EU-Unterausschuss diskutiert Maßnahmen gegen den Klimawandel
Wien (pk) – Umweltschutz war am 17.11. das zentrale Thema des EU-Unterausschusses des Nationalrats. Im Vorfeld
der Klimaschutzkonferenz in Paris zeigte sich Bundesminister Andrä Rupprechter zuversichtlich, dass ein Abkommen
zustande kommt. "Die Vorzeichen für einen Erfolg stehen gut", sagte er. Über 150 Staaten hätten
ihre Beiträge bereits übermittelt, das betreffe rund 90% der Emissionen. Ohne Zweifel sei aber das, was
vorliegt, nicht ausreichend, räumte der Umweltminister ein. Notwendig sei jedenfalls ein verpflichtendes Abkommen.
Grundsätzlich sprach sich Rupprechter im Hinblick auf den Umweltschutz für ambitionierte, aber verhältnismäßige
und erreichbare Zielsetzungen aus und kreierte dafür das Wort "Ambitionsrealismus".
Zur Diskussion standen im Ausschuss drei Dokumente der EU. Zum einen lag die allgemeine Verhandlungsposition der
EU für die kommende Klimaschutzkonferenz in Paris vor, zum anderen stellt sich die EU der Frage, wie konkret
die von der UNO im September 2015 beschlossene Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden kann,
wobei es insbesondere auch um umweltpolitische Aspekte geht. Drittes Thema war das "Luftpaket" der EU,
das eine Reduktion von Schadstoffen vorsieht.
Knackpunkt Klimafinanzierung
Als "Knackpunkte" für die Verhandlungen in Paris nannte Rupprechter zunächst die Differenzierung
zwischen ärmeren und reicheren Ländern, wobei er sich für eine "offene und flexible Differenzierung"
aussprach. Ferner sollte nach Vorstellungen der EU ein dynamischer Klimaschutzmechanismus eingesetzt werden, der
es ermöglicht, auf der Basis eines Monitorings nach fünf Jahren eine Anpassung vorzunehmen. Auch die
Transparenz stelle noch einen heiklen Punkt dar, so der Ressortchef, denn es gehe darum, die Versprechungen einfordern
und auf eine einheitliche Datenlage zurückgreifen zu können. Kritisch sei auch die Klimafinanzierung,
erklärte der Minister. Der Rat der Finanzminister (ECOFIN) habe aber ein klares Bekenntnis abgelegt, einen
Beitrag von 100 Mrd. € leisten zu wollen, derzeit komme man auf 62 Mrd. €. Die Finanzminister der EU hätten
damit eine wichtige Vorentscheidung für die Klimakonferenz getroffen, indem sie es der EU ermöglichen,
aktiv auf die Entwicklungsländer zuzugehen, betonte Rupprechter. Verständnis für die Entwicklungsländer
äußerte auch Hannes Weninger (S), denn die Industriestaaten hätten seit Jahrzenten über dem
Level gelebt und nun müssten dies die Entwicklungsländer büßen, meinte er. Rupprechter hielt
zudem fest, dass die EU derzeit für die Hälfte der Klimafinanzierung aufkomme.
Um den österreichischen Beitrag zur Klimafinanzierung entspann sich in der Debatte eine Kontroverse im Hinblick
auf die zugesagten 25 Mio. €, was vor allem seitens der Grünen und der NEOS als viel zu gering angesehen wird.
Christiane Brunner (G) nannte diese Summe "peinlich" und forderte einen fairen Beitrag Österreichs.
Ihr zufolge ist es notwendig, frisches Geld aufzustellen, damit das Versprechen von Kopenhagen auch erfüllt
werde. Gerald Loacker (N) spielte in diesem Zusammenhang darauf an, dass Österreich immer gerne die Rolle
des Vorzeigelandes spiele, und dafür sind 25 Mio. € seiner Meinung nach viel zu gering.
Österreich gebe jährlich aus den verschiedenen Ressorts 130 Mio. € für klimarelevante Projekte aus.
Die 25 Mio. € für den Green-Climate-Fund der UNO würden dazukommen, 6 Mio. € davon seien bereits überwiesen
worden, verteidigte der Minister das heimische Vorgehen. Er stehe auch mit den Bundesländern in Verhandlung,
dass diese ihren Beitrag entsprechend erhöhen, erläuterte er und stellte insgesamt eine mögliche
Aufstockung der österreichischen Mittel in Aussicht.
