Mikl-Leitner: Grenzsicherung bis Ende der Woche geklärt – Aktuelle Europastunde im Nationalrat
Wien (pk) - Die Diskussion im EU-Hauptausschuss vom 10.11., wie man die derzeitigen Flüchtlingsströme
heute und in Zukunft bewältigen beziehungsweise verhindern könne, setzte sich am 11.11. im Plenum des
Nationalrats fort. "Aktuelle Herausforderungen der Flüchtlingsfrage erfordern europäische Lösungen",
war das Thema der Aktuellen Europastunde, das von der SPÖ vorgeschlagen worden war. Zum zweiten Mal nützten
österreichische EU-Abgeordnete die Gelegenheit, vor dem Nationalrat zu sprechen. Während Eugen Freund
(S) und Michel Reimon (G) betonten, dass Europa mit keiner Flüchtlingskrise, sondern mit einer Verteilungskrise
bzw. einer Krise der Nationalstaaten konfrontiert sei, und Othmar Karas (V) sowie Angelika Mlinar (N) an mehr Gemeinsamkeit
und Solidarität appellierten und damit für ein Mehr an Europa eintraten, sah Harald Vilimsky (F) die
EU als Ursache für das Problem.
Parteiübergreifend war man sich darüber einig, dass man auch für die Zukunft das Problem weiter
angehen und an den Wurzeln anpacken müsse, indem man Hilfsmaßnahmen finanzieller und diplomatischer
Natur in den betreffenden Krisenregionen setzt. Einige unterstrichen mit Nachdruck, dass eine nachhaltige Lösung
nur dann erfolgreich sein werde, wenn Europa auch seine Wirtschafts- und Handelspolitik vor allem gegenüber
Afrika ändert. Die Sicherung der EU-Außengrenzen ist für viele Abgeordnete ein Schlüsselfaktor
zur Bewältigung der derzeitigen Lage.
Faymann: Ursachenbekämpfung einzig richtige und nachhaltige Antwort
Auch Bundeskanzler Werner Faymann betonte, dass die Ursachenbekämpfung die einzig richtige und nachhaltige
Antwort in der Flüchtlingsfrage sei. Der am 11.11. begonnene EU-Afrika-Gipfel im maltesischen Valetta diene
dazu, Ansätze zu finden wie die Lebensverhältnisse der Menschen verbessert werden können. Das sei
angesichts des Ausmaßes von Hunger, Krieg und Verfolgung eine äußerst komplexe Aufgabe, die nicht
von heute auf morgen zu lösen sei. Nur eine internationale verstärkte Zusammenarbeit könne dazu
beitragen, Fluchtursachen zu beseitigen. Man fange aber spät damit an, räumte der Bundeskanzler ein,
so, wie man mit vielem zu langsam sei.
Faymann meinte damit unter anderem die Sicherung der EU-Außengrenzen, die Griechenland derzeit alleine nicht
gewährleisten könne. Eine Alternative dazu gebe es nicht, warnte er, denn andernfalls würde es in
Europa einen Wettbewerb um Zäune geben, die man auch gewaltbereit verteidige. "Ich möchte nicht,
dass dieses Europa zu einem Europa der Stacheldrähte wird!", so Faymann, denn das führe zu Feindschaft
und Hass gegenüber Nachbarn.
Im Hinblick auf die aktuellen Flüchtlingsströme sei man aber gefordert, die Menschen in der Region menschenwürdig
zu behandeln, damit sich diese nicht auf den Weg machen müssen. Die EU habe daher die Mittel für die
Entwicklungszusammenarbeit aufgestockt und auch Österreich werde sich an diesen internationalen Maßnahmen
beteiligen. Es gehe auch darum, Menschen Perspektiven zu geben, etwa durch den Bau von Schulen und anderer Infrastruktur,
und dafür sein die jetzt zur Verfügung gestellten Mittel viel zu wenig. Der Kanzler ging dann konkret
auf die Verhandlungen mit der Türkei ein, für die zwei bis drei Milliarden aus dem EU-Budget zur Verfügung
gestellt werden sollen, um die Lebensbedingungen der dort lebenden Flüchtlinge zu verbessern. Dabei habe man
darauf zu achten, dass die Mittel tatsächlich bei den Menschen ankommen, bekräftigte Faymann.
Grundsätzlich stehe die EU aber vor der großen Aufgabe, etwas zu schaffen, was es als gemeinsame Aufgabe
noch gar nicht gibt, betonte er, denn das Asylrecht sei eigentlich eine nationale Angelegenheit. Zum jetzigen Zeitpunkt
müssten aber alle Anstrengungen unternommen werden, die beschlossenen Maßnahmen rasch umzusetzen, und
das nicht nur in Europa. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Bundesländer, die mit Ausnahme von Wien
die Quote bei der Schaffung von Asylquartieren nicht erfüllen. Insgesamt fehlen mehr als 3.000 Plätze.
