Entwicklungszusammenarbeit soll keine Kürzungen erfahren
Wien (pk) – Terror und Flucht – um diese beiden Konstanten der internationalen Politik drehte sich die Nationalratsdebatte
vom 24.11. über das Außenbudget 2016. Angesichts des jahrelangen Syrien-Kriegs, der blutigen Konflikte
von Afghanistan bis Irak und der jüngsten Anschläge bzw. Angst vor Attentaten mitten in Europa diskutierten
die Abgeordneten eingehend, welche Aktionen international und national zur Beruhigung der Lage zu setzen sind.
Unvermeidbare Themen waren dabei auch der Umgang mit Flüchtlingen sowie die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit
(EZA). Außenminister Sebastian Kurz verdeutlichte im Zusammenhang mit der seit langem angestrebten EZA-Erhöhung
auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens, sein Ressort habe zwar einen konkreten Stufenplan vorbereitet, zur Umsetzung
fehle aber das Geld.
Laut Bundesvoranschlag hat das Außenministerium (BMEIA) nächstes Jahr grundsätzlich mehr Mittel
zur Verfügung. So soll das Außenbudget um 18,9 Mio.€ auf insgesamt 428 Mio. € anwachsen. Notwendig macht
diese Mittelerhöhung zum einen die Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds von 5 Mio. € auf 20 Mio.€. Zum
anderen wird die Ausgabenobergrenze für die Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls um 15 Mio. € auf 76,14 Mio.€
erhöht. Überdies will das Ministerium den Bundesländern mit 15 Mio.€ bei der Frühförderung
in Kindergärten unter die Arme greifen. Den Sparstift setzt das Außenressort künftig bei Botschaften
und Konsulaten an: Vertretungsbehörden im Ausland erhalten 2016 mit 156,95 Mio. € um 10,61 Mio. € (-6,3%)
weniger als heuer. Für Beiträge an internationale Organisationen hat das Außenamt mit 65,02 Mio.
€ auch weniger budgetiert; die Vereinten Nationen etwa erhalten um fünf Millionen Euro weniger.
Wie bei allen Budgetkapiteln bildete die Untergliederung des zuständigen Ressorts nur einen Teil der Debattengrundlage.
Die Budgetnovelle für Änderungen bei den Ausgaben heuer bzw. im Bundesfinanzrahmen bis 2019 lieferte
den Abgeordneten zudem Anhaltspunkte über aktuelle Maßnahmen der Bundesregierung, gerade im Zusammenhang
mit der Flüchtlingssituation.
Kurz: Kein EZA-Geld für Grundversorgung Asylwerbender
"Die Flüchtlingskrise fordert das Außenministerium doppelt", erklärte Bundesminister
Kurz mit Hinweis auf die Zuständigkeiten seines Ressorts, Außen- und Integrationspolitik. Vor diesem
Hintergrund setze man im Budget Schwerpunkte auf humanitäre Hilfe im Ausland und auf eine Absicherung der
Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit sowie auf die sprachliche Frühförderung in Kindergärten.
Einen vollinhaltlich ausgearbeiteten Stufenplan zur von der UNO vorgesehenen Erhöhung der EZA auf 0,7% des
Bruttonationaleinkommens gebe es bereits, sagte Kurz, doch ohne budgetäre Bedeckung bleibe dieser Stufenplan
eine "theoretische Übung". Eine klare Absage erteilte der Minister einer Umschichtung von EZA-Geldern
in den Topf zur Flüchtlingsversorgung im Inland.
