiermark - unter Federführung der Sparte Gewerbe und Handwerk - nun auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die von der Registrierkassenpflicht unmittelbar betroffen sind, bei den Individualanträgen auf Normenkontrolle, die beim Verfassungsgerichtshof einzubringen sind. Denn auch führende Rechtsexperten, wie Professor Johannes Heinrich vom Institut für Rechtswissenschaften der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt sowie Professor Klaus Poier vom Institut für Österreichisches, Europäisches und Vergleichendes Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre der Karl-Franzens-Universität, zweifeln an der Verfassungskonformität der Registrierkassenpflicht in der vorliegenden Form.

Konkret wurden bisher drei Individualanträge vorbereitet, weitere werden folgen, wie Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk berichtet: "Rechtssicherheit ist das Minimum, das jeder Unternehmer, ja jeder Staatsbürger, in einem Hochsteuerland wie Österreich verlangen darf. Darum unterstützen wir unsere Mitglieder selbstverständlich bei ihrem gerechtfertigten Anliegen auf Investitionsschutz. Denn derzeit können wir niemandem sagen, welche Kassensysteme in einem Jahr tatsächlich gebraucht werden. Aus diesem Grund haben wir nun die Verfassungsbeschwerde vorbereitet, aus unserer Sicht muss die Einführung der Registrierkassenpflicht um ein Jahr verschoben werden." In dieselbe Kerbe schlägt auch Herk: "Uns geht es nicht darum, die Registrierkassenpflicht grundsätzlich zu verhindern. Was wir fordern, ist lediglich eine ordnungsgemäße und rechtssichere Durchführung."

Professor Johannes Heinrich zur juristischen Vorgehensweise: "Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Umsatzverkürzungen zu bekämpfen und zu vermeiden, steht zweifelsohne im öffentlichen Interesse, doch stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden kann. Nach der Rechtsprechung des VfGH müssen gesetzliche Regelungen nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern auch verhältnismäßig sein. Wenn ein Unternehmer keine Umsatzsteuer schuldet und die Einkommensteuerpflicht seiner Gewinne fraglich ist, sind aufgebürdete Investitionskosten von mehr als 1.000 Euro für eine Registrierkassa und nachfolgende Servicekosten unverhältnismäßig, wenn eine lückenlose Erfassung von Umsätzen aufgrund der Belegerteilungs- und Einzelaufzeichnungspflicht bei Barumsätzen auch auf günstigere Weise, etwa durch Verwendung von Kassablöcken, erreicht werden kann. Einen Antrag auf Normenkontrolle an den Verfassungsgerichtshof kann jeder stellen, der behauptet, unmittelbar durch ein verfassungswidriges Gesetz in seinen Rechten verletzt zu sein, sofern das Gesetz ohne Erlass eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Die Nichterfüllung der Registrierkassenpflicht ist ab 1.1.2016 strafsanktioniert. Da es unzumutbar ist, einen Strafbescheid abzuwarten, wirkt die Registrierkassenpflicht bereits heute unmittelbar auf die betroffenen Personen.Die Anträge werden auf Aufhebung der Registrierkassenpflicht als solche lauten. Da der Verfassungsgerichtshof nur befugt ist, Gesetze aufzuheben, nicht aber abzuändern, kann der Verfassungsgerichtshof weder die Umsatzgrenzen für eine Befreiung von der Registrierkassenpflicht anheben, noch von sich aus das Inkrafttreten der Regelung nach hinten verschieben."

 

 

 

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