Daher sein Appell: "Wir verlangen von der EU, dass sie das Tempo erhöht. Ich verlange aber auch, dass
das Tempo in Österreich erhöht wird."
Mängel der EU-Politik in der Flüchtlingsfrage – EU-Abgeordnete zwischen Hoffnung und Kritik
Wie seine KollegInnen im Europäischen Parlament Othmar Karas (V), Michel Reimon (G) und Angelika Mlinar (N)
übte auch Eugen Freund (S) Kritik am Rat der EU, der ein solidarisches Vorgehen in der Flüchtlingsfrage
verzögere und nicht zustande bringe. Die nationale Engstirnigkeit verhindere die Lösungen, merkte Mlinar
an, die für eine gemeinsame Außenpolitik und eine europäische Armee, aber vor allem für mehr
Solidarität in Europa warb.
Alle vier stimmten mit dem Bundeskanzler überein, dass viel mehr Hilfe in den Krisenregionen angeboten werden
müsse. Die Probleme beginnen nicht an der Außengrenze, sondern dort, wo die Menschen leben, sagte etwa
Othmar Karas (V). Er ortete ein "beschämendes parteitaktisches Spiel" und warnte davor, Menschen
gegeneinander auszuspielen. Es gehe um Recht, Gerechtigkeit, Sicherheit und Barmherzigkeit, hielt Karas fest und
unterstrich, Europa könne und müsse das schaffen. Gefordert sei, die Verantwortung gemeinsam und geschlossen
wahrzunehmen. Anstelle von Scheinlösungen sollte man seine Energie in gemeinsame Lösungen investieren
und Maßnahmen setzen, um den Flüchtlingen ein menschenwürdiges Leben bieten zu können, stimmte
Mlinar in den Tenor ein. Europa wird und darf an diesem Problem nicht scheitern, appellierte auch Eugen Freund
(S) eindringlich und meinte, die jetzige Problematik werde man zwar sicherlich nicht mit der linken Hand lösen
können, mit rechten Parolen aber schon gar nicht. Er zeigte sich überzeugt davon, dass Integration kein
unüberwindbares Hindernis darstellt und ist sich mit dem Bundeskanzler darin einig, dass sich Europa mit einem
robusten, diplomatischen Auftreten auf internationaler Ebene ins Spiel bringen müsse, um das Problem an der
Wurzel zu packen. Vor allen müsse sich auch die USA ihrer Verantwortung für Syrien mehr bewusst sein.
Michel Reimon übte Kritik an der SPÖ und sah eine Divergenz zwischen verbalen Beteuerungen und politischem
Handeln. Er warf den Sozialdemokraten vor, bei der Verschärfung des Asylrechts mitgestimmt zu haben. Was die
Zahl der Flüchtlinge betrifft, die nach Europa kommen – derzeit ca. eine Million pro Jahr - , so hält
er diese Anzahl für bewältigbar angesichts der zwei Millionen Flüchtlinge in der Türkei.
Eine andere Sicht der Dinge brachte Harald Vilimsky seitens der Freiheitlichen aufs Tapet. Er hält zwar die
Bemühungen, die Menschen in der Region zu behalten für richtig, vertritt aber die Auffassung, dass die
EU nicht die Lösung bringen könne, sondern selbst die Ursache des Problems sei. Außerdem sei auch
die Eurokrise noch nicht vorbei, das werde derzeit nur verdrängt. Dem Bundeskanzler warf er vor, sich an Schlepperei
zu beteiligen und zeigte auch kein Verständnis für die ÖBB, die für den Transport der Flüchtlinge
den SteuerzahlerInnen 15 Millionen Euro in Rechnung stellt. Wer 10.000€ an Schlepper zahlen kann, der kann auch
20€ für die Bahn bezahlen, meinte er.
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Von Solidarität bis zur Einhaltung von Gesetzen
Wie sehr die Flüchtlingsfrage nationale, europäische und internationale Politik herausfordert,
zeigte auch die weitere Diskussion im Rahmen der Aktuellen Europastunde im Nationalrat. Viel war von Rechtsstaatlichkeit,
Kontrolle, Menschenrechten, aber auch von einem globalen wirtschaftspolitischen Umdenken die Rede.
