Nationalrat debattiert finanzielle Ausstattung des Bundesministeriums für Bildung und
Frauen
Wien (pk) - Wie nicht anders zu erwarten, dominierte ein Thema die Nationalratsdebatte zum Bildungsbudget
am 25.11.: die Bildungsreform. Dass die finanziellen Auswirkungen der Änderungen in Schulorganisation und
–verwaltung nicht eindeutig festgelegt sind, zumal die gesetzlichen Grundlagen für die Reformschritte noch
fehlen, war zweitrangig. Wichtig war den Abgeordneten die Neuentwicklung des Bildungswesens, unbenommen ihrer parteipolitischen
Unterschiede bei der Bewertung der Reformideen.
Die schärfsten Töne zum bereits präsentierten Reformkonzept schlug die FPÖ an, als sie dem
Papier jede Substanz absprach; das Thema wurde vom Team Stronach aufgegriffen und zu einem Abgesang auf die Bundesregierung
weiterinterpretiert. Das angedachte Zusammenspiel von Bund, Ländern und Gemeinden bei der Schulverwaltung
ist für Grüne und NEOS bar jeder harmonischen Logik. Konstruktives Zusammenspiel im Bildungswesen werde
durch bestehende Dominanz der Länderstimmen gestört, so ihr Tenor.
Den Kontrapunkt setzten die Regierungsfraktionen, die bei den Modulationen von Schulorganisation und –verwaltung
klare Ansätze zur zukunftsweisenden Weiterentwicklung des Bildungswesens erkennen. Leichte Verschiebungen
in der Tonlage bei SPÖ und ÖVP gab es nur beim Schlussakkord Chancengerechtigkeit, den die SozialdemokratInnen
vor allem mit der Gemeinsamen Schule vernimmt, die Volkspartei durch die Stärkung der Schulautonomie. Die
oppositionellen Zwischentöne wohl beachtend, gab Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek als Leitmotiv
aus, dem Reformprojekt eine Chance zuzugestehen. Alle Abgeordneten seien aufgerufen, in die Umsetzung der Bildungsreform
einzustimmen, gerade bei Zwei-Drittel-Materien wie der verfassungsrechtlichen Neugestaltung der Schulverwaltung
Großen Diskussionsbedarf orten die Oppositionsparteien auch beim nächstjährigen Bildungsbudget,
weil sich hier eine Lücke von über 500 Mio.€ auftun werde. Bildungsministerin Heinisch-Hosek räumte
zwar das Weiterbestehen des strukturellen Defizits ein, nannte als Grund dafür aber vor allem die jahrelang
bindenden Ergebnisse der Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern, denen die Verwaltung der LandeslehrerInnen
obliegt. Zudem seien nicht alle angegangenen Schulreformen in Vorhinein ausreichend finanziell bedeckt gewesen.
Trotzdem ist sie überzeugt, mit dem Finanzministerium auch 2016 einen budgetären Ausgleich schaffen zu
können.
Mit 8,10 Mrd.€ hat das Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) laut Bundesvoranschlag 2016 grundsätzlich
um 106,4 Mio.€ mehr zur Verfügung als heuer. Die zusätzlichen Mittel dienen vor allem der Abgeltung gestundeter
Schulmieten, wird in den Budgetunterlagen erklärt. 2014 vereinbarte das Bildungsressort mit der Bundesimmobiliengesellschaft
(BIG), 88 Mio. € für Mieten von Bundesschulen erst 2016 zu bezahlen. Abgesehen von Mehrausgaben im Bereich
räumlicher Infrastruktur nennt das Bildungsressort als wichtigen Budgetposten den Ausbau Neuer Mittelschulen
sowie der schulischen Tagesbetreuung. Ganztagsangebote an Schulen sollen mit zusätzlichen 160 Mio. € an Pflichtschulen
und Bundesschulen (1. bis 9. Schulstufe) vorangetrieben werden,
Für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung sieht das Ministerium 2016 vom Gesamtbudget 10,15 Mio. € vor.
