Schwache Auslandsnachfrage setzt
 Lebensmittelindustrie unter Druck

 

erstellt am
29. 10. 15
09:00 MEZ

2014 dämpfte ein Rückgang der Erzeugerpreise die Umsatzentwicklung 2014 – der Export stützte die Branchenkonjunktur
Wien (bank austria) - Österreichs Lebensmittelindustrie konnte sich nach dem wachstumsschwachen Wirtschaftsjahr 2014 bisher noch nicht nachhaltig erholen. Zwar ist die Lebensmittelproduktion 2014 um 0,9 Prozent und damit noch knapp über dem Durchschnitt der vergangenen sieben Jahre gestiegen, jedoch führten rückläufige Erzeugerpreise zu einem leichten Umsatzminus, wie der aktuelle Branchenbericht der Bank Austria Ökonomen zur Nahrungsmittelindustrie zeigt. Verantwortlich für die unterdurchschnittliche Performance der Branche – der Branchenumsatz erreichte im Vorjahr rund 16,4 Milliarden Euro – war 2014 vor allem die schwache Inlandsnachfrage. Preisbereinigt stagnierten in Österreich die Ausgaben für Nahrungsmittel, Getränke und Außerhausverpflegung. Die Branchenkonjunktur wurde vorwiegend von der Exportnachfrage getragen, die 2014 für ein Plus der Lebensmittelexporte von 4 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro und der Getränkeexporte von 1 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro sorgte. Mit Ausnahme von Obst und Gemüse(Zubereitungen) sind die Ausfuhren aller wichtigen Warengruppen im Lebensmittelbereich gestiegen.

2015 keine Wachstumsbeschleunigung erwartet
In den ersten drei Quartalen 2015 hat sich die Branchenkonjunktur beschleunigt. Das zeigen das Produktionsplus von 2,4 Prozent bis August und der Beschäftigungszuwachs von durchschnittlich 0,7 Prozent bis September. Allerdings hat sich der Preisdruck nicht gelockert und die Erzeugerpreise sind weiter gesunken, was dazu führte, dass die Lebensmittelindustrie insgesamt ein leichtes Umsatzminus verbuchen musste. Wichtige Determinanten der Inlandsnachfrage entwickeln sich uneinheitlich und lassen bis Jahresende keine Wachstumsbeschleunigung erwarten: Vor allem hat sich das Verbrauchervertrauen seit Sommer wieder erheblich verschlechtert und dämpft die positiven Signale, die vom Tourismus kommen, und in weiterer Folge die Lebensmittelnachfrage. Voraussichtlich werden die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte 2015 noch unter 1 Prozent steigen und erst 2016 wieder stärker zulegen. Zwar ist in Summe ist die Lebensmittelnachfrage wenig einkommens- und preisabhängig, da der Kauf von Lebensmittel zeitlich kaum verschoben werden kann. Jedoch passt sich kurzfristig und in geringem Umfang die Nachfrage an die Veränderungen der Einkommen und/oder der Arbeitsmarktbedingungen an. Beispielsweise wird als wichtigstes Motiv für Außer-Haus-Essen eine „gute finanzielle Situation“ genannt.

Im Gegensatz zu 2014 fehlt der Lebensmittelindustrie in diesem Jahr die Auslandsnachfrage. Im ersten Halbjahr sind die Lebensmittelexporte nominell um 1 Prozent gesunken. Auch schließt die sehr schlechte Beurteilung der Exportauftragslage eine Erholung der Exportnachfrage in den nächsten Monaten aus. „Die Lebensmittelproduktion wird 2015 das Ergebnis vom Vorjahr zwar übertreffen und ihren langfristigen Wachstumspfad von durchschnittlich 2 Prozent im Jahr wieder erreichen. Voraussichtlich kann die Branche aber erst 2016 auf Basis einer stärkeren In- und Auslandsnachfrage das stärkere Wachstum absichern“, fasst Bank Austria Volkswirt Günter Wolf die aktuelle Konjunktursituation zusammen.

Außenhandelsrechnung verschlechtert sich
Der exportorientierte Teil der österreichischen Lebensmittelerzeugung arbeitet seit Jahren überdurchschnittlich erfolgreich und hat wesentlich zum Branchenwachstum beigetragen: Von 2004 bis 2014 ist der Branchenumsatz um 3,5 Milliarden Euro gestiegen, die Lebensmittelexporte aus Österreich um 3,9 Milliarden Euro (inklusive Agrarprodukte und ohne Getränke). Bis 2009 hat sich auch Österreichs traditionell negative Außenhandelsrechnung mit Lebensmittel verbessert. Seither ist diese bis 2014 auf 1,25 Milliarden Euro jedoch wieder tiefer ins Minus gerutscht. Dazu Wolf: „Österreichs Außenhandelsdefizit mit Lebensmittel wächst deshalb, weil die Exportüberschüsse mit Milch- und Fleischwaren die höheren Importe mit Gemüse, Gewürzen und Fischen nicht mehr ausgleichen. Vor allem kann die überdurchschnittlich stark gestiegene Nachfrage der heimischen Konsumenten nach Obst und Gemüse nicht mehr durch eigene Produktionen gedeckt werden.“

Steigerung der Produktqualitäten verliert an Zugkraft
Für die Lebensmittelindustrie wird die Stärkung der eigenen Konkurrenzfähigkeit zunehmend zur Herausforderung. Nach der Öffnung des Lebensmittelmarktes mit dem EU-Beitritt sind die Außenhandelsströme und in weiterer Folge die Marktbereinigung rasch gestiegen. Zugleich hat sich die Konkurrenzfähigkeit der Branche verbessert, da sich die Hersteller spezialisieren mussten und auch auf billigere Rohstoffquellen zugreifen konnten. Der Anteil höher verarbeiteter Produkte im Angebot der österreichischen Lebensmittelindustrie und ihre Exporterfolge legten deutlich zu.

