Städte und Berge als Anziehungspunkte
Wien (wifo) - Nach den bisherig vorliegenden Daten (Mai bis September) verlief die Sommersaison 2015 für
die österreichische Tourismuswirtschaft insgesamt sehr erfolgreich: Die Zahl der Nächtigungen stieg um
3,9%, die Zahl der Ankünfte um 7,2%. Aufgrund der lebhaften Nachfrage übertrafen auch die Umsätze
das Vorjahresniveau (real +2,2%, nominell +3,2%). Regional entwickelte sich der Sommertourismus in den letzten
Jahren sehr unterschiedlich.
Der Sommertourismus entwickelte sich im Sommer 2015 vor allem im alpinen Raum und in den Städten (Wien und
sein Umland, Graz und Umgebung, Linz, Salzburg und Innsbruck) sehr günstig; diese beiden Regionstypen sind
auch Hauptanziehungspunkte im österreichischen Sommertourismus. Rund 53% aller Nächtigungen entfielen
von Mai bis August 2015 auf alpine Regionen, 18% auf Städte (davon Wien 70%). Auch die "Mischregionen"
(mit alpinem und voralpinem Charakter) trugen mit rund 21% wesentlich zur Nächtigungsbilanz bei. Auf Regionen
mit Wellness-Tourismus (u. a. Standorte großer Thermenanlagen) und kulinarischen Angeboten (z. B. mit dem
Thema Wein) entfielen nur rund 8% der Nächtigungen, sie sind aber beliebte Destinationen im Ausflugsverkehr
und Tagestourismus.
Neben dem Nächtigungsvolumen belegen auch die aktuelle und vor allem die längerfristige Dynamik den anhaltenden
Erfolg der alpinen und städtischen Tourismusdestinationen in Österreich: So stieg die Nachfrage in der
Sommersaison 2015 nach den bisher vorliegenden Daten (Mai bis August) in Städten um 6,3%, in Mischregionen
um 3,8% und in alpinen Regionen um 3,7%. In den Wellness- und Kulinarik-Regionen erreichte sie das Vorjahresniveau
nicht ganz (-0,7%). Mehr als 90% des Zuwachses gegenüber den Sommermonaten Mai bis August 2009 von insgesamt
rund 5,9 Mio. Nächtigungen entfielen auf alpine und städtische Regionen. Der Städtetourismus expandierte
dabei mit +5,5% pro Jahr im Durchschnitt 2009/2015 am stärksten (alpine Regionen +1,8%, Mischregionen +0,8%,
Wellness- und Kulinarik-Regionen -0,1%). Dieser Boom betrifft nicht nur Wien, sondern auch Graz, Innsbruck und
Salzburg.
Neben den Städten trugen die alpinen Regionen wesentlich zum Wiedererstarken der Sommersaison in Österreich
bei. Sie verzeichneten in den letzten Jahren deutlich höhere Nächtigungsgewinne als in früheren
Sommersaisonen (2000/2009 +0,4% pro Jahr, 2009/2015 +1,8% p. a.). Eine Ursache dieser Entwicklung könnte der
voranschreitende Klimawandel sein: Während der Wintersport von zunehmender Wetterunsicherheit geprägt
ist, bieten sich in den heißer werdenden Sommermonaten verstärkt die Berge als Urlaubsziel an. Der Tourismus
in Städten scheint aber unter den hohen Sommertemperaturen derzeit nicht zu leiden.
Der sich schon länger abzeichnende Trend zu häufigeren Kurzurlauben brachte in vielen Regionen, die auf
Wellness, sanften Tourismus und ein hochwertiges kulinarisches Angebot setzen, in den letzten Jahren nicht den
gewünschten Erfolg. Dieser Regionstyp, der zumindest im Osten und Süden Österreichs überwiegend
von inländischen Gästen besucht wird, verzeichnet in der Sommersaison einen Rückgang der Nächtigungszahlen.
Die teils öffentlich finanzierten bzw. angestoßenen Investitionen, etwa in die Thermeninfrastruktur,
liefern nach anfänglichen Erfolgen derzeit nicht die gerade in solchen oft peripher gelegenen Regionen mit
weniger hoch entwickelter Wirtschaftsstruktur angestrebten Impulse.
Nach wie vor überwiegen im österreichischen Sommertourismus ausländische Gäste (83,6% aller
Nächtigungen von Mai bis August 2015), nur der Regionstyp Wellness und Kulinarik wird zu drei Vierteln von
inländischen Gästen nachgefragt. Wachstumsimpulse werden dementsprechend vorwiegend durch die Nachfrage
ausländischer Quellmärkte generiert: Seit 2009 erhöhte sich in den Sommermonaten Mai bis August
die Zahl der Nächtigungen internationaler Gäste österreichweit um durchschnittlich 2,5% pro Jahr,
jene inländischer Gäste um nur 1,0% pro Jahr. Im Sommer 2015 (Mai bis August) betrug die Wachstumsdifferenz
sogar 2,6 Prozentpunkte (Ausländernächtigungen +4,6%, Inländernächtigungen +2,0%). In den alpinen
Regionen war für beide Zielgruppen seit 2009 ein ähnliches Wachstum zu beobachten (+1,7% bzw. +1,8%),
die Inlandsnachfrage spielt dort aber eine untergeordnete Rolle. In allen anderen Regionstypen übertraf das
Nächtigungswachstum internationaler Gäste jenes der inländischen Reisenden deutlich.
Wie eine WIFO-Studie zum Wirtschaftsstandort Steiermark zeigt1), erscheinen individuelle Attraktivität und
Wettbewerbsfähigkeit einer Urlaubsregion wichtiger für das Wachstum als die Spezialisierung auf bestimmte
Quellmärkte. Auch Großveranstaltungen (z. B. Graz und Linz als europäische Kulturhauptstädte)
erbringen oft nicht die erwünschten längerfristigen positiven Effekte auf die Tourismusnachfrage, vielmehr
treten häufig kurzfristige Verdrängungseffekte auf: Reisende meiden eine Destination gerade während
einer Veranstaltung, weil sie höhere Preise und einen Gästeansturm erwarten, die ihr Urlaubserlebnis
beeinträchtigen würden. So erhöhte sich die Zahl der Nächtigungen in Wien im Mai 2015 (Veranstaltung
des Eurovision Song Contest) um nur 2,3% (Juni bis August 2015 +10,0%). Gerechtfertigt werden Veranstaltungen oft
mit positiven längerfristigen Imageeffekten für die Destination und damit künftig höherer Tourismusnachfrage;
die kräftige Steigerung der Übernachtungen in Wien in den Monaten Juni bis August 2015 würde dies
bestätigen.
|