Umfassende Schau zum 70. Geburtstag von Peter Sengl
Wien (leopoldmuseum) - Aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Sengl (* 1945) zeigt das Leopold Museum
von 30. Oktober 2015 bis 8. Februar 2016 die breit angelegte, retrospektive Schau "SENGL MALT", die auch
mit neuesten Arbeiten überrascht. Präsentiert werden rund 80 Werke des in Wien lebenden und schaffenden
Künstlers, Gemälde und Arbeiten auf Papier. Die Schau reicht von frühen Werken der 1960er Jahre
bis zu jüngsten, speziell für die aktuelle Präsentation entstandenen Arbeiten.
Radikal und offen: Anknüpfen bei Schiele und Kubin
Leopold Museum Sammlungskurator Franz Smola - unter dessen Ägide als interimistischer museologischer Direktor
des Museums die Sengl-Ausstellung ins Programm aufgenommen wurde - verortet im Werk von Peter Sengl zahlreiche
Anknüpfungspunkte zu der in der Sammlung Leopold vertretenen Kunst: "Blickt man auf die Provokationen
und Tabuüberschreitungen, die häufig in Sengls Werken anzutreffen sind, fühlt man sich an Egon Schieles
radikal offene Auseinandersetzung mit Nacktheit und Sexualität erinnert, die bei seinen Zeitgenossen auf Argwohn
und Unverständnis stieß. Sengls Bildwelten lassen aber auch an die bizarren Traumwelten von Alfred Kubin
denken."
Erste große Museumsschau in Wien nach 2001
Der Künstler ist mit seinen 70 Jahren hochaktiv, stellt mehrmals jährlich aus. Fast 15 Jahre sind
seit der letzten umfassenden retrospektiven Wiener Sengl-Ausstellung vergangen. Zuletzt war Peter Sengl 2001 im
Historischen Museum der Stadt Wien, dem heutigen Wien Museum, zu Gast. Sengls Werk hat sich seither weiterentwickelt
und dennoch gibt es Grundkonstanten in Œuvre und Wesen des Künstlers: Sengl arbeitet immer gegen den Strich,
verbindet das Figürliche mit surreal Abstrahiertem, konstruiert und fixiert die Elemente seiner Bilder.
Sengls Werk: Singulär und hellhörig
Ausstellungskurator Carl Aigner: "Im Kontext der bildenden Kunst Österreichs nach 1945 ist Peter
Sengls Werk singulär. Zu Recht ist es auch in keine der zeitgenössischen Kunstströmungen seit den
1970er-Jahren einzuordnen, schon gar nicht kann es als "abstrus" oder "kabarettistisch" abgetan
werden. Sengls Bilder sind hellhörige seismografische Befunde, zeitdiagnostische Erzählungen, die sich
einer ethischen Beurteilung entziehen, weil sie gewissermaßen Berichtstatus haben." Carl Aigner berichtet,
wie schwierig es gewesen sei, aus den tausenden Arbeiten des ungemein produktiven Künstlers auszuwählen:
"Wir haben uns entschieden, von der Gegenwart aus einen Blick zurück zu werfen, wir beginnen mit ganz
frühen Werken, zeigen die Arbeiten der 1960er und frühen 1970er Jahre, dokumentieren die gleichermaßen
vorhandene Leidenschaft für das Malen und das Zeichnen. Sengls Malerei ist Zeichnung. Seine Zeichnung Malerei.
Er schafft Räume mit der Malerei. Sein Œuvre ist außergewöhnlich in unserer "übermedieninformierten"
Welt. Sengl darf mit gutem Grund als postmoderner Künstler der ersten Mediengeneration bezeichnet werden."
Der Fundus des Künstlers
Aus welchem Fundus schöpft Peter Sengl für seine eigenwilligen, wundersamen Bildwelten? Carl Aigner
fand den Schlüssel in den Atelierschränken des Künstlers. Hier befindet sich ein "sorgfältig
angelegter und gehüteter Bilderatlas". Aus dem Steinbruch der (Kunst-)Geschichte wie aus den Bildarsenalen
von Printmedien entnimmt Sengl Versatzstücke und entwickelt aus ihnen eine "Strategie des Zitats".
Franz Smola: "Peter Sengl ist ein narrativer Künstler. Er bändigt mit seinen detailreichen Bildern
die mediale Bilderflut der vergangenen Jahrzehnte. Eines ist sicher: Die Bilder lassen niemanden kalt, sie gehen
unter die Haut."
Im Netzwerk animalischer Natur
Der thematische Fokus von Sengls Schaffen ist der Mensch im Netzwerk animalischer Natur und apparativer Existenz.