SPÖ: Weniger Geld für unsolidarische EU-Mitgliedsländer
"Wir reden über Menschen in Not" (Andreas Schieder), "wir haben die Fluchtursachen zu bekämpfen
und nicht die Flüchtlinge", (Christine Muttonen) – das war der Tenor der Wortmeldungen seitens der SPÖ-Abgeordneten.
Während sich SPÖ-Klubobmann Schieder auf die aus seiner Sicht notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung
der aktuellen Flüchtlingskrise konzentrierte, spannten Christine Muttonen und Josef Cap einen Bogen auf die
globalen Herausforderungen. Die europäische Wirtschaftspolitik in Hinblick auf Afrika gefährdet Arbeitsplätze
und dortige Unternehmen, stellte Muttonen fest und forderte ein Umdenken. Ebenso ihr Klubkollege Josef Cap, der
eine Weltwirtschaftskonferenz für notwendig erachtet, mit dem Ziel, die globale Verteilung und den globalen
Handel so zu organisieren, sodass alle eine Lebensperspektive haben.
Was die aktuelle Problematik betrifft, so sprach sich Muttonen dezidiert gegen Zäune und Alleingänge
innerhalb der EU aus, denn das würde nur das Vertrauen zwischen den Mitgliedsstaaten erschüttern und
zu Instabilität, Unfrieden und Chaos führen, meinte sie. Sowohl Muttonen als auch Schieder halten es
aber für überlegenswert, Netto-Empfängern in der EU Mittel zu kürzen, wenn sie keine Solidarität
zeigen, und vertreten damit die Linie des Bundeskanzlers.
Klubobmann Schieder nannte als notwendige Maßnahmen unter anderem Notunterkünfte für Menschen auf
der Durchreise, Wartezonen und mehr PolizistInnen. Man müsse auch für eine geordnete Durchreise sorgen,
sagte er, und die Integration fördern, indem man bereits während des Verfahrens Kompetenzchecks und Qualifizierungsmaßnahmen
durchführt. An europäischen Regelungen für die Einwanderung forderte er die rasche Errichtung von
Hotspots und Verteilungszentren sowie eine faire Quotenverteilung ein und hält das Dublin-System für
reformbedürftig.
Der Außenpolitische Sprecher der SPÖ, Josef Cap, warnte in seiner Stellungnahme eindringlich davor,
sich im Rahmen eines Abkommens total in die Hände der Türkei zu begeben. Das wäre ein Beispiel für
andere Länder, für die Rücknahme von Flüchtlingen ebenfalls Geld zu verlangen. Dieser Auffassung
schloss sich auch Werner Amon von der ÖVP an. Einmal mehr sprach sich Cap gegen einen EU-Beitritt der Türkei
aus. Harte Attacken ritt er auch gegen Großbritannien. Das Land versuche, die EU zu erpressen, und hier müsste
man eindeutig Flagge zeigen, sagte er.
ÖVP: Österreich muss auch seine Hausaufgaben machen
Es liege an den RegierungschefInnen, einen Kompromiss zu schaffen, an dessen Ende die Solidarität steht, wiederholte
im Plenum der ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka seine Warnung vom gestrigen EU-Hauptausschuss. Wenn das nicht
gelingt, werde die EU zumindest weit zurück fallen, prophezeite er. Für Lopatka hat die Sicherung der
Außengrenzen Priorität, andernfalls müssten die Nationalstaaten das Heft in die Hand nehmen, sagte
er. Er unterstütze in diesem Sinne den Plan, auch an den österreichischen Grenzen entsprechende Vorkehrungen
zu treffen, um diese zu schützen und die Einreise zu kontrollieren. Lopatka nannte dies eine Notwehrmaßnahme.
Dem stimmte auch Werner Amon zu, der von einer Verantwortung gegenüber der eigenen Bevölkerung sprach.
Er wolle kein Europa der Zäune, sagte Amon, es gehe aber um den Rechtsstaat. Daher müsse man kontrollieren,
wer Anspruch auf Asyl hat. Österreich müsse seine Hausaufgaben selber machen, meinte er, man könne
sich nicht darauf verlassen, dass Probleme woanders gelöst werden.
Reinhold Lopatka lies in seiner Wortmeldung aber auch mit Kritik an Griechenland aufhorchen. Selbstverständlich
könne man Griechenland nicht alleine lassen, bekräftigte er, Griechenland müsse aber nun auch seine
Verpflichtungen wahrnehmen. Das Land habe in der Finanzkrise von den anderen Staaten Solidarität erfahren,
als NATO-Mitglied mit einem hohen Militärbudget könnte Griechenland durchaus seine 120 Schiffe zur Grenzsicherung
einsetzen. Diese Aussage brachte ihm scharfe Kritik von Grün-Abgeordneter Alev Korun ein, die ihm vorwarf,
Kriegsschiffe gegen Flüchtlinge einsetzen zu wollen.
