Wien (orf) - Die Gewinner des „Salzburger Stier 2016“ stehen fest: Preisträger sind der Österreicher
Gery Seidl, Martin Zingsheim aus Deutschland und für die Schweiz Uta Köbernick. Der renommierte Radio-Preis
für deutschsprachiges Kabarett ist mit je 6.000 Euro dotiert und wird beim Kabarettforum „Salzburger Stier“,
das von 20. bis 21. Mai im deutschen Paderborn stattfindet, überreicht. Gastgeber ist der WDR.
Gery Seidl ist ein erklärter Verfechter der aufmerksamen Zivilgesellschaft. Er beobachtet das Verhaltensrepertoire
seines Umfeldes in fordernden Situationen ebenso genau wie sein eigenes. Die Programme des Kabarettisten sind immer
auch Spiegelbild realer Lebenssituationen. Denn Gery Seidl schöpft seine Satiren auf alltägliche Bewältigungsstrategien
nicht nur aus der Diskrepanz zwischen menschlichem Schein und Sein. Auch der authentisch agierende Mensch, dem
die Kunst der Täuschung gänzlich fremd ist, findet sich in Gery Seidls Geschichten wieder. Der Skurrilität
zwischenmenschlicher Interaktionen räumt der Kabarettist in seinen Programmen einen hohen Stellenwert ein.
Vielleicht eine Reminiszenz an seine berufliche Vergangenheit, denn Gery Seidl, Jahrgang 1975, entschied sich ursprüngliche
für eine Karriere in der Bauwirtschaft. Der österreichische Schauspieler und Kabarettist Herwig Seeböck,
der u.a. Alfred Dorfer, Roland Düringer, Andrea Händler oder Josef Hader die Schauspielkunst lehrte,
konnte auch Gery Seidl für die Bühne gewinnen. 2003 präsentierte Seidl im Duo mit seinem Kollegen
Gerhard Walter das Programm „Warum Richard III.?“, in den darauffolgenden Jahren wurden Seidl und Walter mit dem
Grazer Kleinkunstvogel, dem Kärntner Kleinkunstdrachen, dem Münchner Kabarettkaktus und dem Österreichischen
Kabarettförderpreis ausgezeichnet.
Mit dem Programm „Wegen Renovierung offen“ trat Gery Seidl 2008 erstmals als Solist in Erscheinung und erspielte
sich erneut den Österreichischen Kabarettförderpreis. Er ging mit Joesi Prokopetz auf Tournee und brachte
in der Folge drei weitere Soloabende, ein Weihnachts-Special und ein „Best of“-Programm auf die Kleinkunstbühne.
Gery Seidl wirkte in unterschiedlichen Film- und Fernsehproduktionen mit sowie in ORF Comedy-Formaten wie „Eckel
mit Kanten“ oder „Was gibt es Neues“. In seinem aktuellen Solo „Bitte.Danke“ bietet Gery Seidl Einblicke in die
Seelenlandschaft eines jungen Paares. In der Rolle des smarten Erzählers, der Witz und Charme wohl zu dosieren
weiß, lädt der Kabarettist zu einer heiteren Tour entlang der Stolpersteine des Lebens und liefert eine
pointierte Anleitung zum österreichischen Wesen.
Deutscher Preisträger ist Martin Zingsheim, einer der vielseitigsten und spannendsten jungen Kabarettisten
der deutschsprachigen Kleinkunstszene. Er vermag nicht nur auf der Bühne zu überzeugen, sondern weiß
seine Kunst auch im Radio einzusetzen. „Kopfkino“ heißt das eine aktuelle Programm und „Martin Zingsheim
singt Lore Lorentz“ das andere. Martin Zingsheim hat viele Talente:
Er ist Musiker, Doktor der Musik, Arrangeur, Chansonnier, Satiriker, Kabarettist und präsentiert seine Kunst
nicht nur auf den Kleinkunstbühnen und im Netz, sondern kann auch Radio. Wer ihn hört, der muss schnell
sein und politisch auf der Höhe der Zeit, denn sonst bekommt man nicht jede Pointe, jede Spitze mit. Er redet
über Gott und die Welt, Liebe und Hass, Erziehung und Pauschalreisen, erklärt Veganismus zur rein lexikalischen
Herausforderung und plant den Sturz herrschender Systeme durch getanzte Revolutionen. Immer ganz scharf am Rande
des Scharfsinns. Wenn er nicht spricht auf der Bühne, dann macht er Musik. Aktuell hat er die nur scheinbar
alten Songs der Düsseldorfer Kommödchen-Prinzipalin Lore Lorentz für sich entdeckt und viele davon
neu vertont. Das Verblüffende dabei: Es ist den Texten nicht anzuhören, ob sie gestern oder bereits vor
einigen Jahrzehnten geschrieben worden sind, sind sie doch so zeitlos wie der Titel „Krieg ist Frieden, der woanders
ist“. Für seine fulminanten Programme, mit denen er seit gut zehn Jahren unterwegs ist, wurde Martin Zingsheim
bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2015 mit dem Förderpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis.
