Unterschiedliche Wachstumsaussichten: Schwache Erholung in Kern-MOSOEL konsumgetrieben - GUS
strauchelt
Wien (wiiw) - Die Wirtschaftsaussichten der mittel-, ost- und südosteuropäischen Länder (MOSOEL)
für den Zeitraum 2015-2017 zeigen eine Verbesserung. Die prognostizierte durchschnittliche Wachstumsrate liegt
bei rund 3% - etwa 1,5 Prozentpunkte über jener der Eurozone. Nur die GUS und die Ukraine werden von diesem
Trendwachstum abweichen. Begünstigt durch eine verbesserte Arbeitsmarktsituation und niedrige Inflation wird
der Konsum privater Haushalte zum bedeutendsten Wachstumsträger. Im Vergleich zur Frühjahrsprognose wurden
die Wachstumsaussichten geringfügig nach oben korrigiert. Dies sind die wichtigsten Resultate der neuen mittelfristigen
makroökonomischen Prognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw).
Innerhalb der Region variieren die Wachstumstrends stark. Die zentraleuropäischen Länder, am einen Ende
der Skala, werden ihre robuste Erholung mit Wachstumsraten von 2-4% jährlich im Prognosezeitraum 2015-2017
vermutlich fortsetzen. Am anderen Ende befinden sich die GUS-Länder, deren Aussichten besonders schlecht stehen,
falls die globalen Rohstoffpreise nicht wieder ansteigen. Sowohl Russland als auch Weißrussland sind bereits
in eine tiefe Rezession gefallen (erwartetes Wachstum 2015: -3,7% bzw. -3,8%), während Kasachstan mit einer
Wachstumsverlangsamung (1,5% 2015) nachfolgt. Die baltischen Länder, deren Wirtschaftsaktivität dieses
Jahr aufgrund der Handelsverflechtungen mit Russland litt, scheinen dennoch widerstandsfähig genug zu sein;
die Erholung geht weiter, und mittelfristig wird das Wachstum rund 1,5-3% betragen. Südosteuropa zeigt insgesamt
verbesserte, jedoch ungleichmäßige Wachstumstendenzen, in vielen Fällen begleitet von makroökonomischen
Ungleichgewichten und schweren strukturellen Problemen. Serbien und Kroatien schnitten in dieser Region am schlechtesten
ab und werden im Gesamtjahr 2015 kaum Wachstum verzeichnen (0,1% bzw. 0,7%), während in den anderen Ländern
Wachstum von 2-4% zu erwarten ist. Die Situation in der Ukraine bleibt besonders fragil, mit weiterhin bestehenden
Abwärtsrisiken; es gibt jedoch Anzeichen, dass die Rezession - die wesentlich tiefer als ursprünglich
angenommen ausfällt, mit einem zu erwartenden Produktionsrückgang von 11,5% für dieses Jahr - die
Talsohle erreicht haben könnte.
Der Beitrag der Nettoexporte zum Wachstum ist begrenzt, falls überhaupt positiv, während der Konsum privater
Haushalte, begünstigt durch Verbesserungen am Arbeitsmarkt und niedrige Inflation, sich als bedeutendster
Wachstumsträger in den meisten MOSOEL herausgestellt hat; auch mittelfristig ist zu erwarten, dass der Konsum
zu den wichtigsten Wachstumsmotoren gehören wird.
Gleichzeitig bleiben private Investitionen das dringend benötigte "Missing Link" beim Versuch, wieder
ein nachhaltiges Produktionswachstum in den MOSOEL zu erreichen, und die öffentlichen Investitionen könnten
sich als wichtiger ergänzender Faktor herausstellen. In dieser Hinsicht stellen die Struktur- und Investitionsfonds
der EU innerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens 2014-2020 eine wichtige Quelle der Kofinanzierung dar. Die
Inflation bleibt in der gesamten Region sehr schwach, bei Raten annähernd bei Null aufgrund der niedrigen
Rohstoffpreise. Ausnahmen sind die GUS-Länder, die Türkei und die Ukraine: deren Inflation erreichte
infolge der Wechselkurseffekte durch die starken Währungsabwertungen 2014-2015 einen Höchststand, sowie
auch aufgrund länderspezifischer Faktoren, wie dem Lebensmittelembargo in Russland und dem Anstieg der Versorgungstarife
in der Ukraine.
Das externe Umfeld leistet nur mäßige Unterstützung. Da sich die zweigeteilte Erholung der Weltwirtschaft
2015 fortsetzt, getrieben vor allem von Industriestaaten und begleitet von der schlechten Wirtschaftsleistung in
großen Schwellenländern, ergeben sich auch vielfältige Risiken, welche die Erholung in der MOSOE-Region
gefährden könnten, einschließlich geopolitischer Spannungen im Zusammenhang mit der Situation in
der Ukraine und im Nahen Osten, einer Verlangsamung in den großen Schwellenländern, einer Normalisierung
der Geldpolitik in den USA und niedriger Rohstoffpreise (ein negativer Schock für die GUS-Gruppe).
Spezielle Kapitel des Prognoseberichts behandeln einige der potentiellen Risiken, die seit Beginn des Jahres viel
Aufmerksamkeit erregt haben, wie die Flüchtlingskrise in Europa, Rezession und Importsubstitutionspolitik
in Russland, der Volkswagen-Skandal, der Wachstumsrückgang in China und die Auswirkungen der Griechenland-Krise.
Mit Ausnahme der GUS-Länder und der Ukraine scheinen die MOSOEL jedoch bislang recht widerstandsfähig
zu sein.
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