FPÖ: Es gibt ein realpolitisches Versagen der EU
"Es gibt ein realpolitisches Versagen der EU", fasste FPÖ-Klubobmann Heinz Christian Strache seine
Kritik zusammen. Auch innerstaatlich sieht Strache Chaos, das den Namen Faymann trage. Der Bundeskanzler und die
Bundesregierung hätten die Verantwortung, österreichische Gesetze einzuhalten, sagte er, anstatt dessen
wisse man heute nicht, wen man hereinlässt. Der FPÖ-Klubobmann wiederholte seinen Vorwurf der Schlepperei
durch die Bundesregierung und hält die Errichtung von Zäunen für möglich und notwendig, um
eine illegale Einreise zu verhindern. Man zeige zwar mit Fingern auf die EU, schaffe es selbst aber nicht, Sicherheit,
Ruhe und Ordnung der österreichischen Bevölkerung zu gewährleisten, so der Vorwurf Straches.
Ähnlich argumentiert Johannes Hübner (F), der verlangte, die illegale Masseneinwanderung zu stoppen.
Diese passiere nur dort, wo man sie zulässt. Wer aus der Türkei zu uns komme, sei ein Einwanderer, denn
die Türkei sei ein sicheres Drittland, merkte er an. Hübner forderte mehr Realismus ein und den Menschen
keinen Sand in die Augen zu streuen.
Grüne: Europa soll ein Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts bleiben
Alev Korun wandte sich seitens der Grünen vehement dagegen, mit Zäunen und anderen Maßnahmen gegen
Flüchtlinge vorzugehen. Auch ihr Klubkollege Werner Kogler ist dezidiert gegen eine Union, wo wieder Schlagbäume
aufgestellt werden. Menschenrechte seien nicht verhandelbar, sagte er. In diesem Zusammenhang erinnerte Korun daran,
dass Europa als ein Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts konzipiert worden sei, nun müsse man
sich mit Ideen beschäftigen, wie man mit Kriegsschiffen gegen Flüchtlinge vorgeht. Ihre Kritik galt auch
der Bundesregierung, die - wie die Regierungen anderer Mitgliedsstaaten - jahrelang Solidarität gegenüber
Italien vermissen ließ. Jetzt, wo man selbst mit Flüchtlingsströmen konfrontiert sei, sei einem
die Problematik bewusst geworden und nun appelliere man an die Solidarität der anderen.
Ebenso vermisste Werner Kogler solidarisches Verhalten in der EU und sprach von einer Krise der "individuellen,
unsolidarischen Verhaltensweisen der Mitgliedsstaaten". Wir müssen die Zukunft gestalten wollen - und
wir können es, hielt Kogler fest. Korun forderte überdies, wie viel andere RednerInnen auch, eine andere
Wirtschaftspolitik, insbesondere auch eine faire Handelspolitik gegenüber Afrika ein, um den Menschen dort
die Lebensgrundlagen zu bewahren.
NEOS: Chancen der Zuwanderung maximieren, Risiken minimieren
Die Zuwanderung werde auch weiterhin stattfinden, stellte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz fest. Es gehe daher darum,
sich auf die Chancen zu konzentrieren und diese zu maximieren, gleichzeitig aber alles zu unternehmen, um die Risiken
zu minimieren. Strolz zeigte aus seiner Sicht kein Verständnis dafür, dass die Flüchtlingsströme
ungesteuert und ungeordnet nach Österreich gelangen und Österreich versuche, "sich am Nachbarland
abzuputzen". In diesem Sinne sprach sich Nikolaus Scherak (N) für legale Einreisemöglichkeiten aus,
er hielt es für zynisch, wenn Österreich durch eine Asylgesetznovelle den Familiennachzug verschärfen
will.
Auch Scherak geht die Umsetzung der EU-Beschlüsse zu langsam. Er drängte daher auf die baldige Einrichtung
von Hotspots in Griechenland und auf den Abschluss von Rückführungsabkommen. Bei der Zusammenarbeit mit
der Türkei dürfe man die Wahrung der Grundrechte nicht außer Acht lassen. Er sprach sich allgemein
für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und eine gemeinsame Asylpolitik aus. Strolz unterstützte
seinerseits das Bemühen um multinationale Infrastrukturprojekte in den Krisenregionen.
