Fischer forderte Einhaltung europäischer Werte im Antiterrorkampf ein – Nationalratspräsidentin
Doris Bures: Demokratie zu verteidigen, heißt auch, grundlegende Freiheiten hochzuhalten
Wien (pk) – Die kompromisslose Verteidigung der Demokratie, des Rechtsstaats, der Freiheit und der Menschenrechte
muss die unmissverständliche Antwort auf die schrecklichen Terroranschläge sein, die in jüngster
Zeit nicht nur Frankreich erschüttert haben. Daran ließ am 23.11. die österreichische Staatsspitze
im Rahmen der Gedenkveranstaltung im Parlament anlässlich der Attentate von Paris keinen Zweifel aufkommen.
"Wir werden sie nicht siegen lassen!", stellte Nationalratspräsidentin Doris Bures fest, die wie
Bundespräsident Heinz Fischer nicht nur Solidarität mit den Opfern des Terrors, sondern auch mit jenen
einforderte, die Schutz und Hilfe fern ihrer Heimat suchen. Bundesratspräsident Gottfried Kneifel appellierte,
die Terrorakte von Paris zum Anlass zu nehmen, das europäische Werteprofil neuerlich zu schärfen.
Die Nationalratspräsidentin hatte gemeinsam mit dem Bundesratspräsidenten zum Gedenken an die Opfer des
Terrors in die Säulenhalle des Parlaments geladen. Anteilnahme und Solidarität brachten mit ihrer Anwesenheit
nicht nur die Mitglieder der Bundesregierung mit Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner
an der Spitze zum Ausdruck, sondern auch der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf und der Dritte Nationalratspräsident
Norbert Hofer sowie zahlreiche Abgeordnete und BundesrätInnen. Anwesend waren zudem der Präsident des
Rechnungshofs, die VolksanwältInnen, die VertreterInnen der Höchstgerichte und die Vertreter der Glaubensgemeinschaften.
Auch der Botschafter der Republik Frankreich, Pascal Teixeira da Silva, befand sich unter den zahlreichen Gästen.
Die Reden wurden mit Werken von Beethoven, Mozart und Bach begleitet, intoniert durch Mitglieder der Wiener Philharmoniker.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete die Europahymne.
Bures: Neue starke Bündnisse gegen den Terrorismus
Nationalratspräsidentin Doris Bures sagte, die Terroranschläge in Frankreich hätten gezeigt, "wenn
Terroristen unsere Gesellschaft destabilisieren und spalten wollen, rücken wir näher zusammen".
Leider sei zu erwarten, so die Nationalratspräsidentin, dass die feigen Terrorattacken nicht mit einem Schlage
aufhören werden und dass wir uns auf einen längeren Kampf gegen die Feinde der Freiheit einstellen müssen.
"Erfreulich ist allerdings, dass sich im Lichte der jüngsten Ereignisse – über alle bisherigen Trennlinien
hinweg – neue starke, globale Bündnisse gegen diesen hinterhältigen Terrorismus gebildet haben."
Weiters plädierte die Nationalratspräsidentin dafür, dass wir uns bei der Reaktion auf die Pariser
Terror-Angriffe nicht zu sehr von Angst leiten lassen dürfen: "Angst, so verständlich sie ist, ist
oft kein guter Ratgeber. Ganz besonders gilt das, wenn es um das sensible Verhältnis von Freiheit und Sicherheit
geht. Die Demokratie zu verteidigen, heißt nämlich auch, grundlegende Freiheiten hochzuhalten. Denn
ohne Freiheit kann es auch keine Demokratie geben", so Bures.
Allerdings müsse den islamistischen Terroristen klargemacht werden, "dass unsere Freiheit und Demokratie
blutig erkämpft worden sind und wir sie daher entschlossen und wehrhaft verteidigen werden", sagte die
Nationalratspräsidentin. Gegen Ende ihrer Rede wies Bures darauf hin, dass die europäische Solidarität
auch jenen gelten muss, die Hilfe und Schutz vor den Terroristen fern ihrer Heimat suchen. Nationalratspräsidentin
Bures: "Menschenrechte gelten für alle Menschen auf der Welt. Sie sprechen keine bestimmte Sprache und
haben keine bestimmte Religion. Die Terroristen werden uns nicht zwingen können, von unseren Grundwerten abzuweichen."
Kneifel: Schutz der Menschenrechte neuerlich bekräftigen
Die Fundamente der europäischen Wertegemeinschaft dürfe man sich nie und nimmer erschüttern lassen,
hielt auch Bundesratspräsident Gottfried Kneifel im Bewusstsein fest, dass die Terrorakte eine Aggression
gegen die offene, freie und humanistische Gesellschaft gewesen sind. Werte entstünden durch ständiges
Bewerten, durch Achten, aber auch durch Ächten, sagte er und richtete sich an die Aggressoren mit den Worten:
"Wir verachten jene, die diese Werte nicht beachten und sogar mit Füßen treten". Kneifel rief
dazu auf, die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 neuerlich zu bekräftigen
und damit das Werteprofil zu schärfen. Das sei auch eine Forderung an uns selbst. Er verknüpft damit
Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft, denn die Antwort auf die Terrorakte sei ein klares Ja zu den universellen
Menschenrechten, zur Demokratie, zum Rechtsstaat, zur Trennung von Religion und Politik und zur Urteilsfindung
durch Vernunft für ein lebenswertes Österreich und ein sicheres Europa. "Menschenrechte sind die
Grundlage der Gerechtigkeit und des Friedens auf der Welt", so Kneifel.
