Bundesratspräsident Kneifel: Erhalt des baukulturellen Erbes muss neue Wege gehen
Wien (pk) - Österreich verfügt über ein reiches Erbe an Baukultur, das einen unverzichtbaren
Bestandteil seiner nationalen Identität und Geschichte bildet. Die Erhaltung und Nutzung denkmalgeschützter
Objekt stellt jedoch EigentümerInnen, PlanerInnen und politische Verantwortliche vor immer neue Herausforderungen.
Bunderatspräsident Gottfried Kneifel lud deshalb am Nachmittag des 04.11. zur Veranstaltung "Die Zukunft
des baukulturellen Erbes" ins Parlament. In Vorträgen und Diskussionen mit Experten wurde versucht, auf
Problemlagen hinzuweisen und konkrete Lösungs- und Verbesserungsvorschläge zu präsentieren.
Österreichs Bauerbe als identitätsstiftender und wirtschaftlicher Faktor
Das "gebaute Erbe Österreichs" ist einerseits ein wichtiges Element der Identitätsstiftung.
Baudenkmäler sind jedoch auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, da sie eine der größten touristischen
Attraktionen des Landes darstellen, gab Kneifel in seiner Begrüßungsrede zu bedenken. Denkmalschutz
sei eine gesamtstaatliche Aufgabe für Bund, Länder und EigentümerInnen, sagte der Bundesratspräsident
und forderte einen proaktiven Zugang zur Erhaltung des kulturellen Erbes. Er sah die heutige Veranstaltung auch
als Vorbereitung auf das "Europäische Jahr des kulturellen Erbes", welches der Europarat für
2018 plant. Themen diese Jahres werden die kulturelle Vielfalt, die Auswirkungen des demographischen Wandels und
Fragen der Nachhaltigkeit sein.
Baudenkmälern droht Gefahr durch ökonomische Entwertung
Unter dem Titel "Situationsanalyse und Großwetterlage" hielt der oberösterreichische Landeskonservator
a.D. Wilfried Lipp ein Impulsreferat, in dem er die Perspektiven der Erhaltung des baukulturellen Erbes thematisierte.
Laut Bundesdenkmalamt umfasste dieses Erbe Ende 2014 insgesamt 37.597 Objekte in Form von unter Schutz stehenden
Baudenkmälern. Hinzu kämen jedoch noch zahlreiche Gebäude, die nicht unter Schutz stehen, die jedoch
Ortsbilder und Kulturlandschaft wesentlich prägen, erläuterte Lipp. Die als erhaltenswert betrachtete
Substanz umfasse daher schätzungsweise bis zu 10 % des Baubestands in Österreich.
Die zunehmende Dynamik der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung bringe neue Formen der Gefährdung
von historischer Architektur mit sich. Das Verständnis für ihren Wert gehe verloren, und individuelle
und ökonomische Interessen erhielten stärkeres Gewicht als das kollektive Interesse am Erhalt des Kulturerbes.
Die Gesetzgebung auf Landes- und Bundesebene könne sicherlich vieles zur Verbesserung der Situation beitragen,
meinte Lipp. Die Voraussetzung dafür sei jedoch ein klares Bekenntnis zum Wert des kulturellen Erbes. Als
Grundproblem sehe er allerdings, dass sich heute eine große Schere zwischen dem ideellen Wert und der materiellen
Bewertung von geschützten Bauten auftue. Für Eigentümer gestalte sich die wirtschaftliche Nutzung
von denkmalgeschützten Bauten daher oft schwierig und es fehle an Anreizen zu Investitionen. In diesem Bereich
müssten daher auch Banken und Versicherungen in die Überlegungen einbezogen werden, gab Lipp zu bedenken.
Denkmalschutz zwischen gesetzlichen Vorgaben und Praxis
Aus der Praxis des Denkmalpflegers berichtete außerdem Egon Greipl, Generalkonservator a.D. und Stadtrat
der Stadt Passau. Internationale Vergleiche über den Umgang mit der Erhaltung des baukulturellen Erbes stellte
der Wiener Bundesrat a.D. Albrecht Konecny an. Inwieweit Normen für den Umgang mit denkmalgeschützten
Objekten eine Nutzungshilfe oder eine Beschränkung darstellen, erörterte Burghauptmann Reinhold Sahl
(Burghauptmannschaft Österreich). Johannes Kyrle sprach als Obmann des Interessensverbandes "Land&Forst
Betriebe Niederösterreich" über den Umgang mit praktisch ertragslosem Eigentum. In seiner Zusammenfassung
der aufgeworfenen Fragen formulierte schließlich Georg Spiegelfeld-Schneeburg, Präsident der Gesellschaft
für Landeskunde und Denkmalpflege Oberösterreich, Ziele für eine moderne und sanfte Bewirtschaftung
des baukulturellen Erbes.
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