Team Stronach gegen Einladungspolitik
Ähnlich wie die Freiheitlichen zeigten die Redner vom Team Stronach kein Verständnis dafür, dass
man sich mit Ländern wie Pakistan, Somalia oder Ägypten solidarisch zeige, denn die Flüchtlinge
aus diesen Regionen kämen aus sicheren Drittstaaten, wie Robert Lugar (T) ausführte. Lugar übte
scharfe Kritik an der "Einladungspolitik" von Bundeskanzlerin Angela Merkel und sah dahinter das Kalkül,
für die Industrie neue Arbeitskräfte zu bekommen. Geht es nach Lugar braucht man keine neuen Zäune,
es genüge, diejenigen, die aufgegriffen werden, wieder zurück zu schicken. Christoph Hagen (T) bekräftigte
die Aussagen seines Klubobmanns und sprach sich für strenge Kontrollen an den nationalen Grenzen und an den
EU-Außengrenzen aus.
Ein Versagen der EU in der Flüchtlingsfrage orteten auch die beiden fraktionslosen Abgeordneten Jessi Lintl
und Rupert Doppler. Das europäische Friedensprojekt könne die Sicherheit nicht mehr gewährleisen,
beklagte Lintl und forderte ein Mehr an Europa. Sie warnte auch vor einer Anbiederung an die Türkei, von wo
aus die Schlepperorganisationen ungehindert agieren könnten.
Nur von einem Verteilungsproblem zu sprechen, geht für Doppler weit an der Realität vorbei. Auch er forderte
eindringlich die Sicherung der nationalen und EU-Außengrenzen ein und machte darauf aufmerksam, dass die
Polizei in Österreich an ihrer Leistungsgrenze angelangt ist. Asyl ist nur ein Schutz auf Zeit, so Doppler.
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Uneinigkeit im Nationalrat über angemessene Asylpolitik
Asylfragen beschäftigten das Nationalratsplenum nicht nur in der Aktuellen Europastunde mit Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner und bei der Behandlung des Sicherheitsberichts. Debattiert wurden brennende Themen wie Unterbringung
von AsylwerberInnen, Qualität des österreichischen Asylwesens, Dauer von Asylverfahren sowie Auswirkungen
von Asyl-Obergrenzen und temporären Grenzkontrollen auch anhand von Anträgen der NEOS und des Team Stronach.
Sämtliche Oppositionsanträge wurden zwar mehrheitlich abgelehnt, deutlich machten die Forderungen aber
einmal mehr die unterschiedlichen Haltungen der Fraktionen zur Flüchtlingssituation.
Während FPÖ und Team Stronach auf eine umfassende Sicherung der österreichischen Grenzen pochen,
konzentrieren die NEOS sich auf die Unterbringung von Asylwerbenden in Österreich. SPÖ und Grünen
warnen generell davor, gegen Flüchtlinge politisch zu agitieren. Die ÖVP ortet vor allem Probleme bei
der solidarischen Flüchtlingsverteilung in der Europäischen Union. Unstimmigkeiten zwischen den Koalitionspartnern
hinsichtlich Grenzsicherung sind Innenministerin Mikl-Leitner zufolge weitgehend ausgeräumt, bis Ende der
Woche sollten alle Detailfragen dazu geklärt sein.
NEOS fordern mehr Flexibilität bei Asylunterkünften
Zur raschen Lösung von Problemen bei der Flüchtlingsunterbringung schlagen die NEOS vor, dass privaten
Anbietern bereits im Zulassungsverfahren die Beherbergung von AsylwerberInnen ermöglicht wird, also unmittelbar
nach Stellung des Asylantrags. Derzeit ist gemäß der zwischen Bund und Ländern abgeschlossenen
Grundversorgungsvereinbarung der Bund für die Betreuung von AsylwerberInnen im Zulassungsverfahren und für
Dublin-Fälle zuständig. Das führt laut Antragsteller Nikolaus Scherak (N) in der Praxis zu unnötigen
bürokratischen Hürden. Im Vordergrund muss seiner Meinung nach die menschenwürdige Versorgung der
Betroffenen stehen. In diesem Zusammenhang solle es auch mehr Tempo bei der Schaffung winterfester Quartiere für
Flüchtlinge geben. Abgeordneter Rainer Hable (N) fordert in seinem Antrag Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
auf, die Verhandlungen mit Verteidigungsminister Gerald Klug über die Bereitstellung von Plätzen in leerstehenden
Kasernen zu intensivieren.
