Nationalrat diskutiert Dringliche Anfrage zu Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik sowie zur
Flüchtlingskrise
Wien (pk) – Die Dringliche Anfrage des Team Stronach mit dem Titel "Wo ist Kanzler Faymann? - Österreich
in der gefährlichsten Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Flüchtlingskrise seit 1945", sei ein Rundumschlag
ohne Tiefgang und eine "Kraut- und Rübenmischung" – diesen Vorwurf musste sich Klubobmann Robert
Lugar am 11.11. in der weiteren Plenardebatte über seine Anfrage des Öfteren anhören. Seitens der
Regierungsparteien wurde ihm zudem vorgehalten, er mache Österreich schlecht, und das wirke sich negativ auf
die Wirtschaft aus, denn ein wesentlicher Faktor für Wirtschaftswachstum und damit Beschäftigung sei
auch Vertrauen. Dem hielt Lugar entgegen, seine Kritik habe sich nicht gegen die Bevölkerung und die Arbeit
der Betriebe gerichtet, sondern gegen den Bundeskanzler. Das Team Stronach habe die Versäumnisse der Regierung
angesprochen.
Grün-Abgeordnete Alev Korun nützte die Diskussion für einen Appell zur Zusammenarbeit und zu einer
besseren Diskussionskultur. Sie sei frustriert über die respektlose Sprache, sagte sie, und würde sich
mehr Kooperation und Gemeinsamkeit wünschen, um Dinge zu verändern. Dieser Kritik schloss sich auch Nikolaus
Alm von den NEOS an.
SPÖ und ÖVP: Regierung entlastet Betriebe und ArbeitnehmerInnen
Die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP räumten ein, dass man nicht zuletzt wegen der lang anhaltenden
Finanz- und Wirtschaftskrise und der Flüchtlingsproblematik vor großen Herausforderungen stehe. Sie
ließen aber den Vorwurf der Untätigkeit in keiner Weise gelten. In diesem Sinne erinnerten Ulrike Königsberger-Ludwig
(S), Walter Schopf (S) und Brigitte Jank (V) an die beschlossenen Maßnahmen zur Konjunkturentwicklung. Im
Mittelpunkt standen dabei die Steuerreform, die Wohnbauoffensive, die Senkung der Lohnnebenkosten, die Ausbildungsgarantie
und Ausbildungspflicht sowie allgemein die aktive Arbeitsmarktpolitik. Königsberger-Ludwig verteidigte vor
allem die Sozialpartnerschaft, die immer für einen Interessenausgleich sorge, und Schopf hob den hohen Stand
der sozialen Sicherheit in Österreich hervor. Der Leistungskatalog der Krankenkassen werde ständig erweitert,
erinnerte er und wies darauf hin, dass der Verwaltungsaufwand der Sozialversicherung mit 2,7% sehr niedrig sei.
Mit der Steuerreform findet eine Entlastung des Faktors Arbeit statt, zeigte sich Christoph Matznetter (S) überzeugt.
Auch die Senkung der Lohnnebenkosten wird ihm zufolge eine wesentliche Unterstützung für die Klein- und
Mittelbetriebe darstellen. Matznetter warnte zudem vor einer unüberlegten Form der Gewerbeordnung, wie dies
vor allem die FPÖ fordert. Man habe dafür zu sorgen, dass Qualitätsberufe erhalten werden, argumentierte
Matznetter.
Brigitte Jank (V) zitierte die letzte Analyse des Wifo, die – wenn auch nur leicht – einen Weg nach oben aufweist.
So habe im dritten Quartal der Export zugelegt, die Tourismuswirtschaft befinde sich auf einem neuen Höchststand,
die Inflation sei niedrig und das BIP gegenüber dem Vorquartal um 0,3% gewachsen. Dieses zarte Pflänzchen
dürfe man durch Schlechtreden nicht gefährden, mahnte sie und meinte, die Erholung der Wirtschaft brauche
auch Geduld. Ihr Klubkollege Nikolaus Prinz (V) thematisierte den Wirtschafts- und Arbeitsplatzfaktor Landwirtschaft,
der einen Produktionswert von 8,54 Milliarden Euro aufweist. Die bäuerliche Familien investieren ihm zufolge
jeden Euro in die regionale Wirtschaft, daher sei es notwendig, die ländlichen Regionen durch entsprechende
Unterstützungen der Landwirtschaft abzusichern.
Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe sorgt für Misston in der Koalition
Einen kritischeren Ton schlug Kathrin Nachbaur (V) an, die vor allem die Forderung Faymanns nach einer Wertschöpfungsabgabe
einer harten Kritik unterzog. Der technische Fortschritt könne trotz Besteuerung nicht aufgehalten werden,
eine solche Steuer schaffe auch keine Arbeitsplätze und bestrafe nur Investitionen. Nachbaur beklagte allgemein
den Rückgang der Investitionen aufgrund von Basel III, die hohen Steuern und hohen Arbeitskosten sowie die
übermäßige Bürokratie. Die SPÖ glaube offenbar, dass in den Unternehmen die gebratenen
Tauben herumfliegen, meinte die ehemalige Team Stronach Abgeordnete nun als Mitglied des ÖVP-Klubs in Richtung
des Koalitionspartners.
