Bischof Zsifkovics leitet nun auch neues Referat "Flucht, Migration und Integration"
der Österreichischen Bischofskonferenz
Eisenstadt (martinus) - Er war die treibende Kraft für das starke Engagement kirchlicher Einrichtungen
im Burgenland bei der Beherbergung von Menschen auf der Flucht; Ende Oktober wählten ihn die EU-Bischöfe
zu ihrem "Flüchtlingskoordinator“; beim Martinsfest der Diözese Eisenstadt am 11. November haben
ihn Flüchtlinge bei der Festmesse im randvollen Martinsdom "kalt erwischt" mit einer berührenden
Danksagung für sein Flüchtlingsengagement; nun hat ihm die Österreichische Bischofskonferenz auf
ihrer am 13.11. zu Ende gegangenen Herbstvollversammlung auch noch das brandneu geschaffene Referat "Flucht,
Migration und Integration" zur Leitung anvertraut: Das Thema "Flüchtlinge" und mit ihm eine
der größten Herausforderungen unserer Zeit scheint sich immer mehr zu einer der Signaturen des Bischofs
von Eisenstadt zu entwickeln, der selbst am Eisernen Vorhang aufgewachsen, in weit bemessenen Räumen sprachlicher,
kultureller und bildungsmäßiger Vielfalt sozialisiert worden ist, und der nicht müde wird zu betonen,
dass auch Jesus ein Flüchtling gewesen sei und das Thema Flucht und Migration in allen Weltreligionen eine
zentrale Rolle spiele.
Neues Referat "Flucht, Migration und Integration": Keine Patentrezepte, aber aufmerksames Beobachten
und Setzen starker Impulse
"Weil Flucht, Migration und Integration zu den großen Herausforderungen unserer Zeit zählen,
hat die Bischofskonferenz dafür einen neuen Aufgabenbereich festgelegt und den Eisenstädter Bischof Ägidius
Zsifkovics damit beauftragt" – mit diesen Worten kündigte die Österreichische Bischofskonferenz
Ende vergangener Woche die neuen Agenden an. Dass es dankbarere Aufgaben gibt, stellt Bischof Zsifkovics in einem
Interview in der aktuellen Wochenendausgabe von DER STANDARD gar nicht in Abrede, sondern sieht es pragmatisch:
"Nachdem ich als Bischof von Eisenstadt durch die Ereignisse und den großen Ansturm beim Grenzübergang
Nickelsdorf schon sehr tief in der Materie drinnen bin, war es naheliegend, dass man auf mich zurückgreift."
Tatsächlich kennt der Bischof die Themen und Problemfelder, die auf ihn nun auf Österreichebene warten,
bestens aus der Erstbegegnung mit dem Migrationssturm an der eigenen Diözesangrenze: Zu wenig Grundversorgungsplätze
für AsylwerberInnen, sodass immer mehr Menschen auf der Flucht von Obdachlosigkeit betroffen sind; unzureichende
Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge; Schaffung
winterfester Notunterkünfte für jene Flüchtlinge, die auf der Durchreise sind; die Forderung nach
fairen, qualitätsvollen und raschen Asylverfahren sowie der effektiven Bekämpfung von Schlepperei und
Menschenhandel.
Öffentliche Ordnung und gelingende Integration als zweite Seite der Medaille
Besonderes Augenmerk wolle Bischof Zsifkovics in seiner neuen Aufgabe darauf legen, "dass im öffentlichen
Diskurs zwischen Asyl und Migration unterschieden wird. Das ist nämlich die andere, nicht minder wichtige
Seite der Medaille. Gerade weil Menschen aus dem Chaos flüchten und bei uns Sicherheit suchen, ist die Aufrechterhaltung
der rechtsstaatlichen Ordnung in unserem Land für die Politik unabdingbare Verpflichtung – bei aller Sensibilität,
die diese Pflicht des Staates erfordert", so Bischof Zsifkovics, der wiederholt erklärt hat, "kein
Freund von Zäunen" zu sein. Die Kirche müsse immer wieder in Erinnerung rufen, "dass aus der
Quartierkrise von heute nicht die Integrationskrise von morgen" werden darf. Spracherwerb, Bildung und Zugang
zu Arbeit seien wichtige Voraussetzungen für eine gelingende Eingliederung in die Gesellschaft, wobei Asylsuchende
wie auch Zuwanderer die unbedingte Geltung der Menschenrechte und die demokratische Verfassung in Österreich
anerkennen müssten. "Dazu zählen besonders Religionsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und die gleichberechtigte
Stellung von Mann und Frau. Ziel der Integration muss die gemeinsame Liebe zu Österreich sein, die die Menschen
in diesem Land verbindet", so die Bischofskonferenz in ihrer Presseerklärung nach der Herbstvollversammlung.
