Biomasseverwertung: TU Wien eröffnet
 innovative Versuchsanlage

 

erstellt am
18. 11. 15
11:00 MEZ

Seit vielen Jahren setzt österreichische Technologie international neue Maßstäbe in der Biomasse-Vergasungstechnik. Die TU Wien hat nun eine neue, weiter verbesserte, innovative Wirbelschicht-Versuchsanlage in Betrieb genommen.
Wien (tu) - Beim Verbrennen von Biomasse, Müll oder Industrie-Reststoffen kann man zwar die gespeicherte Energie nutzen, nicht aber die Moleküle, aus denen das Material zusammengesetzt ist. Das ist schade, denn eigentlich lassen sich zum Beispiel aus biogenen Reststoffen wertvolle Produkte gewinnen, etwa Wasserstoff, Methan, Hythan, oder sogar Methanol und Diesel. An der TU Wien forscht man seit über zwanzig Jahren an einem Verfahrenskonzept, das beides gleichzeitig kann – Wärmeenergie bereitstellen und einen chemischen Energieträger erzeugen. Das sogenannte Produktgas dient dabei als Grundlage für unterschiedliche Synthesen. Nach zweijähriger Vorbereitungsarbeit konnte nun eine neue Anlage in Betrieb genommen werden, die mit einer sehr breiten Palette an Brennstoffen zurechtkommt.

Einmal Abgas, einmal Produktgas
„Die entscheidende Idee bei der Zweibett-Wirbelschicht-Vergasung ist, dass wir den Prozess in zwei verschiedene Kammern aufteilen“, erklärt Johannes Schmid vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien. In der einen Kammer wird der Brennstoff bei hohen Temperaturen in ein wertvolles Produktgas umgewandelt. In dieser Kammer befindet sich keine Luft, sondern Wasserdampf, daher verbrennt das Gas nicht. Feste Rest-Bestandteile des Brennstoffes gelangen sodann in die zweite Kammer, wo Luftsauerstoff zugeführt wird und die Verbrennung stattfindet. Diese Verbrennung liefert die nötige Hochtemperaturwärme für die erste Kammer. Übertragen wird die Wärme mit Hilfe von heißem Sand, der zwischen den Kammern zirkuliert.

Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Verbrennungsofen hat man bei diesem Verfahren zwei getrennte Gasströme: Einen Abgasstrom aus der Verbrennungskammer und einen Produktgasstrom aus der Vergasungskammer, der dann weiter genutzt werden kann.

Österreich technologisch ganz vorne
Entwickelt wurde diese Technologie seit Anfang der 1990erjahre an der TU Wien, unter der Leitung von Prof. Hermann Hofbauer. Die weltweit erste Wirbelschicht-Dampfvergasungs-Großanlage, basierend auf TU-Know-How, wurde 2001 in Güssing eröffnet und erntete weltweite Anerkennung. Anlagen in Oberwart und Villach folgten. International wurden in Senden/Ulm (Deutschland) und in Göteborg (Schweden) auch zwei Großanlagen gebaut die auf der Technologie beruhen. Bemerkenswert ist, dass die Anlage in Schweden der Erzeugung von synthetischem Erdgas dient. Die österreichische Technologie bildet somit die Basis für eine ganzheitliche, klimafreundliche Energieversorgung für Haushalte, Industrie und dem Nahverkehr in Göteborg.

Neue Versuchsanlage an der TU Wien
Nun gelang der nächste technologischen Schritt nach vorne: An der TU Wien wurde kürzlich eine neue Versuchsanlage eröffnet. Umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse aus Forschungsarbeiten der letzten Jahre gingen in das Design der innovativen Anlage ein. „Durch eine neuartige Reaktorkonstruktion kommt der Brennstoff und dessen Produktgas viel intensiver in Kontakt mit dem wirbelnden heißen Sand, daher funktioniert die Vergasung nun auch mit schwierigen, alternativen Brennstoffen besser“, erklärt Johannes Schmid. Mit der 7 m hohen Versuchsanlage, die über zwei Stockwerke auf jeweils 35 m2 aufgebaut wurde, sind zudem aussagekräftige wissenschaftliche Ergebnisse erzielbar. Damit können Großanlagenprojekte in der Konzeptphase und im Basic Engineering unterstützt werden.

Bisher wird in großen Biomassevergasungsanlagen hauptsächlich hochqualitatives, homogenes Holzhackgut verwertet. Die neue Anlage kommt auch mit schwierigeren Reststoffen zurecht. Vor allem kostengünstige, minderwertige Brennstoffe liegen im Fokus des Interesses: „Abfälle aus der Papier- und Holzindustrie kommen in Frage. Wir werden aber auch Abfallfraktionen oder andere biogene Reststoffe wie Zuckerrohr- und Olivenbagasse testen. Auch Biomasse-Kohle Mischungen oder sogar Klärschlamm können auf diese Weise verwertet werden.“, sagt Johannes Schmid.

Nach einer umfangreichen Inbetriebnahmephase inklusive Sicherheitstests seit 2014 hat die neuartige Versuchsanlage nun insgesamt schon 7 Versuchsreihen hinter sich gebracht. Die ersten Messergebnisse sind bereits intern validiert und ausgewertet. „Wir werden nun viele weitere Versuchsreihen mit ganz unterschiedlichen Brennstoffen durchführen“, sagt Johannes Schmid, „aber schon jetzt sehen wir, dass die neue Anlage herausragende wissenschaftliche Erkenntnisse generieren wird.“

Das Team um Professor Hermann Hofbauer hat in den letzten Jahren mehrere Patente angemeldet und sieht großes Potenzial in diesem neuen Wirbelschicht-Vergasungskonzept. Der Trend in der Energieversorgung geht von großen zentralen Kraftwerksanlagen zu kleineren, lokalen Lösungen. „Interessant könnten solche Anlagen besonders für große Unternehmen sein, in denen viel verwertbare Reststoffe anfallen. Die Nutzung von am jeweiligen Standort anfallenden Reststoffen kann fossile CO2-Emissionen reduzieren und den Anteil erneuerbarer Energie für den betreffenden Industriestandort erhöhen. Wir sind überzeugt davon, dass unsere Technologie eine Schlüsseltechnologie darstellen kann, die das Potential mitbringt einen wesentlichen Beitrag zu einer sauberen, nachhaltigen und klimafreundlichen Energieversorgung zu leisten“, meint Stefan Müller. Die Anlage der TU Wien soll jedenfalls dazu beitragen, die weltweit führende Rolle Österreichs im Bereich der Biomasseverwertung weiter auszubauen.

 

 

 

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