Wien (universität) - Mithilfe neuester technischer Methoden hat ein internationales AstronomInnenteam unter
Beteiligung von João Alves von der Universität Wien erstmals Daten des ESA-Satelliten "Hipparcos"
in 3D visualisiert und im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" veröffentlicht. Diese Darstellung
enthüllt nicht nur neue Gruppierungen von Sternen in der Nachbarschaft der Sonne, sondern stellt die Existenz
des "Gould Belt" in Frage – eine berühmte ringförmige Struktur von Sternen in der Milchstraße.
3D-Visualisierungen könnten darüber hinaus besondere Bedeutung für die ESA-Mission "Gaia"
haben, die die Milchstraße mit bislang unerreichter Genauigkeit kartieren wird.
Basierend auf Daten des ESA-Satelliten Hipparcos, der 1989 gestartet wurde und bis 1993 in Betrieb war, haben ForscherInnen
eine dreidimensionale Karte von Sternen vom Typ O und B angefertigt. Diese Klasse von Sternen, deren Lebensdauer
nur maximal wenige zehn Millionen Jahre beträgt, sind wichtige Indikatoren von Sternentstehung in der jüngsten
Vergangenheit. Astronomen betrachten in diesen Projektionen die Positionen und Geschwindigkeiten der Sterne in
einer gegebenen Region und identifizieren jene Himmelskörper, die eine gemeinsame Bewegung zeigen und daher
wahrscheinlich Mitglieder der gleichen Sterngruppe sind.
"Unsere Studie zeigt deutlich, dass die Architektur der Sonnenumgebung deutlich anders aussieht, wenn man
sie in drei Dimensionen betrachtet", erklärt João Alves von der Universität Wien, der Koautor
der Publikation ist. Alves: "Wir haben eine dreidimensionale Darstellung aller von Hipparcos beobachteten
O- und B-Sterne innerhalb von etwa 1.500 Lichtjahren um die Sonne herum geschaffen und dadurch Hinweise auf neue
Strukturen gefunden sowie überraschende Theorien dazu, wie diese Sterne entstanden sind".
Mit ihrer modernen dreidimensionalen Analyse haben der Erstautor der Studie, Hervé Bouy vom Center for Astrobiology
(CSIC-INTA) in Spanien, und João Alves möglicherweise eine wichtige optische Täuschung durchschaut,
die durch die bisherigen zweidimensionalen Methoden zustande kam. Im 19. Jahrhundert identifizierten der britische
Astronom John Herschel und in der Folge der amerikanische Astronom Benjamin Gould einen 3.000 Lichtjahre langen
Teil eines Rings aus O- und B-Sternen in der Milchstraße. Dieser Gürtel wurde für eine Gruppierung
von Sternen gehalten und ist als "Gould Belt" bekannt. "Wenn man diese Sternenverteilung in 3D betrachtet,
muss man diese Sternengruppe neu interpretieren, wenn nicht sogar die Existenz des "Gould Belt' infrage stellen.
Er war nur ein Projektionseffekt".
Besonders interessant waren auch die Daten jener Sterne, die im Sternbild Orion liegen. Der Ursprung der blauen
Überriesen, die den Körper und den Gürtel dieses Sternbilds bilden, lag lange im Dunkeln. Die Entdeckung
des Orionstroms bietet nun eine einfache Lösung. Sie legt nahe, dass diese relativ weit voneinander entfernten
Populationen tatsächlich als Teil einer großen galaktischen Struktur miteinander verbunden sind, die
sich über mehr als 1.000 Lichtjahre und mindestens 25 Millionen Jahre Sternentstehungsgeschichte erstreckt.
Eine weitere Erkenntnis aus dieser Studie betrifft Beteigeuze, den roten Riesenstern im Arm des Orion. Die ForscherInnen
konnten eine neue lose strukturierte Gruppe namens Taurion OB enthüllen, von der sie glauben, dass sie Beteigeuzes
Geburtsort ist und seine Geschwistersterne enthält.
Die Resultate der Hipparcos-Studie zeigen die Vorteile der Visualisierung alter Daten mittels moderner Visualisierungsmethoden.
Die laufende "Gaia"-Mission wird weitere Daten liefern, die nötig sind, um tiefere Einblicke in
den Ursprung, die Entwicklung und die Struktur unsere Milchstraße zu erhalten.
Publikation in "Astronomy & Astrophysics"
H. Bouy & J. Alves (2015). Cosmography of OB stars in the solar neighbourhood,
Astronomy & Astrophysics, in press, Published online November 2015
DOI: dx.doi.org/10.1051/0004-6361/201527058
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