Flüchtlinge danken Eisenstädter Bischof persönlich für Aufnahme
So nüchtern Ägidius Zsifkovics die Dinge auch anzugehen und auszusprechen scheint: Am Martinstag
war es vor allem für Freunde und MitarbeiterInnen des Bischofs berührend zu sehen, wie menschlich nah
ihm die Dankesworte gingen, die im Eisenstädter Dom von den syrischen Asylwerbern Khajik Kawafian und Abdulhadi
Briman stellvertretend für die vielen anderen gesprochen wurden, die in den vergangenen Monaten in der Diözese
Eisenstadt ein Dach über dem Kopf gefunden haben. "Sie haben uns in Eisenstadt aufgenommen – dafür
sind wir Ihnen sehr dankbar!" Khajik, ein armenischer Christ aus Aleppo, und Abdulhadi aus Homs feierten anschließend
mit burgenländischen Christen das Martinsfest und teilten nach dem Gottesdienst mit dem Bischof vor der Kirche
ein "Martinskipferl". Was als schöner Brauch des Teilens nett anzusehen ist, ist vor dem Hintergrund
der Realität einer zunehmend als "Völkerwanderung" apostrophierten Migrationsbewegung aus Regionen
des Nahen Ostens und Afrikas zum brisanten Symbol einer Situation geworden, in der die Beantwortung der Frage nach
dem Teilen – von Rechten und Ressourcen, von Lebensraum und Freiraum, von Zeit und Zuwendung – die Gesellschaft
und das politische System in Europa auf einen zivilisatorischen Prüfstand stellt. Ein Prüfstand, auf
dem "die europäische Karosserie", wie Bischof Zsifkovics sagt, "ohne den Motor der Spiritualität,
der Solidarität und der Barmherzigkeit nicht weiter vom Fleck kommt, sondern zur lahmen Ente zu werden droht".
Wird Europa es schaffen, sich seines großen Heiligen aus der Zeit der Völkerwanderung, Martin von Tours,
zu entsinnen und die Bereitschaft aufbringen, genügend "Martinskipferln" zu teilen? Und warum teilt
man in Eisenstadt offensichtlich bereitwilliger? Ein verstorbener Papst und ein lebender Wissenschaftler geben
darauf eine mögliche Antwort.
Eine Diözese als "Brücke" und als europäischer "Barometer"
Als Johannes Paul II. 1988 die Diözese Eisenstadt besuchte, war Ägidius Zsifkovics ein junger, spindeldürrer
Priester, als Zeremoniär des damaligen Eisenstädter Bischofs Stefan László von seinem Chef
damit beauftragt, den Besuch des Pontifex liturgisch vorzubereiten. Der damalige Aufruf des Papstes an die Katholiken
des Burgenlandes, geistig-geistliche "Brücke zum Osten" zu sein, hat sich in Ägidius Zsifkovics
tief eingeprägt. Ein Jahr später kam es zum Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs. Die Worte
des später heiliggesprochenen Karol Wojtila hatten etwas Prophetisches an sich gehabt. "Ich kann mit
Fug und Recht sagen", so Ägidius Zsifkovics in Erinnerung an seine Leseübungen mit Johannes Paul
II., "dass ich einem Heiligen beigebracht habe, die Worte der Messe auf Kroatisch und auf Ungarisch korrekt
auszusprechen – ich hätte mir aber nie gedacht, dass sich der Aufruf diese Mannes, Grenzen zu überwinden,
einmal so sehr über meine eigene Person und Lebensenergie artikulieren würde", so der heutige Eisenstädter
Bischof mit einem verschmitzten Lächeln. Denn die Rede von der Brückenfunktion hat Ägidius Zsifkovics
in seiner 5-jährigen Amtszeit als Bischof von Eisenstadt schweißtreibend-wörtlich genommen: sei
es die Pflege intensiver Beziehungen zu den Bischöfen osteuropäischer Diözesen; sei es der regelmäßige