Mit Uta Köbernick würdigt der Schweizer Salzburger Stier eine politische Lyrikerin und Musikkabarettistin,
die ihr Publikum in Deutschland, Österreich und der Schweiz ins Nachdenken, Träumen und Schmunzeln singen
kann. Die in Ostberlin geborene Wahlschweizerin Uta Köbernick verblüffte gleich mit ihrem ersten Soloprogramm
„Sonnenscheinwelt“ (2006) Publikum und Medien. Verschmitzt blätterte sich die Debütantin auf der Bühne
durch ein Notizbuch voller irrwitziger Aphorismen und Sinnverdrehungen, spielte Geige und Gitarre und erfand kinderliedklare
Melodien mit Widerhaken. Scheinbar über Nacht war aus der Schauspiel-Abgängerin der Theaterhochschule
Zürich mit Vertrag am Berliner Ensemble unter Claus Peymann die Liedermacherin Köbernick geworden. Eine
Stimme, die aus der deutschsprachigen Kleinkunstszene heute nicht mehr wegzudenken ist. Die Wertschätzung
verschiedener Jurys ließ nicht lange auf sich warten. 2009 gewann sie den Förderpreis des renommierten
deutschen Kleinkunstpreises und dem Studioalbum ihres zweiten Programms „auch nicht schlimmer“ wurde 2011 der Preis
der deutschen Schallplattenkritik zugesprochen. Köbernick steht in der literarischen Tradition des im September
2015 verstorbenen Liedermachers Christof Stählin, in dessen „Akademie für Poesie und Musik“ sie Mitglied
war. Ihr drittes und jüngstes Soloprogramm „Grund für Liebe“ (2015) hatte just an Stählins Todestag
Premiere.
Der „Salzburger Stier“ ist mit jeweils 6000 Euro dotiert und wird seit 1982 jedes Jahr an Kabarettistinnen und
Kabarettisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz verliehen - 2016 bereits zum 35. Mal. Er ist nicht
nur einer der begehrtesten Kabarettpreise, sondern auch die größte Radio-Koproduktion im Bereich Unterhaltung.
Nicht weniger als zehn Radiostationen arbeiten für den „Salzburger Stier“ eng zusammen: ORF, Schweizer Radio
und Fernsehen, sieben ARD-Sender sowie die RAI Südtirol.
WDR 5 organisiert die Großveranstaltung in Paderborn gemeinsam mit dem KulturBüro-OWL, das im Vorfeld
der Preisverleihung ab 9. Mai ein Kabarett-Festival mit hochkarätig besetzen Kabarettabenden veranstaltet.
Den Auftakt des „Salzburger Stier 2016“ in der Paderhalle bestreitet am 20. Mai 2016 der deutsche Stierpreisträger
2004 Olaf Schubert. Die Preisverleihung findet am Samstag, den 21. Mai 2016 statt. An diesem Abend unterhalten
die „Stier“-Preisträger mit Auszügen aus ihren aktuellen Programmen. Präsentator der beiden Veranstaltungen
ist der Kabarettist und Conférencier Matthias Brodowy. Ö1 überträgt am 20. Mai live ab 19.30
Uhr. Ausführliche Porträts der Ausgezeichneten sind am 29. Mai (Gery Seidl), am 5. Juni (Uta Köbernick)
und am 12. Juni (Martin Zingsheim) im Kleinkunstmagazin „Contra“ zu hören - immer sonntags um 22.05 Uhr in
Ö1.
|