Aktuelle Aussprache im Justizausschuss, Beschluss des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes
Wien (pk) - Für die Reform des Strafvollzugs braucht es keinen Ruf nach frischem Steuergeld. Justizminister
Wolfgang Brandstetter bekräftigte am 28.10. auch gegenüber den Abgeordneten des Justizausschuss es seine
von den Medien kolportierte Aussage und bekannte sich vielmehr dazu, zunächst die "Hausaufgaben"
zu machen und durch Strukturreformen den Eigenfinanzierungsgrad zu erhöhen. Bei der Reform des Maßnahmenvollzugs
zeigte er sich überdies zuversichtlich, dass es gelingen werde, die Vorschläge der diesbezüglichen
Expertengruppe zu verwirklichen.
Verabschiedet wurde in der Sitzung vom 28.10. schließlich ein Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz, das
die österreichischen Bestimmungen in diesem Bereich an die entsprechenden EU-Richtlinien anpasst. Auf der
Tagesordnung standen zudem auch eine Reihe von Oppositionsanträgen zu Themen wie Konsumentenschutz oder Vorratsdatenspeicherung,
die die Ausschussmehrheit allerdings jeweils vertagte.
Strukturreformen sollen Eigenfinanzierungsgrad erhöhen
Breiten Raum in der Aussprache des Ausschusses mit dem Minister nahmen die Themenbereiche Straf- und Maßnahmenvollzug
und Jugendstrafrecht ein. Was den Finanzierungsbedarf etwa bei den Reformvorhaben im Strafvollzug betrifft, betonte
Justizminister Brandstetter den Abgeordneten Albert Steinhauser (G), Nikolaus Scherak (N) und Christoph Hagen (T)
gegenüber, es gelte zunächst, vorhandene Rücklagen aufzulösen und darüber hinaus durch
Optimierung der bestehenden Standorte eine größtmögliche Eigenfinanzierung zu erzielen. Man werde
einige Liegenschaften veräußern, kündigte der Ressortchef an und zählte dabei auf die BIG
als wichtigsten Partner. Priorität räumte er auch dem Ausbau der Haftanstalten Simmering, Hirtenberg
oder Eisenstadt ein und merkte zudem an, die neue Haftanstalt im Großraum Wien gehöre für ihn jedenfalls
zum Pflichtprogramm. Die Notwendigkeit der Erweiterung der Haftkapazitäten erschloss sich für Brandstetter
allein schon aus der großen Zahl von inhaftierten Schleppern. Wie der Minister FPÖ-Abgeordnetem Johannes
Hübner mitteilte, befinden sich derzeit 240 Schlepper in Strafhaft und 285 tatverdächtige Schlepper in
U-Haft.
Was allgemein die Möglichkeit der Haftverbüßung von verurteilten Ausländern in deren Heimatstaaten
betrifft, sah Brandstetter keinen zusätzlichen Regelungsbedarf und meinte, die bestehenden Bestimmungen auf
europäischer Ebene würden ausreichen. Anderer Ansicht war FPÖ-Abgeordneter Christian Lausch, der
auf den Abschluss von Staatsverträgen zur Übernahme von verurteilten Ausländern zwecks Haftverbüßung
im Heimaltland drängte. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag (552/A(E)) der Freiheitlichen
wurde allerdings im weiteren Verlauf der Sitzung mehrheitlich vertagt.
Bei der Reform des Maßnahmenvollzugs steht Brandstetter voll hinter den Vorschlägen der dazu eingesetzten
Expertengruppe und bekannte sich vor allem mit Nachdruck zur Trennung von MaßnahmenpatientInnen und Häftlingen
des normalen Strafvollzugs. Als langfristiges Ziel kündigte er in diesem Zusammenhang die Schaffung von sozialtherapeutischen
Zentren für die Betreuung der MaßnahmenpatientInnen an.
Volle Unterstützung des Ministers findet auch der Grundsatz der Regierungsvorlage des Jugendgerichtsgesetzes,
bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Haft weitgehend durch alternative Maßnahmen zu ersetzen. Brandstetter
teilte die positive Einstellung von SPÖ-Abgeordneter Katharina Kucharowits bezüglich der Sozialnetzkonferenzen
und unterstrich, bisherige Erfahrungen in Modellversuchen hätten gezeigt, dass man sich damit auf dem richtigen
Weg befindet. Über die Zukunft des Bewährungshilfevereins Neustart müsse man sich keine Sorgen machen,
versicherte der Minister den Abgeordneten Nikolaus Scherak (N) und Albert Steinhauser (G). Wenn eine Finanzierung
aus dem Budget nicht gelingt, werde man Rücklagen auflösen.