Erhöhung der Entwicklungszusammenarbeit bleibt Streitthema
Die Außen- und Entwicklungspolitiksprecherin der Grünen, Tanja Windbüchler-Souschill (G), verlangt
eine verbindliche Strategie zur Erhöhung der EZA-Mittel auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens (BNE). In einem
Entschließungsantrag ihrer Fraktion fordert sie einen ressortübergreifenden Stufenplan zur Erreichung
dieses Zielwert bis 2030. Von der österreichischen Außenpolitik fordert Windbüchler-Souschill (G)
ein stärkeres Vorgehen gegen Waffenschmuggel. Einen weiteren Antrag zur EZA-Aufstockung, in dem aber speziell
auf die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen Bezug genommen wird, tragen neben den Grünen
auch NEOS und Team Stronach mit. Besonderes Augenmerk schenkt der Antrag, den NEOS-Mandatar Christoph Vavrik einbrachte,
den geographischen und inhaltlichen Schwerpunkten der EZA-Initiativen. Konkret bemängelte Vavrik am bestehenden
Stufenplan des Außenministeriums, darin würden lediglich "numerische" Angaben aufscheinen,
die Strategie sei also äußerst mager. Christoph Hagen vom Team Stronach kritisierte die geplante Kürzung
von Beiträgen an die Europäische Entwicklungsbank.
Zwar ohne eigenen Antrag, doch mit gleicher Verve wie ihre VorrednerInnen machte SPÖ-EZA-Sprecherin Petra
Bayr sich für eine Erhöhung der EZA-Mittel stark. Deutlich widersprach Bayr der Darstellung, am Bundeskanzler
liege es, wenn nicht mehr für Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt wird; tatsächlich trügen
die Verantwortung dafür Außenminister Sebastian Kurz und Finanzminister Hans Jörg Schelling. Sie
bezog sich dabei auf eine Aussage des ÖVP-Entwicklungszusammenarbeit-Sprechers Franz-Joseph Huainigg, der
Bundeskanzler habe zu veranlassen, dass die Erhöhung der EZA-Quote auf 0,7% des BNE vorangetrieben wird. Unabhängig
davon misst Huainigg den Aktivitäten des Außenministeriums zur Bewusstseinsbildung in Sachen EZA große
Bedeutung bei. So habe man erreicht, dass Jugendliche ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland absolvieren können,
referenzierte er auf den heute verhandelten Entwurf zum Budgetbegleitgesetz.
Die SozialdemokratInnen Christine Muttonen, Gisela Wurm, und Hannes Weninger unterstützten Bayr in ihrem Einsatz
für eine nachhaltige Ausweitungen der Entwicklungszusammenarbeit.
In Anspielung auf die Sicherheitslage in Europa meinte Muttonen, mittlerweile sei der Kontinent von einem "Gürtel
der Unsicherheit" umgeben. Außen- und Entwicklungspolitik müsse daher auch finanziell ein höherer
Stellenwert eingeräumt werden, die Aufstockung bei Auslandskatastrophenfonds und Entwicklungszusammenarbeit
seien hier erste Schritte. Die Gleichstellungsziele bei der EZA sprach Wurm an und erinnerte dabei an eine Allparteien-Entschließung,
die besonderes Augenmerk auf die Situation von Frauen und Mädchen einfordert.
Johannes Hübner (F) wiederum verlangte, künftig Zahlungen an EZA-Partnerländer von ihrer Bereitschaft
abhängig zu machen, abgewiesene AsylwerberInnen wiederaufzunehmen. In einem Antrag dazu schlägt der Freiheitliche
Außenpolitiksprecher vor, Entwicklungshilfen an entsprechende Abkommen zu binden. Die Ursachen der Flüchtlingssituation
besonders am afrikanischen Kontinent werden in den Augen von Andreas Karlsböck (F) von Österreich zu
wenig beachtet. Die Entwicklungszusammenarbeit dürfe nicht länger nach dem "Gießkannenprinzip"
erfolgen, sondern müsse mit konkreten bilateralen Aktionen Hilfestellungen in spezifischen Projekten geben,
sagte er ebenso wie die fraktionslose Abgeordnete Jessi Lintl. Das könne in weiterer Folge auch von wirtschaftlichem
Nutzen für Österreich sein.
