Österreich kann beim Wachstumstempo 2016/17 langsam wieder aufschließen
Wien (bank austria) - Unterschiedliche Herausforderungen, wie beispielsweise die Konjunkturverlangsamung
in den Schwellenländern als Folge niedriger Rohstoffpreise oder geopolitische Unsicherheiten nahmen der globalen
Wirtschaft im Jahr 2015 den Schwung. Mit rund 3 Prozent erreichte die Weltwirtschaft das geringste Wachstum seit
der Finanzkrise 2009. Dennoch hat sich die Erholung in Europa nicht nur fortgesetzt, sondern weiter gefestigt.
Die Wirtschaft konnte sogar an Dynamik gewinnen. Im günstigeren europäischen Umfeld konnte auch die österreichische
Wirtschaft zulegen. „Für das Jahr 2015 gehen wir von einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in Österreich
auf 0,9 Prozent aus, nach 0,4 Prozent im Jahr davor. Damit weist Österreich allerdings das zweite Jahr in
Folge einen Wachstumsrückstand vor allem gegenüber Deutschland auf“, analysiert Bank Austria Chefökonom
Stefan Bruckbauer.
Das Wirtschaftswachstum betrug 2014/15 in Deutschland durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr, während in Österreich
nur ein BIP-Anstieg um rund 0,5 Prozent jährlich erzielt wurde. „Unsere Analyse zeigt, dass für den Wachstumsrückstand
der österreichischen Wirtschaft vor allem die Schwäche der heimischen Nachfrage verantwortlich ist. Konsum-
und Investitionszurückhaltung sind die bestehenden Herausforderungen, während sich kein wesentlicher
Unterschied zur Entwicklung in Deutschland beim Wachstumsbeitrag des Außenhandels zeigt“, meint Bruckbauer.
Gründe für Konsumschwäche
Insbesondere der private Konsum hat sich in Österreich im Vergleich zu Deutschland sehr schwach entwickelt.
„Für die Konsumschwäche in Österreich seit 2012 sind drei Gründe zu nennen, die zu einem Rückgang
der verfügbaren Nettoeinkommen geführt haben: die schwächere Beschäftigungsdynamik, das höhere
Abgabenplus und die höhere Inflation“, so Bruckbauer. Während das Bruttolohnwachstum pro Kopf in Österreich
im betrachteten Zeitraum um 0,3 Prozentpunkte pro Jahr sogar etwas über dem deutschen Vergleichswert liegt,
ergibt sich durch die schwächere Beschäftigungsentwicklung ein in Summe um 0,6 Prozentpunkte geringerer
Anstieg der verfügbaren Einkommen in Österreich. Unter Berücksichtigung der stärker gestiegenen
Abgaben- und Steuerleistung der Österreicher sowie der in diesem Zeitraum um durchschnittlich 1,4 Prozentpunkte
höheren Inflation sind in Österreich die real verfügbaren Nettoeinkommen um ½ Prozent zurückgegangen,
während in Deutschland ein Plus von immerhin 0,8 Prozent zu Buche steht.
„Als Ursache für die Schwäche der Inlandsnachfrage, insbesondere des Konsums in Österreich muss
auch die unterschiedliche Form der Haushaltssanierung gelten“, meint Bruckbauer und ergänzt: „Während
in Österreich die Haushaltssanierung zwischen 2012 und 2015 vorwiegend über die Einnahmenseite erfolgte
und damit die Konjunktur belastete, ist in Deutschland fast die gesamte Verbesserung auf den Vorteil der niedrigen
Zinsen zurückzuführen.“ In beiden Ländern wurde der strukturelle Budgetsaldo zwischen 2012 und 2015
um rund einen Prozentpunkt verbessert. In Österreich wurden allerdings die Einnahmen um 1,3 Prozentpunkte
und die Ausgaben um 0,5 Prozentpunkte des BIP erhöht, was einen wachstumsdämpfenden Effekt von 0,8 Prozentpunkten
bedeutet. Niedrigere Zinsen brachten in Österreich einen Vorteil von 0,4 Prozentpunkten, während in Deutschland
fast die gesamte Haushaltssanierung auf den wachstumsschonenden Zinseffekt zurückzuführen ist. Bei konstanten
Einnahmen wurden die Ausgaben lediglich um 0,2 Prozentpunkte des BIP gesenkt. Deutschland hatte seine Haushaltssanierung
bereits vor der Krise begonnen.