Klimaschutz: Paris ist noch weit, aber zu schaffen
Alle Abgeordneten waren sich mit dem Minister einig, dass der Klimawandel kommen wird und die Politik national
und international vor große Herausforderungen stellt. Die Hoffnungen an die kommende Klimakonferenz sind
seitens der Abgeordneten groß, wobei in den Wortmeldungen durchaus auch Befürchtungen herauszulesen
waren, dass die Verhandlungen scheitern könnten. Es gebe in Paris wie auch in Österreich verschiedene
Player, die unterschiedliche wirtschaftliche und politische Interessen verfolgen, umschrieb Hannes Weninger (S)
die Schwierigkeit der Verhandlungen. Der Erfolg werden vor allem von China, Russland und den USA abhängen,
stimmte dem Franz Leonhard Eßl (V) zu. Waltraud Dietrich vom Team Stronach äußerte Zweifel, dass
sich nun etwas ändern werde, nachdem Jahrzehnte lang nichts passiert sei.
Hannes Weninger (S) und Franz Leonard Eßl (V) sowie Gerald Loacker (N) begrüßten, dass die EU
geschlossen auftritt. Österreich und die EU seien auch in Hinblick auf ihre Vorbildfunktion gefordert, ergänzte
Hannes Weniger (S) und gab wie andere auch zu bedenken, dass das, was auf dem Tisch liegt, nicht ausreichend ist.
"Es braucht einen Meilenstein", sagte Christine Muttonen (S) und unterstrich, man müsse ein System
schaffen, mit dem man auch den Kurs kontrollieren kann. Sie wies insbesondere auch auf die Auswirkungen des Klimawandels
auf die Lebensgrundlagen der Menschen hin, die etwa in den sich ausbreitenden Dürregebieten leben. Hier erhöhe
sich der Sozialdruck, es entstünden intensive Konflikte in den Regionen um die knappen Ressourcen, was letztendlich
auch zu den Migrationsbewegungen führe, wie dies der Syrienkonflikt zeige.
Breiter Konsens bestand darin, dass nur ein verbindliches Abkommen zu einer Kehrtwende und damit zur Erreichung
der Ziele führen kann, wobei seitens der FPÖ Reinhard Eugen Bösch davor warnte, dass Österreich
und die EU sich als Musterschüler geben könnten, während andere Länder das nicht allzu genau
nehmen. Damit würde Europa ins Hintertreffen gelangen, warnte er. Bundesminister Rupprechter hielt dem entgegen,
das erklärte Ziel sei, zu verhindern, dass die Industrie abwandert, man strebe daher eine Balance an.
Diskussion über innerstaatliche Maßnahmen
Die EU-Position ist so stark, wie sie von den einzelnen Mitgliedstaaten mitgetragen wird, meinte dazu die Umweltsprecherin
der Grünen Christiane Brunner und kritisierte scharf, dass Österreich sich zum Ziel gesetzt habe, seine
Emissionen bis zum Jahr 2020 auf das Niveau von 1990 zu stabilisieren. Das sei keine Reduktion, sagte sie und drängte
darauf, bereits jetzt die Ziele bis 2030 bzw. 2050 festzulegen. Ihr schwebt eine innerstaatliche Reduktion von
40 % bis 2030 vor, und je früher man das anpackt, umso verträglicher fallen die Maßnahmen aus,
argumentierte sie.
Dem hielt der Minister entgegen, Österreich strebe eine integrierte Klima- und Energiestrategie sowie Klima-
und Mobilitätsstrategie an. Seit dem Jahr 2005 habe man eine Reduktion der Emissionen erreichen können,
für 2013 seien es drei Millionen Tonnen gewesen, 2014 fünf Millionen Tonnen, womit man eine Reduktion
um 10% in diesen beiden Jahren erreicht habe. Die von der EU vorgegebenen Ziele werde man wahrscheinlich im Voraus
erreichen, und zwar ohne Zukauf von Verschmutzungszertifikaten. Österreich sei auf gutem Weg, die Ziele "überzuerfüllen",
bekräftige er auch gegenüber Reinhard Eugen Bösch (F) und Waltraud Dietrich (T). Dietrich hatte
zuvor die oft schwierigen, bürokratischen Rahmenbedingungen für die Betriebe thematisiert, wenn sie umweltschonende
Projekte umsetzen wollen.