Von den Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer (V) und Walter Rosenkranz (F) auf Maßnahmen gegen die islamistische
Radikalisierung in den Haftanstalten angesprochen, gab Brandstetter zu bedenken, es genüge nicht, bloß
den Kontakt mit einem jeweiligen Vertreter der eigenen Religion zu ermöglichen. Auch die bloße Separierung
von Häftlingen reiche nicht aus, es brauche vielmehr ein Bündel von Maßnahmen. Österreich
stimme sich jedenfalls mit anderen Staaten ab und stütze sich auf im Ausland gemachte Erfahrungen, teilte
der Minister unter Hinweis auf ein jüngst abgehaltenes Treffen in Brüssel mit.
Sammelklage: Brandstetter will sich an Best-Practice-Modellen orientieren
Bezüglich der Sammelklagen teilte Brandstetter die Einschätzung von SPÖ-Justizsprecher Johannes
Jarolim, wonach es notwendig sei, entsprechende Instrumentarien zu schaffen, um Rechtsverfahren mit einer großen
Zahl von Geschädigten zu erleichtern. Der Regierungsentwurf aus dem Jahr 2007 sei dabei allerdings aus heutiger
Sicht schon obsolet, gelte es doch auch, über neuartige Formen von Großverfahren nachzudenken und dabei
auch Best-Practice-Modelle aus dem Ausland zu berücksichtigen. Die Ankündigung Brandstetters, zur Ausarbeitung
von Regelungsvorschlägen eine Expertengruppe einzusetzen, war für die Regierungsparteien Anlass, einen
Initiativantrag (1365/A) von Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser auf Einführung eines Gruppenverfahrens
zur kollektiven Rechtsdurchsetzung zu vertagen.
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Weitere Themen: Mietrecht, Würde am Ende des Lebens
Bei der Mietrechtsreform, die von den Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger (S) und Philipp Schrangl (F) aufs Tapet
gebracht wurde, wartet Brandstetter nach wie vor auf eine Einigung zwischen den Bautensprechern der Regierungsparteien.
Wenn es einen mehrheitsfähigen Vorschlag gibt, dann werde man diesen in gesetzliche Formen gießen. Brandstetter
unterstrich schließlich auch einmal mehr seinen Standpunkt zu den Ergebnissen der Enquetekommission "Würde
am Ende des Lebens" und meinte, Instrumente wie Patiententverfügung oder Vorsorgevollmacht hätten
seine volle Sympathie. Vorsicht sei allerdings in Bezug auf eine Lockerung des strafrechtlichen Schutzes am Ende
des Lebens geboten. Der Minister verwies in diesem Zusammenhang auf Erfahrungen aus dem Ausland und stellte gegenüber
SPÖ-Mandatar Johannes Jarolim klar, für derartige strafrechtliche Liberalisierungen sei er nicht zu gewinnen.
EU-Harmonisierung bei Hypothekar- und Immobilienkrediten
Die Anpassung der österreichischen Bestimmungen an den Rechtsbestand der EU ist Gegenstand eines Hypothekar-
und Immobilienkreditgesetzes (843 d.B.), das die Abgeordneten mit S-V-G-T-Mehrheit verabschiedeten. Die neuen Bestimmungen
sehen nun vor allem Informationspflichten des Kreditgebers, eine verpflichtende Kreditwürdigkeitsprüfung
sowie eine Bedenkzeit für den Verbraucher nach Abgabe der Vertragserklärung vor, orientieren sich dabei
aber weitgehend an den geltenden innerstaatlichen Regelungen. Zudem erhält der Verbraucher nun eine Bedenkzeit
von mindestens sieben Tagen nach Erhalt des Kreditangebots. Auch steht dem Verbraucher in Hinkunft ein Rücktrittsrecht
zu, wenn er seine Vertragserklärung kurz nach Eingang der vorvertraglichen Informationen abgegeben hat.
Während Andreas Ottenschläger (V) von einer sinnvollen Anpassung im Sinne des Kreditnehmerschutzes und
der Transparenz sprach, erachtete Harald Stefan von den Freiheitlichen das in der Novelle neu geschaffene Rücktrittsrecht
als problematisch, zumal damit aus seiner Sicht ein Graubereich etwa für Treuhänder sowie Rechtsunsicherheit
geschaffen werde. Das Rücktrittsrecht müsse so formuliert sein, dass nicht in Rechte Dritter eingegriffen
wird, so sein Appell. Bedenken, die laut Ausschussobfrau Michaela Steinacker (V) bis zum Plenum erneut diskutiert
werden sollen, um eine praktikable Lösung zu finden, wie sie meinte. Prinzipiell gegen neue Rücktrittsfristen
wandte sich Johannes Jarolim (S). Georg Vetter (V) konnte keine möglichen Nachteile für Treuhänder
erkennen. Der Justizminister signalisierte grundsätzliches Verständnis für die Bedenken der FPÖ,
die Vorteile der Regelung würden dennoch überwiegen.