Arbeitsmarkt belastet
Die gegensätzliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich und Deutschland ist zur Hälfte
auf das schwächere Wachstum und somit auf ein geringeres Beschäftigungsplus und zur Hälfte auf das
stärker wachsende Arbeitsangebot zurückzuführen. Hinter dem stärkeren Arbeitsangebotsanstieg
in Österreich steht ebenfalls zur Hälfte der stärkere Anstieg ausländischer als auch inländischer
Arbeitskräfte. „Bei Unterstellung des deutschen Beschäftigungs- und Arbeitskräfteangebotstrends
würde die Arbeitslosenquote in Österreich aktuell nicht 5,8 Prozent (Eurostat-Methode) betragen, sondern
wäre auf 3,3 Prozent gesunken“, analysiert Bruckbauer.
Aussichten 2016/17
Der österreichischen Wirtschaft sollte es 2016 gelingen mit der europäischen und deutschen Wachstumsdynamik
besser mithalten zu können. Mit dem Rückenwind der Erholung in Europa verbessert sich in Österreich
bereits seit Beginn des Herbstes die Industriekonjunktur. „Trotz eines Rückgangs gegenüber dem Vormonat
weist der Bank Austria Einkaufsmanagerindex mit einem aktuellen Wert von 51,4 Punkten weiterhin auf einen klaren
Wachstumskurs der österreichischen Industrie hin, die mittlerweile weitgehend zum Wachstumstempo in Europa
aufschließen konnte“, meint Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.
Der in einer monatlichen Umfrage unter österreichischen Einkaufsmanagern ermittelte Indikator übertrifft
im November den langjährigen Durchschnittswert und zeigt für Österreichs Industrie nun den achten
Monat in Folge Zuwächse an. „Aufgrund von weiteren Auftragssteigerungen aus dem In- und Ausland erhöhten
die österreichischen Industriebetriebe im November die Produktion, wenn auch langsamer als im Vormonat. Daher
agierten die Unternehmen bei Neueinstellungen vorsichtiger als zuletzt“, kommentiert Pudschedl die wichtigsten
Teilergebnisse. Die vorliegenden Vorzeichen, wie das günstige Indexverhältnis der Neuaufträge zu
den Lagern, sprechen für die Fortsetzung der zumindest moderaten Aufwärtsentwicklung. Dabei erhält
die heimische Industrie 2016/17 Unterstützung durch sich etwas verbessernde globale Rahmenbedingungen.