Veranschlagt werden die Mittel etwa für Bewusstseinsbildung in Sachen Gender-Mainstreaming, für Programme
zur Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt sowie Gewaltprävention und Opferschutz. Einen Teil des Geldes
werden wie gehabt Frauenprojekte und Frauenberatungseinrichtungen bekommen. Konkret sind es 5,7 Mio. €, die für
Frauenberatungseinrichtungen vorgesehen sind, zirka 4,1 Mio. € sind für den Gewaltschutz von Frauen veranschlagt,
die restlichen rund 300.000 € fließen in Publikationen oder "Mini-Kampagnen", etwa in Sachen Schönheitsindustrie
und Magermodels
Heinisch-Hosek: Bildungsreform Auftakt zur Schule der Zukunft
Über 90% des Bildungsbudgets würden in die Gehälter der Landes- und BundeslehrerInnen fließen,
erinnerte Bundesministerin Heinisch-Hosek. Durch den Finanzausgleich sei man über Jahre an die Ausgaben für
den Bildungsbereich gebunden. "Es wird wieder ein strukturelles Defizit geben, das wir wieder ausgleichen
werden". Sie vertraue für 2016 auf die guten Gespräche mit dem Finanzministerium. Zur finanziellen
Absicherung des Bildungswesen baut Heinisch-Hosek aber nicht nur auf die Verhandlungen mit Finanzminister Hans
Jörg Schelling. Die Bildungsreform werde dem Schulwesen im Einvernehmen mit allen Bundesländern eine
schlankere Behördenstruktur verleihen, Bildungspolitisch sei die Reform von der Elementarpädagogik bis
zur Gemeinsamen Schule ohnehin richtungsweisend. Das "Gesamtpaket zur Schule der Zukunft" solle im Sinne
der Bildung nicht vorverurteilt werden, appellierte die Ministerin. Eine Erfolgsmeldung hatte Heinisch-Hosek heute
schon zu verkünden: Einer jüngsten Erhebung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OECD) zufolge sei Österreich Europameister in der Berufsbildung.
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Rufe der Opposition nach echten Neuerungen
Ungeachtet des Aufrufs der Ministerin überboten sich die Oppositionsparteien mit ihrer Kritik. Den Freiheitlichen
mangelt es bei den Vorschlägen zur Bildungsreform an Substanz. Walter Rosenkranz setzte die Bildungsreform
mit "Absichtserklärungen und Überschriften" gleich, die bei der Schulverwaltung die bestehende
Einrichtung der Landesschulräte als neu zu schaffende Bildungsdirektionen lediglich verkompliziere. Wie praktikabel
die Bildungsreform sein wird, zweifelte Gerald Hauser stark an, immerhin würde es gemäß Reformkonzept
in ganz Osttirol kein Gymnasium mehr geben. Am zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr stößt sich FPÖ-Mandatarin
Barbara Rosenkranz, da nicht alle Kinder schon den entsprechenden Entwicklungsstand hätten. Bestimmungen wie
angedachte Opt-Out-Option nach drei Monaten und verpflichtende Sprachstandserhebungen schaden ihrer Meinung nach
Kleinkindern mehr als sie nützen.
Die Vorschläge zur Bildungsreform werten Harald Walser (G) und Matthias Strolz (N) als exemplarisch für
die Ausprägung macht- und parteipolitischer Interessen im heimischen Bildungssystem. Die Landeshauptleute
hätten im Reformpapier ihren Einfluss auf die geplanten neuen Verwaltungsbehörden, die Bildungsdirektionen,
"einzementiert". In einem gemeinsamen Antrag forderten die beiden Bildungssprecher daher von Ministerin
Heinisch-Hosek ein schriftlich festgehaltenes Bekenntnis zu einem Rückzug der Parteipolitik aus der Schulverwaltung.
Neben diesem Grundsatzpapier, das den Antragstellern zufolge von Regierung und Parlamentsfraktionen ausgearbeitet
werden soll, wollen Grüne und NEOS bis Ende Juni 2016 einen Maßnahmenkatalog zur Eindämmung des
partei- und machtpolitischen Zugriffs auf das Schulwesen sehen. Außerhalb dieser Forderung rügte Walser
wie Strolz die Regierung dafür, die "chronische Unterdotierung" des Bildungswesens jedes Jahr weiterzuführen;
Österreich falle dadurch im Vergleich mit anderen OECD-Staaten immer weiter zurück. 2016 wird das Bildungsressort
Strolz zufolge 550 Mio.€ mehr als veranschlagt benötigen.
Als Beispiel für den "Minimalkonsens", auf den sich ideologisch weit voneinander entfernte Verhandlungspartner
in der Koalitionsregierung bei der Bildungsreform geeinigt hätten, nennt Strolz in einem weiteren Antrag die
geplante Modellregion "Gemeinsame Schule". Die Begrenzung des Umfangs einer solchen Modellregion auf
jeweils 15% der Schulen und SchülerInnen eines Bundeslandes ist für den NEOS-Klubobmann kein Ausganspunkt
für eine innovative Erneuerung der Schulen zu vollständig autonomen Organisationsformen. Für Strolz
wird dieses Ziel eher erreicht, wenn die Politik den Schulen gesetzliche Möglichkeiten gibt, als "Pionierschulen"
pädagogische, finanzielle und personelle Autonomie tatsächlich zu leben.