FPÖ fordert Beweislastumkehr bei Verfahren wegen Marktmissbrauchs
Eine Umkehr der Beweislast bei Verdacht des Marktmissbrauchs durch Energieversorgungsunternehmen sowie Unternehmen
des Lebensmittel- und Mineralölsektors schlägt FPÖ-Abgeordneter Herbert Kickl in einem Entschließungsantrag
(249/A(E)) vor und stützt sich dabei auch auf eine entsprechende Regierungsvorlage aus der vorangegangenen
Gesetzgebungsperiode. Ziel der Initiative ist es dabei, sachlich nicht gerechtfertigte Preiserhöhungen durch
marktbeherrschende Unternehmen zu verhindern. Aufgrund seltsamer Entwicklungen in der Preisgestaltung liege der
Verdacht nahe, dass sich "monopolartige große Unternehmen" zu Lasten der EndverbraucherInnen und
KonsumentInnen ein "Körberlgeld" verdienen, sagte Kickl. Es wäre auch nicht der erste Bereich,
in dem die Beweislastumkehr eingeführt wird, wie er Johannes Jarolim (S), der den Vorschlag als rechtlich
problematisch bewertete, sowie Werner Groiß (V), für den mit der Umkehrung der Beweislast in "Grundfeste
der österreichischen Rechtslage" eingegriffen würde, entgegnete. Kritik äußerte Albert
Steinhauser (G) gegenüber den Regierungsfraktionen. Es sei nicht nachvollziehbar, die Beweislastumkehr bereits
vor Jahren in einen Ministerialentwurf zu gießen sowie erneut in das Regierungsübereinkommen einzubauen,
das Vorhaben dann aber nicht umzusetzen. Der Antrag wurde schließlich mit Verweis auf die effiziente Arbeit
der Bundeswettbewerbsbehörde vertagt.
Grüne wollen finanzielle Unabhängigkeit für den VKI
Zum Thema Konsumentenschutz lag den Abgeordneten ein Antrag der Grünen (1376/A(E)) vor, in dem Albert Steinhauser
auf die finanziellen Probleme des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) verweist und eine Zweckbindung
von Geldbußen aus Kartellverfahren an den Verein vorschlägt. Als besonders wichtig erachten es die Grünen,
dass der VKI in Zukunft finanziell unabhängig ist. Ein Aspekt, für den sich auch Justizminister Brandstetter
aussprach. Deswegen habe er sich bei der Budgeterstellung auch für Direktmittel für den VKI eingesetzt,
wie er sagte. Der VKI soll gesichert bleiben, um Menschen auch weiterhin eine unentgeltliche Rechtsberatung sicherstellen
zu können und einen vereinfachten Zugang zu ihrem Recht zu geben, wie Berivan Aslan (G) klar machte. Mit Verweis
auf die geplante finanzielle Erhöhung von rund 2 Mio. € für den VKI im kommenden Budget wurde der Antrag
vertagt. Christoph Hagen vom Team Stronach sah damit den finanziellen Fortbestand nicht gesichert.
NEOS wünschen mehr Tempo bei der Reform des Maßnahmenvollzugs
Druck hinsichtlich einer Reform des Maßnahmenvollzugs machen die NEOS, wobei sie in einem Entschließungsantrag
(893/A(E)) vor allem darauf drängen, die Vorschläge der diesbezüglichen Expertenkommission zu berücksichtigen.
Wichtig ist für die NEOS jedenfalls die Einbindung des Gesundheitsministeriums, eine Verankerung von Qualitätsstandards
sowie eine strengere Trennung von Häftlingen und im Maßnahmenvollzug untergebrachten Personen. Die Initiative
wurde unter Hinweis der gestern von Brandstetter vorgestellten Maßnahmen zur Reform des Straf- und Maßnahmenvollzugs
vertagt.
NEOS gegen Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung
Auf Basis eines Entschließungsantrags (956/A(E)) deponierte NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak das Nein seiner
Fraktion zu einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung im Justizausschuss, zeigte sich aber gesprächsbereit
in Bezug auf eine grundrechtskonforme Nachfolgeregelung. In Frage kommt für die NEOS dabei das so genannte
Quick-Freeze-Modell, das die Datenspeicherung anlässlich eines konkreten Verdachts zulässt, den Abruf
aber nur nach richterlicher Überprüfung gestattet. Die Oppositionspartei schlug nun in einer Initiative
(664/A(E)) vor, diese Variante hinsichtlich ihrer Grundrechtskonformität von ExpertInnen prüfen zu lassen.
Schließlich wurden auch diese beiden Anträge vertagt. Es gebe hier noch großen Diskussionsbedarf,
wie Eva-Maria Himmelbauer für die ÖVP sagte.
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