Drei steirische Unternehmer reichen mit Unterstützung der WKO Verfassungsbeschwerde ein.
Graz (wkstmk) - Mit 1. Jänner 2016 tritt die Registrierkassenpflicht in Kraft, das lässt in vielen
heimischen Betrieben nach wie vor die Wogen hochgehen. Grund dafür sind die vielen offenen Fragen und die
damit verbundene fehlende Rechtssicherheit bzw. der fehlende Investitionsschutz beim Kauf einer solchen Kasse.
Darum haben sich nun mehrere steirische Unternehmen - die Tischlerei Pieber, das Gastronomie-Unternehmen Josef
Wilhelmer sowie eine Schmuckdesignerin, die anonym bleiben will - mit Unterstützung der WKO Steiermark und
von zwei renommierten Rechtsexperten, Professor Johannes Heinrich und Professor Klaus Poier, zu einer Verfassungsbeschwerde
entschlossen. "Viele Details sind nach wie vor völlig offen. Wir pochen auf Klärung", betonen
WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk und Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk.
Hauptkritikpunkt Nummer eins ist und bleibt die Verhältnismäßigkeit. Bisher legte die Barbewegungsverordnung
eine Grenze von 150.000 Euro Jahresumsatz fest, ab 1. Jänner müssen Unternehmer bereits ab 15.000 Euro
- davon 7.500 Euro in bar - eine Registrierkasse verwenden. "Für viele kleine Betriebe ist das unzumutbar.
Nicht zuletzt deshalb, weil eine Umsatzsteuerpflicht erst ab Umsätzen von 30.000 Euro besteht und eine Einkommensteuerpflicht
überhaupt erst ab einem Gewinn von 11.000 Euro zum Tragen kommt", schüttelt WKO-Steiermark-Präsident
Josef Herk den Kopf. Hauptkritikpunkt Nummer zwei ist die fehlende Rechtssicherheit bzw. der fehlende Investitionsschutz.
Denn die Vorschriften für den sogenannten Manipulationsschutz bei Registrierkassen treten erst ab 1. Jänner
2017 in Kraft, der technische Startcode für die dafür notwendige Sicherheitseinrichtung soll mit 1. Juli
2016 vorliegen. "Was aber passiert mit jenen Registrierkassen, die in der Zwischenzeit gekauft werden und
danach vielleicht wieder nicht dem Gesetz entsprechen?", fragt sich nicht nur Herk.
Viele offene Fragen, auf die es bis dato keine Antworten gibt. Aus diesem Grund hat die Bundespolitik nun auch
"Straffreiheit" für die ersten sechs Monate nach der Einführung der Registrierkassenpflicht
angekündigt. "Ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem nun weitere folgen müssen",
so Herk. Denn der vorliegende Erlass bringe noch immer keine Rechtssicherheit, zahlreiche Details sind nach wie
vor offen. Das zeigen auch die vielen Anfragen, die die Experten der WKO Steiermark tagtäglich bekommen: Mehr
als 5.000 Unternehmer haben sich in den letzten Wochen und Monaten an ihre Interessenvertretung mit Fragen zur
Registrierkassenpflicht gewandt. "Fragen, auf die wir oftmals keine Antworten geben können", kritisiert
Herk. Aus diesem Grund unterstützt die WKO Steiermark - unter Federführung der Sparte Gewerbe und Handwerk
- nun auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die von der Registrierkassenpflicht unmittelbar betroffen sind, bei
den Individualanträgen auf Normenkontrolle, die beim Verfassungsgerichtshof einzubringen sind. Denn auch führende
Rechtsexperten, wie Professor Johannes Heinrich vom Institut für Rechtswissenschaften der Alpen-Adria-Universität
in Klagenfurt sowie Professor Klaus Poier vom Institut für Österreichisches, Europäisches und Vergleichendes
Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre der Karl-Franzens-Universität, zweifeln
an der Verfassungskonformität der Registrierkassenpflicht in der vorliegenden Form.
Konkret wurden bisher drei Individualanträge vorbereitet, weitere werden folgen, wie Hermann Talowski, Obmann
der Sparte Gewerbe und Handwerk berichtet: "Rechtssicherheit ist das Minimum, das jeder Unternehmer, ja jeder
Staatsbürger, in einem Hochsteuerland wie Österreich verlangen darf. Darum unterstützen wir unsere
Mitglieder selbstverständlich bei ihrem gerechtfertigten Anliegen auf Investitionsschutz. Denn derzeit können
wir niemandem sagen, welche Kassensysteme in einem Jahr tatsächlich gebraucht werden. Aus diesem Grund haben
wir nun die Verfassungsbeschwerde vorbereitet, aus unserer Sicht muss die Einführung der Registrierkassenpflicht
um ein Jahr verschoben werden." In dieselbe Kerbe schlägt auch Herk: "Uns geht es nicht darum, die
Registrierkassenpflicht grundsätzlich zu verhindern. Was wir fordern, ist lediglich eine ordnungsgemäße
und rechtssichere Durchführung."
Professor Johannes Heinrich zur juristischen Vorgehensweise: "Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Umsatzverkürzungen
zu bekämpfen und zu vermeiden, steht zweifelsohne im öffentlichen Interesse, doch stellt sich die Frage,
mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden kann. Nach der Rechtsprechung des VfGH müssen gesetzliche
Regelungen nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern auch verhältnismäßig sein. Wenn ein Unternehmer
keine Umsatzsteuer schuldet und die Einkommensteuerpflicht seiner Gewinne fraglich ist, sind aufgebürdete
Investitionskosten von mehr als 1.000 Euro für eine Registrierkassa und nachfolgende Servicekosten unverhältnismäßig,
wenn eine lückenlose Erfassung von Umsätzen aufgrund der Belegerteilungs- und Einzelaufzeichnungspflicht
bei Barumsätzen auch auf günstigere Weise, etwa durch Verwendung von Kassablöcken, erreicht werden
kann. Einen Antrag auf Normenkontrolle an den Verfassungsgerichtshof kann jeder stellen, der behauptet, unmittelbar
durch ein verfassungswidriges Gesetz in seinen Rechten verletzt zu sein, sofern das Gesetz ohne Erlass eines Bescheides
für diese Person wirksam geworden ist. Die Nichterfüllung der Registrierkassenpflicht ist ab 1.1.2016
strafsanktioniert. Da es unzumutbar ist, einen Strafbescheid abzuwarten, wirkt die Registrierkassenpflicht bereits
heute unmittelbar auf die betroffenen Personen.Die Anträge werden auf Aufhebung der Registrierkassenpflicht
als solche lauten. Da der Verfassungsgerichtshof nur befugt ist, Gesetze aufzuheben, nicht aber abzuändern,
kann der Verfassungsgerichtshof weder die Umsatzgrenzen für eine Befreiung von der Registrierkassenpflicht
anheben, noch von sich aus das Inkrafttreten der Regelung nach hinten verschieben."
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