NEOS-Jugend – und Wissenschaftssprecherin Claudia Angela Gamon setzte mit einem eigenen Antrag an die Bildungsministerin
nach, in dem neben umfassenden pädagogischen Freiheiten für alle Schulstandorte und –typen auch ein neues
Verständnis des Lehrberufs eingefordert wird. Lehrerinnen und Lehrer sind demnach als ExpertInnen in ihrem
beruflichen Feld zu fördern, wobei die Politik anstatt Prozentvorgaben zur Gestaltungsfreiheit an Schulen
einen "klaren Handlungsrahmen" zu gewährleisten habe sowie Zielvorgaben, deren Umsetzung und Erreichung
zu begleiten und evaluieren wären. Am Budget für nächstes Jahr bekrittelte Gamon speziell, die Ausgaben
für LandeslehrerInnen seien zu gering bemessen. Die strukturelle Lücke im Bildungsbudget bezeichnete
Sigrid Maurer (G) als "Ausdruck resignativer Politik", ebenso wie die präsentierte Absichtserklärung
zur Bildungsreform. Die eingeschränkte Form der Modellregionen zur Gemeinsamen Schulen verurteilte sie scharf,
die Grünen würden hier jedenfalls nicht zustimmen. Angaben zu Aufwendungen des Bildungsressorts für
die neue PädagogInnenbildung, bei der Universitäten und Pädagogische Hochschulen zusammenarbeiten,
vermisste Maurer im Budgetplan gänzlich.
Für das Team Stronach ist eine Ankurbelung des Wettbewerbs unter den Schulen – öffentlichen wie privaten
- der Schlüssel zur Qualitätssteigerung im Bildungswesen. Gemäß dieser Maxime präsentierte
Martina Schenk (T) ihren mit Robert Lugar verfassten Antrag auf Schaffung eines "Bildungsschecks", mit
dem der Besuch von Privatschulen auch sozial schwachen Familien ermöglicht wird. Denn Österreich brauche
eine Stärkung des Privatschulsektors, ist Schenk überzeugt. In privaten Bildungseinrichtungen werde ohne
politische Einflussnahme die Schulautonomie bereits gelebt, der Schenk das Gelingen im Rahmen der anvisierten Bildungsreform
indes abspricht.
Regierungsfraktionen blasen zum Aufbruch
Den Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen sowie der Neuen Mittelschulen mit Team Teaching, die Einführung
der modularen Oberstufe, den Ausbau der schulischen Berufsorientierung, die PädagogInnenausbildung Neu und
die Weiterentwicklung der inklusiven Bildung in den Modellregionen führten die RednerInnen von SPÖ und
ÖVP als Beleg an für die zukunftsorientierte heimische Bildungspolitik. Mit der angekündigten Bildungsreform,
ist Elisabeth Grossmann (S) überzeugt, würden weitere gesellschaftspolitisch bedeutende Fortschritte
gemacht. Ziel dabei sei, mehr Bildungsgerechtigkeit in Österreich zu schaffen, wobei sie die gemeinsame Schule
der 6 bis 15-Jährigen als wichtig hervorhob, um Kindern ungeachtet ihres familiären Hintergrunds gleiche
Chancen zu geben. Das entspricht auch dem Grundsatz von Marianne Gusenbauer-Jäger (S), die Bildung als Grundstein
zur Weiterentwicklung aller Menschen definiert. Elmar Mayr (S) sprach sich in diesem Zusammenhang für einen
"modernen Föderalismus" aus, der die Erprobung der Gemeinsamen Schule auch in ganzen Bundesländern
ermöglicht. Letztendlich erwartet Daniela Holzinger-Vogtenhuber (S) auch in finanzieller Hinsicht Verbesserungen
durch die Bildungsreform. Andrea Kuntzl (S) rückte die Förderung im Frühkindbereich ins Blickfeld,
sei diese doch maßgeblich zur Behebung von Entwicklungsdefiziten.