Das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nannte NEOS-Asylsprecher Scherak als Beispiel für das "massive Problem",
vor dem Österreich derzeit im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Unterkünften für Flüchtlinge
stehe. Obdachlosigkeit unter den Schutzsuchenden sei dort nur dank der Zivilgesellschaft zu verhindern. Dabei hätte
der Staat konkrete Möglichkeiten, Quartiere zu schaffen. Beispielsweise, indem das Angebot des Hoteliers Josef
Schellhorn (N), angenommen wird, weiterhin Asylsuchende in seiner Pension zu beherbergen, ungeachtet des Protests
vom ÖVP-Bürgermeister der betroffenen Gemeinde.
Schellhorn selbst sieht die Regierung in "Geiselhaft" des angesprochenen Bürgermeisters. Durch "Kleinkrämerei
und Feigheit" werde so eine menschenwürdige Unterbringung von AsylwerberInnen verhindert. Der ÖVP
warf der NEOS-Mandatar vor, als christlich-soziale Partei eine "Doppelmoral" zu leben, wenn das "Integrationsprojekt"
in seiner Unterkunft mit Ende November beendet wird. Völlig haltlos sei der Vorwurf an ihn, mit der Flüchtlingsunterbringung
nur Geschäfte machen zu wollen, empörte sich Schellhorn, der in diesem Zusammenhang auch die Haltung
der zuständigen Grünen Landesrätin kritisierte.
Abgesehen von Verbesserungen bei Flüchtlingsquartieren ist in den Augen der NEOS eine Evaluierung des gesamten
Asyl- und Fremdenrechts auf Basis umfassender Statistiken - etwa zur Verfahrensdauer - hoch an der Zeit. Zudem
seien die gesetzlichen Bestimmungen sehr undurchsichtig, denn "das Asylrecht wurde in den letzten Jahren immer
wieder novelliert", monierte Scherak. Fehlen würden weiters Statistiken darüber, inwieweit es anerkannten
Flüchtlingen gelingt, sich in Österreich zu integrieren, bzw. was mit ihnen nach Zuerkennung des Asylstatus
passiert.
Team Stronach tritt für verschärfte Asylkontrollen ein
Eine Erleichterung temporärer Grenzkontrollen verlangt das Team Stronach. Notwendig sei dies nicht nur aufgrund
einer steigenden Zahl illegaler Grenzübertritte infolge der Flüchtlingsankünfte, sondern auch zur
Abwehr ausländischer Diebsbanden. Derzeit würden Polizei und Militär an den Grenzen "überrannt",
sagte Christoph Hagen (T), von Kontrolle könne dabei keine Rede sein. Die Herkunft der Migrantinnen werde
nicht überprüft, und auch nicht, ob es sich bei ihnen um Kriminelle handelt. Eine verbesserte Kontrolle
sowie eine Beschränkung der Flüchtlingszahlen haben auch die Team Stronach-Anträge auf Abschluss
von Asylverfahren binnen 48 Stunden und auf Einführung einer Asyl-Obergrenze zum Ziel. Als Vorbild für
beschleunigte Asylverfahren dient Abgeordnetem Hagen das Schweizer Modell, wo ihm zufolge über Asylanträge
im genannten Zeitraum entschieden wird. Personen, die keinen Asylgrund vorweisen können, etwa reine Wirtschaftsflüchtlinge,
seien so rasch wie möglich wieder außer Landes zu bringen, um Platz für tatsächliche Kriegsflüchtlinge
zu schaffen und die akute Quartiernot zu mildern, appelliert er.
Letztendlich könne man der Lage aber nur Herr werden mit einer Begrenzung der zulässigen Zahl an Asylwerbenden
im Land, ist Hagen überzeugt. "Die Leute haben Angst", mahnte der Team Stronach-Politiker die Innenministerin,
entschieden für eine faire Flüchtlingsverteilung in der Europäischen Union einzutreten.
Grüne warnen vor Hetze gegen Flüchtlinge
"Eine Frage des politischen Willens und des Managements" ist die Bewältigung der heuer prognostizierten
95.000 Asylanträge für Alev Korun (G). In der Geschichte habe Österreich mehrmals bewiesen, mit
großen Flüchtlingszahlen umgehen zu können, beispielsweise mit der Aufnahme von 180.000 Ungarnflüchtlingen
1956 und 1957 oder in den 1990er Jahren, als mehr als 90.000 Menschen aus Bosnien ins Land kamen. Die meiste Angst
vor MigrantInnen bestehe dort, wo die einheimische Bevölkerung kaum Kontakt mit ZuwanderInnen habe, vermutete
die Grüne Asyl-Sprecherin und folgerte, die Politik müsse Berührungsängste abbauen, anstatt
Angst zu schüren. "Hetze ist immer viel einfacher", als vor Ort zu helfen, richtete sie speziell
der FPÖ aus.