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Bei aller Notwendigkeit, konsequent gegen den Terror vorzugehen, dürfe man die europäischen Werte
nicht vergessen, war auch der Tenor der Reden von Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann
und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.
Fischer: Mord und Terror bekämpfen, nicht aber den Islam oder bestimmte Nationalitäten
"Mord und Terror müssen mit Härte und Konsequenz bekämpft, bestraft und verhindert werden,
aber ohne das zivilisatorische Niveau, das die europäischen Demokratien erreicht haben, über Bord zu
werfen", forderte Bundespräsident Heinz Fischer Verhältnismäßigkeit im Kampf gegen den
Terrorismus ein. Man brauche Schutz und Sicherheit, aber auch bei der Abwehr von Terror und Terroristen seien die
europäischen Grundwerte entschlossen zu verteidigen, unterstrich Fischer. Der Bundespräsident warnte
davor, das Kalkül der Terroristen aufgehen zu lassen, nämlich durch die Verbreitung von Hass und Angst
die Vernunft zu schwächen und irrationales Verhalten zu stärken.
Fischer stellte klar, dass man Mord und Terror bekämpfe, aber nicht den Islam oder bestimmte Nationalitäten.
Er appellierte auch, Flüchtlinge angesichts der Terrors nicht zu Sündenböcken zu machen. Was Terroristen
verbrechen, dürfe nicht dazu führen, Flüchtlinge in doppelter Weise zu Opfern zu machen, indem man
sie für Terroranschläge in anderen Ländern unter Generalverdacht stelle.
Gleichzeitig mahnte das Staatsoberhaupt, Österreich sei keine Insel der Seligen. In Österreich werde
aber mit vollen Einsatz daran gearbeitet, die BürgerInnen bestmöglich zu schützen und die Position
als sicheres Land aufrechtzuerhalten. Das sei auch eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung und aller
Institutionen, die für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit Verantwortung tragen. Dabei sei zu wünschen,
so die Worte des Staatsoberhaupts, dass neben internationaler Kooperation ein von der Regierung getragenes und
mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte übereinstimmendes Paket an Maßnahmen
ausgearbeitet wird.
Faymann: Österreich ist nicht neutral gegenüber dem Terror
"Österreich ist ein neutrales Land, aber nicht neutral gegenüber dem Terror", bekräftigte
Bundeskanzler Werner Faymann die klare Haltung Österreichs. So sei das österreichische Militär etwa
in friedenserhaltenden Missionen mit einer sehr klaren Botschaft im Einsatz. Die Regierung werde jene gesellschaftspolitischen
Kräfte, die dem Zusammenhalt den Vorrang geben, gegenüber jenen, die den Hass fördern, stärken,
sagte er und zollte in diesem Zusammenhang den Glaubensgemeinschaften Anerkennung, die eine respektvolle Art der
Kooperation gefunden haben, wodurch sich ein konstruktiver und fruchtvoller Dialog ergebe, so der Kanzler.
Faymann bezeichnete es auch als "ein Gebot der Stunde", auf den Terror durch einen Schulterschluss, durch
ein Zusammenrücken und durch verstärkte Zusammenarbeit mit der europäischen Wertehaltung zu reagieren.
Die Wertehaltung zu verteidigen, sei aber auch eine Frage der Taten, spielte der Kanzler auf die Flüchtlingsfrage
an. "In einer Zeit, in der wir auch zum Thema Menschenrechte und Menschenwürde auf dem Prüfstand
stehen, zeigt sich bei der Hilfe für Schutzsuchende, ob wir in der Lage sind, dieses Menschenrecht zu leben",
stellte er fest. Die Grundlage für ein friedliches Europa sei ein faires, respektvolles Europa des Zusammenhalts.
Viele Aufgaben könne man politisch und gesellschaftspolitisch leisten, um zu zeigen, dass uns Gewalt, Hass
und Terror nicht einschüchtern können, sagte Faymann.
Mitterlehner: Balance zwischen Freiheit und Überwachung
Für Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist das Erschütternde an den jüngsten Angriffen, dass sie
sich gegen die Bürger im Allgemeinen gerichtet haben, gegen die Gesellschaft an sich. Die Terroristen hätten
sich das Ziel ihrer Attacken nicht zufällig ausgesucht. Frankreich stehe symbolhaft für Gleichheit, Freiheit,
Brüderlichkeit, für die europäischen Werte, so Mitterlehner.
Mitterlehner sprach das schwierige Spannungsfeld zwischen Freiheit und Überwachung an und forderte eine "Balance"
ein. Es gehe um eine sorgsame Diskussion, sagte er und stellte klar: "Wir respektieren die Verfassung und
den Rechtsstaat, aber diejenigen, die sich bewusst über alle rechtlichen Grenzen hinwegsetzen, dürfen
nicht damit spekulieren, dass wir nicht mehr als die derzeitigen Schranken des Rechtsstaates diskutieren".
Der Vizekanzler hält es auch für zu wenig, den Terror nur militärisch zu bekämpfen. Man müsse
sich auch durch die Verteidigung der Werte wehren, betonte er. Deshalb müsse etwa beim Thema Integration die
Einhaltung europäischer Werte "nicht nur Kür, sondern Pflicht" sein.
Der Vizekanzler räumte ein, dass es im Kampf gegen den Terror keine Patentlösung gibt, sondern umfassende
Maßnahmen notwendig seien. Man müsse sich dabei eines vor Augen halten: Die erste Grenzüberschreitung
sei nicht physische Gewalt, sondern fast immer die Verletzung mit Worten, mahnte er und rief zu mehr Respekt, auch
bei unterschiedlicher Meinung auf.
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