Die Positionen der EU zur Klimaschutzkonferenz
In der Verhandlungsposition der EU für die Pariser Klimaschutzkonferenz, mit dem Ziel ein globales Klimaschutzabkommen
für die Zeit nach 2020 zu erreichen, bekräftigen die Mitgliedstaaten, die EU-internen Treibhausgasemissionen
bis 2030 um mindestens 40% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Die EU drängt auf ein rechtsverbindliches Übereinkommen,
das eine "langfristige Vision des notwendigen Wandels hin zu emissionsarmen und klimaresistenten Volkswirtschaften
im Laufe dieses Jahrhunderts bietet". Wesentlich wäre es, den politischen Willen in Form eines Protokolls
festzuschreiben, damit Berechenbarkeit und Dauerhaftigkeit gegeben sind, heißt es im Ratspapier. Geht es
nach den Vorstellungen der EU soll das Pariser Übereinkommen unter anderem ein langfristiges globales Klimaschutzziel
festlegen, das mit dem "Unter-2°C-Ziel" in Einklang steht und faire, ehrgeizige und quantifizierbare
Klimaschutzverpflichtungen aller Parteien enthält, die mit den Grundsätzen des UNO-Klimaübereinkommens
(UNFCCC) vereinbar sind.
Alle Parteien müssen eine Klimaschutzverpflichtung eingehen, aufrechterhalten und umsetzen, so das Ziel des
Rats. Ein dynamischer fünfjähriger Klimaschutzmechanismus soll alle Parteien verpflichten, entweder neue
oder aktualisierte Verpflichtungen vorzulegen – ohne dabei unter das Niveau der bisherigen Verpflichtungen zurückzufallen.
Agenda 2030 der UNO
Diskutiert wurde im Zusammenhang mit der Klimaschutzkonferenz auch die Agenda 2030. Die von der UNO auf ihrem Gipfel
Ende September 2015 angenommene Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ("Transformation unserer Welt")
legt eine Reihe einheitlicher globaler Ziele für nachhaltige Entwicklung fest, die an die Stelle der Millenniums-Entwicklungsziele
treten werden. Der Beschluss zielt darauf ab, Armut und Hunger zu beseitigen, und befasst sich mit den wirtschaftlichen,
sozialen und ökologischen Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung.
Die 17 neuen Ziele für nachhaltige Entwicklung und die 169 damit verbundenen Zielvorgaben erstrecken sich
auf zentrale Bereiche wie Armut, Ungleichheit, Ernährungssicherheit, Gesundheit, nachhaltiger Verbrauch und
nachhaltige Produktion, Wachstum, Beschäftigung, Infrastruktur, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen
Ressourcen, Meere, Klimawandel und Gleichstellung der Geschlechter.
In dem der Diskussion im EU-Unterausschuss zugrundeliegenden Hintergrundpapier wurden zur konkreten Umsetzung durch
die EU drei Fragen ausgearbeitet, wobei umweltpolitischen Perspektiven eine zentrale Stellung einnehmen. So geht
es um die wichtigsten Prioritäten der EU für die Umsetzung der Agenda 2030, ferner darum, wie die Kohärenz
zwischen der nationalen Ebene und der EU-Ebene gewährleistet werden kann, und schließlich, wie die EU
am wirksamsten über Maßnahmen und Fortschritte berichten kann. Die EU müsse bei der Weiterverfolgung
und Überwachung auch in Zukunft eine führende Rolle spielen, so der Wille der EU.
Allgemein bezeichnete Rupprechter auch die Ziele der Agenda 2030 als außerordentlich ambitioniert. Die Koordinierung
der Strategie obliege seinem Ressort, sagte er nach einer Anfrage von Martina Diesner-Wais (V) und Gerald Loacker
(N), der die Notwendigkeit einer Nachhaltigkeitsstrategie unterstrich und einen entsprechenden Umsetzungsplan in
Österreich einforderte. Selbstverständlich seien internationale politische Maßnahmen sinnvoll,
meinte dazu Hannes Weninger (S), man müsse auch in Österreich ambitioniert vorgehen.