Die Argumente der Opposition
Anhand detaillierter Zahlen aus der Arbeitslosenstatistik versuchte Peter Wurm (F) die Versäumnisse der Regierung
in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik darzulegen. Seine Forderungen gehen in Richtung spürbarer Senkung
der Lohnnebenkosten und der Steuerlast für Unternehmen, der Beschränkung des Arbeitsmarkts für AusländerInnen
und einer Entbürokratisierung. Vor allem fordert die FPÖ eine echte Bildungsreform. Ins gleiche Horn
stieß Klubkollege Bernhard Themessl, der meinte, die Gegenfinanzierung bringe nur Belastungen.
Einen eindringlichen Appell, die Reform des Bundesvergabegesetzes nicht zu blockieren, richtete Birgit Schatz seitens
der Grünen vor allem an Tirol. Durch die neuen Bestimmungen soll das Billigstbieterprinzip vom Bestbieterprinzip
abgelöst werden, wodurch vor allem Firmen in der Region und jene mit älteren ArbeitnehmerInnen profitieren
würden. Der Tiroler Landesregierung sei das offenbar zu viel Arbeit, sagte sie, was doch nicht sein könne.
Wolfgang Pirklhuber G) wiederum brachte das geplante transatlantische Abkommen zwischen der EU und den USA (TTIP)
zur Sprache und sah darin eine Gefahr für die ArbeitnehmerInnen und die Klein- und Mittelbetriebe. Durch die
sogenannte regulatorische Kooperation sollen Konzerne direkten Zugriff auf gesetzliche Entscheidungen bekommen,
und hier müssten die ParlamentarierInnen Flagge zeigen, forderte er seine KollegInnen im Nationalrat auf.
Leopold Steinbichler (T) gab zu bedenken, dass man Wahlversprechen nicht eingehalten, Leute entmutigt habe und
UnternehmerInnen wie Kriminelle behandle.
Seitens der NEOS machten sich Nikolaus Alm und Gerald Loacker für die Entlastung der Unternehmen stark. Ihrer
Ansicht nach könnte die Reduzierung der Kammerbeiträge und der Beiträge zur Unfallversicherung wesentlich
zur Senkung der Lohnnebenkosten beitragen. Den Wohnbauförderungsbeitrag halten sie für verzichtbar, da
die Bundesländer mit diesen Geldern unverantwortlich umgingen. Die Steuerreform bringe durch die Gegenfinanzierung
im Gegensatz dazu eine weitere Erhöhung der Lohnnebenkosten, etwa durch die außerordentliche Erhöhung
der Höchstbeitragsgrundlage, kritisierte Loacker. Sein Klubkollege Nikolaus Alm meinte in Richtung Regierung,
Arbeitsplätze herbei zu fördern, funktioniere nicht. Er warb dafür, neuen Unternehmensfeldern, wie
etwa der Sharing Economy eine Chance zu geben. Tauschen und Teilen halte Einzug in viele Lebensbereiche, sagte
er, und das sollte man nicht behindern, wie etwa durch die Gewerbeordnung.
Der von den NEOS in der Debatte eingebrachte Entschließungsantrag zur Arbeitsmarktflexibilisierung fand nicht
die erforderliche Mehrheit.
Der fraktionslose Ruppert Doppler meinte im Gegensatz zu vielen anderen, dass die Dringliche Anfrage ihre Berechtigung
habe. In Österreich gebe es eine Schieflage, da jene, die viel Steuern zahlen, immer weniger würden.
Darüber hinaus würden Betriebe und ArbeitnehmerInnen belastet. Er verlangte vor allem eine Steuerreform.
Opposition ortet Versäumnisse in Familien- und Bildungspolitik und vermisst Lösungskompetenz in Flüchtlingsfrage
Neben Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitischen Fragen, die im Mittelpunkt der Debatte standen, wurde auch die Flüchtlingsfrage
als Beispiel der Lösungsinkompetenz der Regierung wieder aufgeworfen. Während es beispielsweise auf den
Flughäfen gelinge, täglich tausende Menschen zu kontrollieren, funktioniere das an den Grenzen mit mehr
als 1000 SoldatInnen und rund 200 PolizistInnen nicht, übten Bernhard Themessl und Axel Kassegger (beide F)
Kritik. Für Kassegger hat die österreichische Bevölkerung Priorität, er mahnte auch, die Sorgen
der Menschen hinsichtlich der sich abzeichnenden dramatischen Veränderungen ernst zu nehmen und warnte vor
einem Wohlstandsverlust durch die Aufnahme zu vieler Flüchtlinge.
Ebenso vertrat Martina Schenk (T) die Auffassung, dass es bei der Integration an allen Ecken und Enden kranke.
Die ÖsterreicherInnen fühlten sich nicht mehr sicher und deckten sich mit Waffen ein, sagte sie, die
Regierung wische aber die Probleme vom Tisch. Leopold Steinbichler (T) thematisierte im Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen
auch die globale Konzernpolitik, die Entwicklungspolitik und die Klimaschutzpolitik. Es sei wichtig, auf die regionalen
Kreisläufe zu achten, stellte er fest. Alev Korun (G) rief ihrerseits dazu auf, das föderale System in
Österreich zu überdenken, da es ein Hindernis für die Unterbringung der Flüchtlinge darstelle.
Martina Schenk (T) ortete zudem Versagen der Regierung in der Familienpolitik und in der Regierungspolitik. Über
vierhunderttausend Kinder seien armutsgefährdet, die Armut werde weitervererbt. Von den Schulabgängern
könnten 25% nicht sinnerfassend lesen.
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