Delegation des italienischen Senats im Gespräch mit Parlamentariern und Bundesratspräsident
Kneifel
Wien (pk) - Die aktuelle Flüchtlingskrise in Europa, die Reform des parlamentarischen Kammersystems
sowie bilaterale Fragen standen am 12.11. im Mittelpunkt einer Aussprache zwischen Mitgliedern des Verfassungsausschusses
des italienischen Senats und österreichischen Politikern im Parlament. Delegationsleiterin Anna Finocchiaro,
Mitglied der Regierungspartei Partito Democratico, zollte dem ernsthaften Engagement Österreichs in der Flüchtlingsfrage
Anerkennung und verwies mit Nachdruck darauf, dass es sich dabei nicht um ein Problem einzelner Länder, sondern
um ein gemeinsames handle. Sie zeigte sich enttäuscht darüber, dass die am meisten betroffenen Staaten,
wie eben Italien, Griechenland oder Österreich, zu wenig Unterstützung von Seiten der Europäischen
Union erfahren. Besorgt zeigte sich Finocchiaro auch über das teilweise Schließen der Grenzen, weil
dies das große Risiko berge, dass die ganze Situation außer Kontrolle gerät. Italien habe eine
hohe Sensibilität in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte und des Prinzips der Gastfreundschaft, betonte
sie.
Der humanitäre Zugang Italiens in der der Flüchtlingsfrage habe Vorbildwirkung für ganz Europa,
betonte Bundesrat Gerhard Schödinger (V), der die Aussprache leitete. Ebenso wie Finocchiaro war er überzeugt
davon, dass diese Krise nur gemeinsam gelöst werden könne. Europa dürfe nicht nur ein Verteilerzentrum
von finanziellen Mitteln sein, sondern auch von menschlichen Werten. Er trat auch dafür ein, jene Länder
stärker in die Pflicht zu nehmen, die zwar von der ökonomischen Solidarität in der EU profitieren,
aber keine Verantwortung für Kriegsflüchtlinge übernehmen wollen. Abgeordneter Josef Cap (S) erhoffte
sich Fortschritte durch die Syrien-Konferenz in Wien und lobte die Bemühungen der EU-Beauftragten für
die Außenpolitik Federica Mogherini. Klar sei jedoch für ihn, dass alles getan werden müsse, damit
die Menschen in ihren Herkunftsländern entsprechende Lebensbedingungen vorfinden und gar nicht mehr zur Flucht
gezwungen werden. Außerdem sollten Hot-Spots in Nordafrika eingerichtet werden, schlug er vor.
Senatorin Finocchiaro konnte diesem Vorschlag einiges abgewinnen, weil man sich damit die mühevolle und kostspielige
Rückführung von abgelehnten Asylwerbern ersparen würde und auch dem Schlepperwesen, das für
so viele tausende Tote verantwortlich sei, die geschäftliche Grundlage entziehen könnte. Die Gäste
aus Italien interessierten sich zudem für die Pläne Österreichs in Bezug auf die Einführung
eines "Asyls auf Zeit" und der weiteren Vorgangsweise bei den Grenzkontrollen.
Abgeordneter Wolfgang Gerstl (V) zeigte sich erfreut darüber, dass nach langen Verhandlungen der Polizeikooperationsvertrag
mit Italien abgeschlossen werden konnte. Außerdem sprach er die Reform der italienischen Verfassung an, die
eine grundlegende Umgestaltung der zweiten Kammer, also des Senats, beinhaltet. Neben einer Verkleinerung von 320
auf 100 Senatoren, kommt es zu einer massiven Reduktion der Kompetenzen der zweiten Kammer: In Zukunft soll der
Senat nur noch für Verfassungsänderungen, Europafragen, ethische Themen, Minderheitenschutz und Referenden
zuständig sein. Für die autonomen Regionen ist auch eine Schutzklausel vorgesehen. Finocchiaro versicherte
Abgeordnetem Gerstl, dass auch Südtirol mit diesen Änderungen sehr zufrieden ist. Dieses Thema wurde
dann auch noch ausführlich mit Bundesratspräsident Gottfried Kneifel erörtert, der die italienischen
Gäste im Anschluss empfing. Vorgesehen ist weiters ein Gespräch mit Mitgliedern der Parlamentarischen
Gruppe Österreich-Italien.
Von österreichischer Seite nahmen an dem Gespräch noch die Abgeordneten Hannes Weninger (S), Rouven Ertlschweiger,
Gabriel Obernosterer (beide V), Christian Lausch (F), Christoph Hagen (T) sowie Bundesrat Werner Herbert (F) teil.
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