Ein Team internationaler ForscherInnen demonstrierte mit einem Experiment in der Wiener Hofburg
die Quantenverschränkung in bisher ungeahnter Genauigkeit
Wien (öaw) - In einer internationalen Zusammenarbeit rund um Quantenphysiker Anton Zeilinger gelang
es QuantenforscherInnen der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Fakultät für
Physik an der Universität Wien und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) Wien
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die von Albert Einstein einst als „spukhafte
Fernwirkung“ bezeichnete Verschränkung von Teilchen erstmals vollständig nachzuweisen. Darüber berichten
die ForscherInnen in einer Veröffentlichung auf der Open Access-Plattform http://www.arXiv.org,
die zeitgleich auch beim Fachblatt „Physical Review Letters“ eingereicht wurde.
Bei der „spukhaften Fernwirkung“ handelt es sich um ein Phänomen der Verknüpfung von kleinsten Teilchen
mit Besonderheiten, die mit unserer alltäglichen Weltanschauung nur schwer in Einklang zu bringen sind: Einerseits
haben Messungen an einem der Teilchen sofortige Wirkungen auf das andere Teilchen, selbst wenn die beiden weit
voneinander entfernt sind, wodurch es zu stark korrelierten Messergebnissen kommt. Andererseits sind, gemäß
der Quantentheorie, die gemessenen Eigenschaften der Teilchen bis zu ihrer Messung unbestimmt.
Bereits 1964 hatte der Physiker John Bell einen Vorschlag formuliert, wie sich diese Fernwirkung experimentell
überprüfen lasse. Bei allen bisherigen Experimenten zur Quantenverschränkung blieben aber stets
noch Schlupflöcher, sogenannte „loopholes“, bestehen. Nun aber gelang es ForscherInnen von Universität
Wien und ÖAW diese „loopholes“ mit einer speziellen Versuchsreihe im Keller der Wiener Hofburg zu schließen.
Die Erbringung dieses quantenmechanischen Mosaiksteins konnte damit in Wien und bei einem zeitgleich vom US-amerikanischen
National Institute of Standards and Technology (NIST) durchgeführten Experiment erreicht werden.
Bei ihrem Experiment in einem Kellergang der Wiener Hofburg gingen die ForscherInnen folgendermaßen vor:
Zunächst wurden Photonen paarweise erzeugt und in einem speziellen Aufbau miteinander verschränkt. Anschließend
wurden die beiden Lichtteilchen getrennt, um sie in optischen Glasfasern zu zwei, jeweils 30 Meter entfernten Messstationen
zu schicken. Während die Photonen auf dem Weg zu den Messstationen waren, wählte ein Zufallsgenerator
die Ausrichtung zur Messung der Polarisation, also der Richtung ihrer Schwingung. Schließlich wiesen neuartige
hochempfindliche supraleitende Detektoren die Photonen bei den Messstationen nach.
Durch die spezielle räumliche Ausrichtung und den zeitlichen Ablauf der einzelnen experimentellen Schritte
konnten die ForscherInnen in Wien die drei wichtigsten Schlupflöcher in einem Experiment schließen:
Zum einen ist es durch die räumliche Trennung der beiden Messstationen unmöglich, dass sich die Messapparate
durch Kommunikation, deren Geschwindigkeit durch die Lichtgeschwindigkeit limitiert ist, gegenseitig „absprechen“
können, um so die starke Korrelation der Messergebnisse zu erzeugen. Zum anderen wurde die Wahl der Messeinstellung
von einem Zufallsgenerator getroffen und zeitlich so arrangiert, dass Unabhängigkeit gewährleistet werden
kann. Und schließlich wurde mithilfe der hochempfindlichen Photonendetektoren und einer hocheffizienten Quelle
der verschränkten Teilchen sichergestellt, dass ein repräsentativer Teil aller erzeugten Teilchen auch
nachgewiesen werden konnte.
„Ein Experiment ohne Schlupflöcher ist gleichzeitig die Bestätigung, dass Quantenkryptographie wirklich
abhörsicher sein kann“, sagt Quantenphysiker Anton Zeilinger: „Unser Experiment war eine experimentelle tour
de force über mehrere Jahre. Das Resultat war nur möglich, weil das Experiment mehrere Komponenten zusammenbringt,
die den besten Stand der technologischen Entwicklung repräsentieren.“
Neben den ForscherInnen von Universität Wien und ÖAW waren auch WissenschaftlerInnen folgender Institutionen
an dem Experiment beteiligt: Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching bei München, Institutionen
för Systemteknik der Universität Linköping, ICFO – Institut de Ciencies Fotoniques, Barcelona, ICREA
-Institución Catalana de Investigación y Estudios Avanzados, Barcelona, Physikalisch-Technische Bundesanstalt,
Berlin, NIST -National Institute for Standards and Technology, Boulder/Colorado.
Die Forschungsarbeit wurde unterstützt von: European Research Council, FWF - Fonds zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung und Österreichische Akademie der Wissenschaften.
Publikation
Marissa Giustina, Marijn A. M. Versteegh, Sören Wengerowsky, Johannes Handsteiner, Armin Hochrainer, Kevin
Phelan, Fabian Steinlechner, Johannes Koer, Jan-Ake Larsson, Carlos Abellán, C Amaya, Valerio Pruneri, Morgan
W. Mitchell, Jörn Beyer, Thomas Gerrits, Adriana E. Lita, Lynden K. Shalm, Sae Woo Nam, Thomas Scheidl, Rupert
Ursin, Bernhard Wittmann, Anton Zeilinger (2015). A significant-loophole-free test of Bell's theorem with entangled
photons. arXiv:1511.03190
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