Opposition will bei Asyl und Integration nachschärfen
Die Griechische Praxis der Flüchtlingsaufnahme problematisierte Christoph Hagen (T) und forderte einmal mehr
vom Außenminister, auf EU-Ebene finanziellen Druck auf Griechenland auszuüben, um die Registrierung
der MigrantInnen an der EU-Außengrenze sicherzustellen. Reinhard Eugen Bösch (F) erwartet von Kurz ein
Festhalten am Konzept "Asyl auf Zeit", sodass Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückkehren,
sobald der Fluchtgrund weggefallen ist. Im Moment sei das einzige Mittel, den Flüchtlingsstrom nach Europa
einzudämmen, die Grenzen der Europäischen Union sowie der Nationalstaaten abzusichern, ist Bösch
einer Meinung wie Hagen.
In seiner Funktion als Integrationsminister erhielt Sebastian Kurz von Alev Korun (G) die Rüge, immer noch
sei unklar, wie viele Deutschkursplätze von Bundesseite den Asylsuchenden angeboten werden. Hinsichtlich der
Mittelverteilung aus dem 75 Mio.€-Integrationstopf zeigte sich die Asylsprecherin zweifelnd, ob das Integrationsressort
daraus ausreichend Mittel für eine "ernstgemeinte Integrationspolitik" erhält. Nikolaus Berlakovich
(V) indes wies diese Vorhaltungen zurück; Minister Kurz habe kürzlich in einem klaren Integrationsplan
die notwendigen Maßnahmen für eine menschenwürdige Integration von Flüchtlingen vorgestellt.
Wien Hotspot internationaler Diplomatie
Reinhold Lopatka (V), Josef Cap und Anton Heinzl (beide S) begrüßten mit Verweis auf die Konferenzen
mit dem Iran und zur Syrien-Krise die wiedererstarkte Rolle Wiens als Tagungsort internationaler Diplomatie. Obwohl
die Ausgaben für das Außenamt nur 0,6% des 77 Mrd. € schweren Gesamtbudgets ausmachen würden, beteilige
sich die heimische Außenpolitik unter Federführung von Sebastian Kurz aktiv an der Beilegung internationaler
Konflikte, etwa in der Ukraine. Cap stimmte generell zu, wünschte sich aber eine noch stärkere Mitwirkung
an den Krisengesprächen, immerhin besitze das Außenressort mit seinen hochqualifizierten MitarbeiterInnen
die geeigneten Personen dafür. Kritisch sieht Heinzl allerdings die Kürzungen der Beiträge für
internationale Organisationen und er verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dies werde nicht Österreichs Beteiligung
an UN-Friedensmissionen einschränken.
Die fraktionslose Mandatarin Jessi Lintl begrüßte zwar, dass Wien als Austragungsort internationaler
Konferenzen an Bedeutung gewinnt, sprach dem Außenminister aber die Durchsetzungskraft innerhalb der eigenen
Partei und der EU ab. Sie bezog sich dabei auf die Sanktionen gegen Russland, die von Österreich mitgetragen
wurden, und auf die Reaktionen gegenüber Ungarn infolge seiner Flüchtlingspolitik.
ÖVP-Abgeordnete Angelika Winzig lobte hingegen die Außenpolitik am Beispiel der Neuorganisation des
Vertretungsnetzes Österreichs in der Welt, da diese Umstrukturierung von Botschaften nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten erfolge. Die konstruktive Wirtschaftspolitik des Außenministeriums zeige sich überdies
in den EZA-Wirtschaftspartnerschaften.
Die Südtirol-Politik schnitt SPÖ-Mandatar Hermann Krist an, als er bedauerte, die jährliche Südtirol-Förderung
des BMEIA werde weiterhin nicht mehr als 10.000 betragen. Mehr finanzielle Unterstützung in einem anderen
Bereich liegt Wendelin Mölzer (F) besonders am Herzen. In einem eigens eingebrachten Antrag fordert er die
Bundesregierung auf, deutschsprachigen Minderheiten im benachbarten Ausland mit "entsprechenden Fördermitteln
in ausreichendem Maß" zu unterstützen. Der Regierung in Person von Außenminister Kurz hielt
Mölzer vor, keine dauerhafte Vergabe von Fördergeldern zur Stärkung deutschsprachiger Bevölkerungsgruppen
in Ländern wie Slowenien anzudenken.
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