In Bezug auf kommendes Jahr verspricht sich Holzinger-Vogtenhuber ähnlich wie Asdin El Habbassi (V) eine Ausweitung
der hochwertigen Tagesbetreuung an Schulen, sowohl hinsichtlich Dauer als auch Qualität. El Habbassi macht
darin einen besonders großen Nutzen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund aus. Positiv
zur bestehenden Bildungssituation vermerkte Brigitte Jank (V), bereits jetzt attestierte die OSZE der Republik
hier Erfolge, und zwar bei den mittleren und höheren berufsbildenden Schulen. Diese Bildungseinrichtungen
würden Jugendlichen ermöglichen, problemlos in das Berufsleben einzusteigen. Manfred Hofinger (V), Andrea
Gessl-Ranftl und Erwin Preiner (beide S) fügten an, das gute duale Ausbildungssystem mit Lehre im Betrieb
und Berufsschule sei essentiell für Jugendbeschäftigung, wobei die SozialdemokratInnen die Lehre mit
Matura hervorhoben. Dieses Ausbildungsmodell eröffne Jugendlichen größere Perspektiven und die
Wirtschaft profitiere ebenso von motivierten Fachkräften, sagte Gessl-Ranftl, im Budget seien deswegen 16,4
Millionen Euro dafür vorgesehen. Der "Bildungsabwanderung" ist aus Hofingers Sicht mit einer Stärkung
der Bildungseinrichtungen auch in ländlichen Regionen Einhalt zu gebieten.
Sensibilität für Frauenrechte quer durch alle Parteien
Wie Frauenrechte mit einem fortgeführten Budget gesichert werden, darüber diskutierten die Abgeordneten
mit Gabriele Heinisch-Hosek in ihrer Funktion als Frauenministerin. Gender-Budgeting zur Umsetzung von Gleichstellung
in allen Ressortbereichen und Gewaltprävention lagen den Abgeordneten besonders am Herzen. Der Gender-Pay-Gap
ist etwa Dorothea Schittenhelm (V) und Wolfgang Knes (S) ein Dorn im Auge und sie unterstrichen, gleiche Leistung
müsse unabhängig vom Geschlecht mit gleichem Lohn abgegolten werden. Zur Abwehr von sexueller und psychischer
Gewalt gegen Frauen sei überdies noch viel mehr zu tun, auch in finanzieller Hinsicht, meinte Schittenhelm
weiters. Entscheidend sei hier nicht zuletzt, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken und die Öffentlichkeit
zu sensibilisieren. Alle Ministerien seien hier gefordert, ist die ÖVP-Mandatarin einer Meinung mit Aygül
Berivan Aslan (G), die außerdem darauf hinwies, Frauen seien viel häufiger von Armut betroffen als Männer.
Anstrengungen dagegen erläuterte Gisela Wurm (S) anhand von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des Sozialministeriums
für Frauen über 50 Jahre sowie von Bemühungen, Beruf und Familie besser vereinbar zu machen.
An der Finanzlage von Frauenberatungszentren und Gewaltpräventionsstellen kritisierte Aslan, dort herrsche
permanenter Geldmangel. Katharina Kucharowits (S) sprach in diesem Zusammenhang die Situation traumatisierter Asylwerberinnen
an, die genauso wie Österreicherinnen jeden Schutz vor Gewalt benötigen. Dem gleichbleibenden Frauenbudget
gesteht Martina Schenk (T) zwar nicht viel Handlungsspielraum zu, besonders im Bereich für Frauenhilfseinrichtungen,
dennoch sieht sie die 10 Mio.€ durchaus positiv.
Mit Verweis auf die gestern gestartete internationale Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" appellierte
Carmen Schimanek (F) wiederum mit einem Antrag an Heinisch-Hosek, die aktuelle Lebenssituation muslimischer Frauen
und Mädchen in Österreich wissenschaftlich erheben zu lassen. Konkret sei anhand einer Studie zu erfassen,
inwieweit diese Gruppe von Zwangsverehelichung, Genitalverstümmelung und Gewalt im Namen der Ehre betroffen
ist. Grundsätzlich warnte die Freiheitliche davor, dass nicht zuletzt durch die Zuwanderung von muslimischen
Flüchtlingen "das selbstverständliche Frauenbild unserer Gesellschaft unterwandert wird", gerade
bei Fragen der Gleichberechtigung.
Die "Gewaltfrei Leben"-Kampagne der letzten zwei Jahre hat für Heinisch-Hosek gezeigt, wie Gewaltopfern
oder bedrohten Frauen unbürokratisch Hilfe zuteilwerden kann. So seien von Helplines bis Workshops erfolgreiche
Initiativen gesetzt worden. Der Großteil des Frauenbudgets gehe dementsprechend an Hilfseinrichtungen für
Frauen, erläuterte die Ministerin, beispielsweise an Gewaltschutzzentren. In Ausarbeitung seien derzeit Informationsmaterialien
für Frauen, um ihnen ihre Ansprüche im Arbeitsleben und in der Person besser zu vermitteln.
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