Wie die Politik Privatengagement bei der Flüchtlingsunterbringung erleichtern sollte, damit setzte sich Matthias
Köchl (G) auseinander. Zwar bestehe jetzt schon die rechtliche Möglichkeit, Einzelzimmer an Asylwerbende
zu vermieten, doch scheiterten derartige Vorhaben oftmals an den bürokratischen Vorgaben, merkte er ähnlich
wie die NEOS an. Beispielsweise besäßen viele Flüchtlinge schlicht keine "weiße ID-Karte",
die für den Abschluss privater Mietverträge nötig sei. Insgesamt wünscht sich Köchl, Politik
und Wirtschaft würden auch Vorteile in den Flüchtlingsankünften sehen, etwa eine Chance zur Behebung
des Fachkräftemangels. "Schreckensbilder" durchreisender Asylsuchender an den Bahnhöfe würden
hingegen nur der Abwehrhaltung nützen.
FPÖ vermisst klares Vorgehen der Regierung
Die jüngste koalitionäre Debatte über Grenzzäune zeige die "Verantwortungslosigkeit"
der Regierung, meinte Gernot Darmann (F). SPÖ und ÖVP trügen ebenso wenig wie die Europäische
Union dazu bei, die Ängste und Sorgen der heimischen Bevölkerung angesichts der Flüchtlingslage
ausräumen. Vielmehr werde aufgrund mangelhafter Grenzsicherung nach wie vor nationales und internationales
Recht gebrochen, war der FPÖ-Sprecher für den Bereich Inneres einer Meinung mit dem Team Stronach, auch
hinsichtlich der Notwendigkeit einer Begrenzung der zulässigen Höchstzahl von Asylverfahren im Land.
Mit Blick auf internationale Vorkehrungen riet er zu einer Neuverhandlung der Genfer Flüchtlingskonvention,
um der aktuellen "Völkerwanderung" zu begegnen, sowie zu mehr Sachleistungen an Staaten in Not,
damit weniger Wirtschaftsflüchtlinge ins Land kommen. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) zog nach, die Bevölkerung
fühle sich unzureichend über die Einrichtung von Flüchtlingsquartieren in den Gemeinden informiert.
Jene, die berechtigte Ängste äußern, würden eingeschüchtert.
Österreich solle sich ein Beispiel an der Schweiz nehmen, wo Anträge Asylsuchender viel rascher erledigt
würden, stimmte Günther Kumpitsch (F) in diesem Punkt dem Team Stronach zu. Nicht zuletzt den AsylwerberInnen
selbst würde dies nützen, da sie nicht mehr übermäßig lange auf ihre Asylverfahren warten
müssten. "Sie haben es in der Hand, diese Maßnahmen umzusetzen, wenn sie wollen", forderte
er Ministerin Mikl-Leitner zum Handeln auf. Der FPÖ-Warnung vor "unkontrolliertem Zuzug" schlossen
sich die fraktionslosen Abgeordneten Gerhard Schmid und Rupert Doppler an. Einiges abgewinnen konnte Schmid allerdings
auch dem Gedanken der NEOS, leerstehende Kasernen des Bundesheeres als winterfeste Quartiere für Asylwerbende
bereitzustellen. Doppler wiederum übte harsche Kritik an der Bundesregierung, die Bevölkerung nicht ausreichend
vor den "vermehrten Flüchtlingsströmen zu schützen". Das Durchgriffsrecht des Bundes sieht
er als falsches Mittel zur Problemlösung.
ÖVP ruft zur solidarischen Verteilung Asylsuchender auf
Nikolaus Prinz (V) hinterfragte grundsätzlich, inwieweit die einzelnen Abgeordneten in ihren Heimatgemeinden
tatsächlich zur Lösung von Schwierigkeiten bei der Flüchtlingsunterbringung beitragen. Der ÖVP-Mandatar
rief das gesamte Plenum zu "mehr Mut, Verantwortung zu übernehmen" auf. Vehement verteidigten die
Redner der Volkspartei Innenministerin Mikl-Leitner gegen alle Vorhaltungen. Nicht nur habe die Ministerin schon
frühzeitig auf die derzeitige Entwicklung hingewiesen, erinnerte Michael Hammer (V), sie habe auch notwendige
Taten sprechen lassen, beispielsweise bei den eingeforderten temporären Grenzkontrollen. Das "Stimmungsbild
zwischen Willkommenskultur und Populismus" in der heimischen Politik sei hier nicht dienlich, zumal das Problem
nur gesamteuropäisch zu lösen sei, angefangen mit einer fairen Verteilung Asylsuchender unter den EU-Mitgliedsländern.
