Seit vielen Jahren setzt österreichische Technologie international neue Maßstäbe
in der Biomasse-Vergasungstechnik. Die TU Wien hat nun eine neue, weiter verbesserte, innovative Wirbelschicht-Versuchsanlage
in Betrieb genommen.
Wien (tu) - Beim Verbrennen von Biomasse, Müll oder Industrie-Reststoffen kann man zwar die gespeicherte
Energie nutzen, nicht aber die Moleküle, aus denen das Material zusammengesetzt ist. Das ist schade, denn
eigentlich lassen sich zum Beispiel aus biogenen Reststoffen wertvolle Produkte gewinnen, etwa Wasserstoff, Methan,
Hythan, oder sogar Methanol und Diesel. An der TU Wien forscht man seit über zwanzig Jahren an einem Verfahrenskonzept,
das beides gleichzeitig kann – Wärmeenergie bereitstellen und einen chemischen Energieträger erzeugen.
Das sogenannte Produktgas dient dabei als Grundlage für unterschiedliche Synthesen. Nach zweijähriger
Vorbereitungsarbeit konnte nun eine neue Anlage in Betrieb genommen werden, die mit einer sehr breiten Palette
an Brennstoffen zurechtkommt.
Einmal Abgas, einmal Produktgas
„Die entscheidende Idee bei der Zweibett-Wirbelschicht-Vergasung ist, dass wir den Prozess in zwei verschiedene
Kammern aufteilen“, erklärt Johannes Schmid vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische
Biowissenschaften der TU Wien. In der einen Kammer wird der Brennstoff bei hohen Temperaturen in ein wertvolles
Produktgas umgewandelt. In dieser Kammer befindet sich keine Luft, sondern Wasserdampf, daher verbrennt das Gas
nicht. Feste Rest-Bestandteile des Brennstoffes gelangen sodann in die zweite Kammer, wo Luftsauerstoff zugeführt
wird und die Verbrennung stattfindet. Diese Verbrennung liefert die nötige Hochtemperaturwärme für
die erste Kammer. Übertragen wird die Wärme mit Hilfe von heißem Sand, der zwischen den Kammern
zirkuliert.
Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Verbrennungsofen hat man bei diesem Verfahren zwei getrennte Gasströme:
Einen Abgasstrom aus der Verbrennungskammer und einen Produktgasstrom aus der Vergasungskammer, der dann weiter
genutzt werden kann.
Österreich technologisch ganz vorne
Entwickelt wurde diese Technologie seit Anfang der 1990erjahre an der TU Wien, unter der Leitung von Prof. Hermann
Hofbauer. Die weltweit erste Wirbelschicht-Dampfvergasungs-Großanlage, basierend auf TU-Know-How, wurde 2001
in Güssing eröffnet und erntete weltweite Anerkennung. Anlagen in Oberwart und Villach folgten. International
wurden in Senden/Ulm (Deutschland) und in Göteborg (Schweden) auch zwei Großanlagen gebaut die auf der
Technologie beruhen. Bemerkenswert ist, dass die Anlage in Schweden der Erzeugung von synthetischem Erdgas dient.
Die österreichische Technologie bildet somit die Basis für eine ganzheitliche, klimafreundliche Energieversorgung
für Haushalte, Industrie und dem Nahverkehr in Göteborg.
Neue Versuchsanlage an der TU Wien
Nun gelang der nächste technologischen Schritt nach vorne: An der TU Wien wurde kürzlich eine neue Versuchsanlage
eröffnet. Umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse aus Forschungsarbeiten der letzten Jahre gingen in das
Design der innovativen Anlage ein. „Durch eine neuartige Reaktorkonstruktion kommt der Brennstoff und dessen Produktgas
viel intensiver in Kontakt mit dem wirbelnden heißen Sand, daher funktioniert die Vergasung nun auch mit
schwierigen, alternativen Brennstoffen besser“, erklärt Johannes Schmid. Mit der 7 m hohen Versuchsanlage,
die über zwei Stockwerke auf jeweils 35 m2 aufgebaut wurde, sind zudem aussagekräftige wissenschaftliche
Ergebnisse erzielbar. Damit können Großanlagenprojekte in der Konzeptphase und im Basic Engineering
unterstützt werden.
Bisher wird in großen Biomassevergasungsanlagen hauptsächlich hochqualitatives, homogenes Holzhackgut
verwertet. Die neue Anlage kommt auch mit schwierigeren Reststoffen zurecht. Vor allem kostengünstige, minderwertige
Brennstoffe liegen im Fokus des Interesses: „Abfälle aus der Papier- und Holzindustrie kommen in Frage. Wir
werden aber auch Abfallfraktionen oder andere biogene Reststoffe wie Zuckerrohr- und Olivenbagasse testen. Auch
Biomasse-Kohle Mischungen oder sogar Klärschlamm können auf diese Weise verwertet werden.“, sagt Johannes
Schmid.
Nach einer umfangreichen Inbetriebnahmephase inklusive Sicherheitstests seit 2014 hat die neuartige Versuchsanlage
nun insgesamt schon 7 Versuchsreihen hinter sich gebracht. Die ersten Messergebnisse sind bereits intern validiert
und ausgewertet. „Wir werden nun viele weitere Versuchsreihen mit ganz unterschiedlichen Brennstoffen durchführen“,
sagt Johannes Schmid, „aber schon jetzt sehen wir, dass die neue Anlage herausragende wissenschaftliche Erkenntnisse
generieren wird.“
Das Team um Professor Hermann Hofbauer hat in den letzten Jahren mehrere Patente angemeldet und sieht großes
Potenzial in diesem neuen Wirbelschicht-Vergasungskonzept. Der Trend in der Energieversorgung geht von großen
zentralen Kraftwerksanlagen zu kleineren, lokalen Lösungen. „Interessant könnten solche Anlagen besonders
für große Unternehmen sein, in denen viel verwertbare Reststoffe anfallen. Die Nutzung von am jeweiligen
Standort anfallenden Reststoffen kann fossile CO2-Emissionen reduzieren und den Anteil erneuerbarer Energie für
den betreffenden Industriestandort erhöhen. Wir sind überzeugt davon, dass unsere Technologie eine Schlüsseltechnologie
darstellen kann, die das Potential mitbringt einen wesentlichen Beitrag zu einer sauberen, nachhaltigen und klimafreundlichen
Energieversorgung zu leisten“, meint Stefan Müller. Die Anlage der TU Wien soll jedenfalls dazu beitragen,
die weltweit führende Rolle Österreichs im Bereich der Biomasseverwertung weiter auszubauen.
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