Rupprechter fordert "Ambitionsrealismus" ein
Ambitioniert nannten die Abgeordneten auch den Vorschlag der Kommission zur Verbesserung der Luftqualität.
Wie EU-Abgeordnete Karin Kadenbach (S) darlegte, betragen für die gesamte EU die Kosten für die Gesundheitsschäden
durch Luftverschmutzung 330 bis 940 Mrd. € pro Jahr. Für Österreich wird der Betrag in einer Höhe
von 4,39 bis 13,17 Mrd. € beziffert.
Um diese Risiken für die Umwelt und die Gesundheit zu beseitigen und das EU-Recht mit den neuen internationalen
Verpflichtungen in Einklang zu bringen, sollen die nationalen Emissionshöchstmengen für Schwefeldioxid
(SO2), Stickstoffoxide (NOx), flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) und Ammoniak (NH3)
überarbeitet, das heißt weiter gesenkt werden. Der Richtlinienvorschlag der Kommission enthält
Reduktionsziele für jeden einzelnen Mitgliedstaat. Wie es dazu in den Erläuterungen des Umweltressorts
heißt, stellen die vorgelegten nationalen Reduktionziele für 2030 für fast alle EU-Mitgliedstaaten
eine große Herausforderung dar. Österreich begrüße das Luftpaket im Allgemeinen und trete
für ambitionierte, aber realistische Reduktionsziele für 2030 ein.
Bundesminister Andrä Rupprechter berichtete, dass die Verhandlungen auf EU-Ebene nur sehr langsam und zäh
vor sich gehen, da die Reduktionspotentiale in den EU-Staaten sehr unterschiedlich seien. So gebe es auch größere
Bedenken.
Der Vorschlag der Kommission ziele explizit nicht auf maximale Emissionsreduktion sondern auf eine kosteneffiziente
Reduktion der Emissionen ab, kritisierte die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner. Auch EU-Abgeordnete
Karin Kadenbach (S) ist mit dem, was der Umweltausschuss des EU-Parlaments nun vorgelegt hat, nicht ganz zufrieden.
Sie hält es aber für unbedingt erforderlich, dass die EU etwas gegen die Luftverschmutzung unternimmt.
Auch Claudia Angela Gamon (N) erachtet im Hinblick auf Gesundheit und Umweltschutz ambitionierte Ziele für
unabdingbar.
Die Ziele in Österreich für 2030 würden erst dann festgelegt werden, wenn man mit den Stakeholdern
verhandelt habe, erläuterte Umweltminister Andrä Rupprechter und handelte sich damit Kritik seitens der
Grünen ein. Christiane Brunner befürchtete, Österreich könne hinter die Position des Europäischen
Parlaments zurückfallen. Demgegenüber vertraten Angelika Winzig (V) und Reinhard Eugen Bösch (F)
die Auffassung, man brauche vernünftige Regelungen auf nationaler und regionaler Ebene, man müsse einen
Spagat schaffen, damit die Industrie nicht auswandere. Schon derzeit würden die meisten Investitionen im Ausland
getätigt, warnte Angelika Winzig (V).
Österreich müsse sich ambitionierte Ziele setzen, stellte Minister Rupprechter klar, diese müssten
aber auch verhältnismäßig und erreichbar sein. Rupprechter sprach in diesem Zusammenhang von einem
"Ambitionsrealismus". Oft habe die Umweltgesetzgebung positive Impulse auf die Wirtschaft, wenn die Gesetzgebung
auch planbar ist. Grundsätzlich seien von den Zielsetzungen alle Sektoren betroffen, auch die Landwirtschaft,
hielt Rupprechter fest.
Antrag der Grünen abgelehnt
Der von den Grünen eingebrachte Antrag auf Stellungnahme fand nicht die erforderliche Unterstützung,
dafür stimmten nur die Grünen selbst und die NEOS. Christiane Brunner (G) unterstrich mit Bedauern, dass
es sich dabei ohnehin um einen für die Grünen schwachen Antrag handle. Darin verlangen sie unter anderem
die Reduktionsverpflichtungen in der genannten Richtlinie zumindest auf das Niveau der Emissionsreduktionsverpflichtungen
des Göteborg Protokolls von 1999 festzulegen.
|