Gemessen an der Entwicklung der Produktwerte im Außenhandel, wächst der Verarbeitungsgrad der heimischen Lebensmittelexporte seit Jahren aber immer langsamer. Darüber hinaus dominieren in zentralen Exportsegmenten unverändert wenig verarbeitete Produkte den Warenkorb, während zunehmend höher verarbeitete Lebensmittel zu höheren Preisen importiert werden. Beispielsweise liegt der Exportwert von Molkereiprodukten aufgrund des hohen Rohmilchanteils mit durchschnittlich 1 Euro pro Kilo weit unter dem Importwert von 2,2 Euro pro Kilo. Diese Analyse der Außenhandelswerte liefert nur Hinweise auf den Anteil wenig verarbeiteter Produkte und stellt keinesfalls die hohe Qualität der Agrarrohstoffe aus Österreich in Frage. „Vorsichtig interpretiert, hat der Qualitätsaspekt im Lebensmittelexport zumindest im Branchendurchschnitt Wachstumsgrenzen erreicht“, fasst Wolf zusammen.

Nachfrage aus Osteuropa lässt nach
Trotz der sukzessiven Öffnung der Lebensmittelmärkte werden die Produkte noch überwiegend im engen regionalen Rahmen gehandelt: Mehr als die Hälfte der österreichischen Lebensmittelexporte werden nach Deutschland und Italien geliefert, 8 Prozent in die Schweiz und 15 Prozent in die neuen EU-Mitgliedsstaaten, davon zwei Drittel in die Nachbarländer Ungarn, Slowenien und Tschechien. Gemessen an den hohen Exportzuwächsen, profitierte Österreichs Lebensmittelindustrie überdurchschnittlich von der EU-Osterweiterung. Die Exporte in die neuen Mitgliedsländer sind seit 2004 um durchschnittlich 13 Prozent im Jahr und damit doppelt so rasch wie in die EU15 gestiegen. Der Exportanteil der NMS10 (Neue Mitgliedsstaaten) kletterte von 11 Prozent 2004 auf 17 Prozent 2014. Zum Teil beruhten die Exporterfolge auf den Versorgungslücken in den Lebensmittelmärkten, vor allem im Bereich höher verarbeiteter Waren, zum Teil auf dem hohen Restrukturierungsbedarf der lokalen Branchen. In den letzten Jahren sind die Zuwächse der Lebensmittelexporte in die Region wieder schwächer geworden. Die Restrukturierung der Branche in Osteuropa zeigt Erfolge und die Marktsättigung wächst. Von 2011 bis 2014 sind die Lebensmittellieferungen aus Österreich in die NMS10 nur mehr um durchschnittlich 2,5 Prozent im Jahr gestiegen, in die EU15 um 6,4 Prozent jährlich.

Demografie und Nachfragesättigung bremsen das Branchenwachstum, ohne es zu stoppen
Die Nahrungsmittelnachfrage wird im Wesentlichen von der Zahl der Konsumenten bestimmt, die in Österreich wie im Großteil Europas trotz hoher Zuwanderungszahlen zunehmend schwächer wächst. Gleichzeitig steigt der Anteil alter Menschen mit einem relativ geringen Kalorienbedarf. Dies führt dazu, dass der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel am Konsum der privaten Haushalte rückläufig ist, wobei die demografiebedingten, nachfragedämpfenden Effekte vom Sättigungsgrad der Konsumenten noch verstärkt werden. Vor drei Jahrzehnten verwendeten Haushalte in Österreich noch 26 Prozent ihres Budgets für Lebensmittel, Getränke, Restaurantbesuche und sonstiges Außer-Haus-Essen – 2014 wurden nur mehr 21 Prozent aufgewendet. Die fehlende Nachfragedynamik im Inland kann die Branche im Export nur zum Teil kompensieren – und hier auch nur in westeuropäischen Märkten mit ähnlichen Konsummustern. Nur in einzelnen osteuropäischen Ländern werden weiterhin bis zu 30 Prozent der Haushaltsbudgets für Lebensmittel, Getränke und Außer-Haus-Verpflegung ausgegeben. Auch wenn das hohe Niveau sehr oft mit den relativ niedrigen Haushaltseinkommen in den Ländern erklärt werden kann, weist es auf noch vorhandene Unterschiede im Konsumverhalten hin. „In der Region Osteuropa sollte die heimische Lebensmittelindustrie auch in Zukunft noch stärkere Wachstumsmöglichkeiten bieten, ebenso wie einzelne Unternehmen in außereuropäischen Märkten weiterhin reüssieren werden“, so Wolf abschließend.

 

 

 

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