Österreich schließt bei Wachstumstempo auf
Die österreichische Wirtschaft sollte 2016/17 die etwas besseren globalen Rahmenbedingungen in eine stärkere
Exportdynamik umsetzen können. Die Entwicklung des Bank Austria EinkaufsManagerIndex insbesondere auch im
internationalen Vergleich sowie höhere Steigerungsraten im Außenhandel seit dem Sommer stimmen diesbezüglich
optimistisch. Das Wachstumstempo wird in Österreich jedoch maßgeblich durch die Inlandsnachfrage bestimmt
werden. „Der private Konsum wird 2016 wichtige Impulse durch die Steuerreform erhalten. Allein dadurch ergibt sich
nach unserer Berechnung ein positiver Wachstumseffekt von insgesamt rund 0,4 Prozent des BIP, sodass das Wirtschaftswachstum
in Österreich auf 1,5 Prozent steigt“, so Pudschedl. Durch die Steuerreform wird die im Vergleich zu Deutschland
ungünstigere Einkommensentwicklung der vergangenen Jahre umgekehrt. Im Durchschnitt wird die Steuerreform
eine reale Einkommenssteigerung um rund 2 Prozent bringen
Trotz bestehender Herausforderungen wird die Weltwirtschaft 2016 insgesamt besser in Schwung kommen, getragen von
einem robusten US-Wachstum und weniger Sorgen um die Schwellenländer. Die Erholung in Europa wird unter diesen
Rahmenbedingungen 2016 an Stärke gewinnen. Getragen von der Inlandsnachfrage wird im Euroraum mit 1,9 Prozent
ein Wirtschaftswachstum über dem langfristigen Trend erreicht werden. Die positiven Impulse durch die niedrige
Inflation auf das Realeinkommen im laufenden Jahr werden 2016 durch ein stärkeres Einkommenswachstum aufgrund
der Verbesserung am Arbeitsmarkt ersetzt werden. 2016 werden in Europa der Konsum und auch die Investitionen stärker
zulegen können. Dennoch ist die Outputlücke weiterhin sehr groß. Dies wird in Kombination mit den
sich kaum erhöhenden Inflationsaussichten die Europäische Zentralbank zu einer weiteren geldpolitischen
Lockerung veranlassen. „Wir gehen davon aus, dass die EZB in der nächsten Sitzung Anfang Dezember eine Ausweitung
des laufenden Wertpapierankaufprogramms bekanntgeben wird. Ein QE 2 ist für 2016 zu erwarten“, so Bruckbauer.
QE 2 in Sicht
Nach Einschätzung Bank Austria Ökonomen wird die EZB mit umfassenden Maßnahmen überraschen.
Neben einer möglichen Senkung des Einlagenzinssatzes um 10 bis 15 Basispunkte ist vor allem eine Ausweitung
des laufenden Wertpapierkaufprogramms um rund 500 Milliarden Euro wahrscheinlich. Die monatlichen Volumina würden
sich von derzeit 60 Milliarden Euro auf etwa 75 Milliarden Euro erhöhen und zudem würde das Programm
zeitlich bis ins Jahr 2017 hinein verlängert werden.
Die Zins- und Wechselkurstrends werden 2016 von einem Auseinanderdriften der Geldpolitik der beiden großen
Wirtschaftsblöcke USA und EU bestimmt werden. Der Lockerung in Europa steht die langsam beginnende Normalisierung
in den USA mit Zinsanhebungen ab Ende 2015 gegenüber. Während die US-Zinsen bereits in eine Aufwärtsbewegung
eingetreten sind, kommen die Kapitalmarktzinsen in Europa durch die weitere Lockerung zwischenzeitlich unter Druck,
werden jedoch etwa ab dem Frühsommer der Aufwärtsbewegung der US-Zinsen folgen. Die Ökonomen der
Bank Austria halten den US-Dollar derzeit gegenüber dem Euro für klar überbewertet. Eine Anpassung
wird jedoch erst im Jahresverlauf 2016 starten, wenn sich die Erholung in Europa fortsetzt und sich die Aussichten
verbessern. Eine graduelle Stärkung des Euro gegenüber dem US-Dollar ist fundamental durch Leistungsbilanzüberschüsse
sowie die Kapitalzuflüsse in günstiger bewertete europäische Assets begründet. Die Bank Austria
erwartet den Euro Ende 2016 bei 1,12 zum US-Dollar und damit um rund 6 Prozent stärker als derzeit.
„Die Konjunkturaussichten für die österreichische Wirtschaft für 2016/17 sind günstiger als
es die derzeitige Stimmung widerspiegelt. Die Steuerreform wird dazu beitragen, eine entscheidende Ursache der
Schwäche der heimischen Inlandnachfrage teilweise umzukehren. Auf internationaler Ebene gibt es mit der US-Zinswende,
den Konjunktursorgen um China und andere Schwellenländer sowie mit den geopolitischen Unsicherheiten im Mittleren
Osten zwar einige Risiken, jedoch keine Stolpersteine für die Fortsetzung der Erholung in Europa und in Österreich“,
so Bruckbauer abschließend.
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