Sengls Interesse liegt im Ergründen der Beziehung zwischen Natur und Mensch, verbunden mit der Frage: "Was
ist ein Mensch?". Einerseits ist er bestrebt, die Natur zu beherrschen, mit ausgeklügelter Technik zu
kontrollieren, andererseits ist er selbst Teil der Natur. Sengls Mensch ist ein Maschinenwesen, seine Figuren sind
cyborgartige Wesen, Biomaschinen, eingespannt in Gerüste und Prothesen. Immer wieder bindet der Künstler
Tierdarstellungen in seine Kompositionen ein oder rückt diese in den Mittelpunkt. Carl Aigner: "Es gibt
hier keine Hierarchie. Die Tiere sind auf Augenhöhe mit den Menschen." Sein besonderes Interesse an Tieren
zeigte sich schon früh. Seit Peter Sengl in Wien lebt, ist er ständiger Gast im Schönbrunner Tiergarten.
Das Tierstudium, die Tieranalyse sind integrativer Bestandteil seines Schaffens.
Geschätzte Ikonen
Peter Sengl hat sich anlässlich seiner aktuellen Ausstellung die Sammlung des Leopold Museum noch einmal
genauer angesehen. "Er hat sich einiger Ikonen von der Jahrhundertwende bis in die 1920er Jahre angenommen,
ja mehr noch, sich ihrer bemächtigt. Damit hat er eine außerordentliche Serie für seine Retrospektive
gemalt", vermerkt Katalogautor Thomas Zaunschirm.
Im Unterschied zu anderen an der Kunstgeschichte angelehnten Bildern habe er sich nicht nur anregen lassen,
sondern sieben Werke aus der Sammlung Leopold paraphrasiert. Sengl nimmt dazu folgendermaßen Stellung: "Es
handelt sich nicht um Kopien, sondern um eine Auseinandersetzung mit dem Künstler in meiner Art, zu malen.
Ich vereinnahme deren Arbeiten, indem ich mich selbst ins Bild setze. Es ist immer ein Bild von mir."
Titel als literarische Miniaturen
Die Bedeutung der Bildtitel der Werke Peter Sengls ist signifikant. Sie stellen parallel zu den Bildern autonome
literarische Bilderweiterungen dar. Hier manifestiert sich der assoziative Werkcharakter in seinem Schaffen auf
besondere, außergewöhnliche Weise.
Sengls Werke: Bühnen eines Welttheaters
Sengls Werke sind nicht allein Bühnen der Kunstgeschichte, sondern Bühnen eines Welttheaters. Nicht
zuletzt die theatralischen Figurationen im Werke Sengls haben den ehemaligen Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg
- ihn verbindet eine langjährige Freundschaft mit Peter Sengl - dazu bewogen, die Eröffnungsrede zur
Ausstellung zu halten. Schottenbergs Text fand auch in den Katalog Eingang.
Biographisches
Peter Sengl wurde vor 70 Jahren im März 1945 südlich von Graz, in Unterbergla, Bezirk Deutschlandsberg,
geboren. 1963 ging er an die Akademie der bildenden Künste in Wien und studierte bei Sergius Pauser. 1965
lernte der junge Künstler im legendären Wiener Café Hawelka Susanne Lacomb kennen, seine spätere
Frau. Sie war und ist für den Künstler nicht nur oft »Modell« - in jeder Hinsicht -, sondern
bis heute auch wichtigster Begleiter seines künstlerischen Werdegangs. 1974 wurde Tochter Deborah geboren,
heute ebenfalls eine erfolgreiche Künstlerin.
Die erste Ausstellung Peter Sengls fand 1970 im Grazer Forum Stadtpark statt. 1971 folgte eine von Otto Breicha
(1932-2003) vermittelte Schau in der Künstlerhausgalerie in Wien. Bis heute realisierte Sengl zahlreiche Personalausstellungen
im In- und Ausland, unzählige Ausstellungsbeteiligungen unterstreichen den künstlerischen Rang von Peter
Sengl. Hervorzuheben sind u.a. die Einzelausstellungen in der Neuen Galerie (heute Lentos), Linz (1977), dem Austrian
Institute in New York (1980), dem Museum moderner Kunst (mumok), Wien (1988) sowie jene im Salzburger Rupertinum,
heute Teil des Museum der Moderne (1988), im Kunsthistorischen Museum, Wien (1995), dem Historischen Museum der
Stadt Wien (heute Wien Museum -2001) und in der Neuen Galerie, Graz (2004).
Der Katalog zur Ausstellung
Zur Ausstellung ist bei Brandstätter der umfassende von Carl Aigner und Franz Smola herausgegebene Katalog
"SENGL MALT. EINE RETROSPEKTIVE" mit Beiträgen von Carl Aigner, Michael Schottenberg, Franz Smola
und Thomas Zaunschirm erschienen. Das Buch umfasst 128 Seiten und ca. 100 Abbildungen, erhältlich zum Preis
von 19,90 Euro im Leopold Museum Shop.
Rahmenprogramm zur Ausstellung "Sengl malt"
Kurator Carl Aigner führt mit Peter Sengl am Donnerstag, 12. November, und am Donnerstag, 7. Jänner
2015, jeweils um 18 Uhr exklusiv durch die Ausstellung. Am Donnerstag, 12. November 2015 findet um 19 Uhr eine
Podiumsdiskussion mit Carl Aigner, Peter Sengl und Thomas Zaunschirm statt.
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