Austausch mit politischen Entscheidungsträgern und Diplomaten östlicher Nachbarländer; sei es die
Freundschaft mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und der Orthodoxen Kirche und ihrer ostkirchlichen
Tradition; sei es der hemdsärmelig-pragmatische Umgang mit den Migrationsströmen aus Regionen des Nahen
Ostens – die Diözese Eisenstadt ist auf dem besten Weg, sich aus einer Position des Beschaulichen weiter zu
entwickeln zum Katalysator weit ausstrahlender Prozesse zwischen Ost und West im Geiste des Evangeliums: Als vergleichsweise
sehr junge, mehrsprachige und multikulturelle Diözese liege sie "an der Nahtstelle zwischen dem Westen
und Osten in Europa. Sie ist zwar nicht groß, aber was auch in Europa passiert: Sie spürt es schnell
und deutlich", so der Paderborner Pastoraltheologe und Experte für kirchliche Change-Prozesse Christoph
Jacobs, der Bischof Zsifkovics und die Diözese dabei unterstützt hat, einen synodalen Prozess im Burgenland
einzuleiten, um auch innerhalb der diözesanen Grenzen einen nachhaltigen Brückenschlag zu vollziehen:
hin zu einer neuen, den Lebenswelten heutiger Menschen Rechnung tragenden Pastoral, die sich von sklerotischen
Strukturen, veralteten Mustern unreflektierten Gewohnheitschristentums und von unerfüllbaren Versorgungserwartungen
eines säkular unterwanderten Wohlstandkatholizismus verabschiedet und andockt an das Engagement begeisterungs-
und teamfähiger Christen. "Zeitgenossenschaft" als Charisma einer Diözese und ihre Fähigkeit,
gesellschaftliche Umbrüche in spirituelle Aufbrüche zu transformieren.
Zsifkovics privat: "Manchmal ganz schön anstrengend, Brückenpfeiler zu sein"
Im Interview mit dem Büro für Kommunikation und Information der Diözese Eisenstadt kurz nach
der Betrauung mit der neuen Österreich-Aufgabe lässt der Bischof ungewöhnlich tief blicken: "In
dieser intensiven Kumulation drücken die vielen heiklen Verantwortungen schon sehr auf meine Schultern. Über
eine solide gebaute Brücke gehen, ist eine bequeme Sache; an der Brücke aber selbst mitzubauen und auch
noch Brückenpfeiler zu sein, kann manchmal doch ganz schön anstrengend sein. Ich bin schließlich
nicht Superman!" Aber dann denke er wieder daran, "welche Lasten der heilige Papst Johannes Paul II.
in seinem Leben bewegt hat. Und dann wird mir mit meinen vergleichsweise kleinen Aufgaben wieder leichter ums Herz
und ich sage mir: Ich bin nur ein Werkzeug höherer Zusammenhänge und es wird schon alles seine Bedeutung
gehabt haben: dass ich am Eisernen Vorhang aufgewachsen bin, als Kind einer Minderheiten-Volksgruppe und frommer
Eltern, die in mir das Sensorium dafür geweckt haben, dass es für Gottes Liebe keine Grenzen gibt; und
dass ich heute mit dieser seelischen Grundausstattung in diese schwierigen kirchlichen Funktionen mehr oder weniger
hineinfalle – und es mit meinem Glauben und meiner dicken Haut irgendwie schaffe, manche Dinge auszugleichen, Antagonismen
zu entschärfen, gesellschaftliche Bruchstellen zu überbrücken. Aber: Ohne das klare Wort zur rechten
Zeit geht gar nichts!", so Bischof Zsifkovics, der sich nach der Tragödie auf der burgenländischen
A4 mit 71 toten Flüchtlingen in einem LKW im August dieses Jahres in aller Schärfe an die europäische
Politik gewandt hatte.
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