Ja zur Hilfe, wo nötig, nein zum Missbrauch, beschrieb Gabriel Obernosterer (V) seien Zugang zur Asylpolitik,
wobei er ebenfalls festhielt, die Regierung setze bereits eine Reihe der Anregungen aus den behandelten Oppositionsanträgen
um. Als Möglichkeit, die Attraktivität Österreichs als Flüchtlingszielland zu mindern, schlug
er eine Anpassung der heimischen Sozialleistungen an europäische Durchschnittswerte vor.
SPÖ für politischen Schulterschluss in Flüchtlingsfrage
Die Flüchtlingswelle stelle Politik und Zivilgesellschaft vor große Herausforderungen, räumte Anton
Heinzl (S) ein, doch dürfe daraus nicht parteipolitischer Profit geschlagen werden. Ausdrücklich lobte
der Sozialdemokrat das Wirken freiwilliger HelferInnen bei der Flüchtlingsversorgung, gemäß der
Maxime "Ängste nicht in Gehässigkeit sondern in Menschlichkeit umwandeln". Der Bau eines Zauns
bilde dagegen keine dauerhafte Lösung, zumal westliche Industriestaaten immer noch an Waffenlieferungen in
Krisengebiete verdienen würden, wie Heinzl feststellte. Auf die Forderungen der NEOS ging Ulrike Königsberger-Ludwig
(S) im Detail ein, als sie die Ablehnung ihrer Partei erklärte. Hinsichtlich Wohnraum für Asylberechtigte
gehe es vorrangig darum, die Zulassungsverfahren möglichst schnell abzuhandeln, für Flüchtlinge
beziehbare Kasernen seien schon mit Schutzsuchenden belegt. Durchaus positiv steht sie zu einer Evaluierung des
Asylrechts, allerdings erst, wenn Zeit dafür besteht.
Im Moment gelte es, die aktuellen Herausforderungen zu lösen, auf nationaler, europäischer und weltweiter
Ebene, betonte die Sozialdemokratin. Maßgeblich sei dazu die Schaffung eines wirksamen Einreisesystems in
die Europäische Union anstelle der Dublin-III-Verordnung. SPÖ-Mandatar Jürgen Schabhüttl gab
zu bedenken, im Moment sei es unmöglich zu sagen, wie lange die Flüchtlingsbewegungen noch andauern.
Vor diesem Hintergrund sei ein politischer Schulterschluss geboten und Wirtschaftsflüchtlingen klar zu machen,
dass sie keine Chance auf Asyl haben.
Innenministerin Mikl-Leitner kündigt Maßnahmen für kontrollierte Grenzübertritte an
"In vielen Bereichen sind wir am Limit", besonders bei der Unterbringung von Flüchtlingen, hielt
Innenministerin Mikl-Leitner fest. Rund 445.000 Schutzsuchende seien seit Anfang September ins Land gekommen bzw.
durchgereist und im Oktober habe man mehr als 10.000 AsylwerberInnen registriert, was Österreich eindeutig
zu einem Transit- und Zielland der Flüchtlingsbewegungen mache. Angesichts der Herausforderungen, vor denen
Politik, Polizei, Bundesheer und Zivilbevölkerung derzeit stünden, verdeutlichte die Ministerin, an der
Rückführungspolitik von MigrantInnen gemäß Dublin-System sei festzuhalten, wie auch Deutschland
nun signalisiere. Dadurch könne für jene Platz geschaffen werden, die tatsächlich schutzbedürftig
sind.
Kein Zweifel besteht für Mikl-Leitner darin, dass die Europäische Union beim Flüchtlingsthema Maßnahmen
setzen muss, von der Schaffung legaler Einreisemöglichkeiten und Sicherung der Außengrenzen bis hin
zu Investitionen in die Herkunftsländer und in Flüchtlingscamps rund um Krisenregionen. Bis Einigungen
auf EU-Ebene dazu vorliegen, setze sie auf "klare Konzepte für nationale Maßnahmen" wie Asyl
auf Zeit und beschränkten Familiennachzug, vor allem für subsidiär Schutzbedürftige. Keinesfalls
dürften besorgte BürgerInnen als RassistInnen gebrandmarkt werden, unterstrich Mikl-Leitner und bekannte
sich dazu, Ängste in der Bevölkerung ernst zu nehmen. Die Regierung habe sich deswegen heute auf Maßnahmen
für kontrollierten Zutritt an den österreichischen Grenzen geeinigt, die inhaltlich im Detail bis Ende
der Woche festgelegt würden. Öffentliche Ordnung und Sicherheit blieben dadurch gewährleistet.
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