Hundstorfer: Zielpunkt-MitarbeiterInnen werden Geld vor Weihnachten bekommen
Wien (pk) - Der Sozialausschuss hat am 03.12. mit den Stimmen von SPÖ , ÖVP, FPÖ und dem
Team Stronach den geplanten Anpassungen im Arbeitsrecht mehrheitlich zugestimmt. Das Arbeitsrechtspaket soll vor
allem mehr Transparenz bei All-In-Verträgen, Einschränkungen bei Konkurrenzklauseln und beim Ausbildungskostenrückersatz
sowie flexiblere Arbeitszeiten bringen. Zudem müssen Unternehmen Teilzeitbeschäftigte in Zukunft informieren,
wenn eine Stelle mit einem höheren Arbeitsausmaß ausgeschrieben wird. Verkürzt werden auf Vorschlag
der Koalition und einem Ja von allen Oppositionsparteien außer den Grünen zudem die täglichen Ruhezeiten
im Hotel- und Gastgewerbe.
Die FPÖ brachte außerdem die von Integrationsminister Sebastian Kurz kritisierten nach Frauen und Männern
getrennten Kompetenzchecks bei Flüchtlingen aufs Tapet. Die vom Arbeitsmarktservice angebotenen Kurse wurden
von Hundstorfer verteidigt. So wie in der Vergangenheit auch würden mit bestem Knowhow spezielle Programme
für Frauen angeboten. Nichts hält der Sozialminister von "Zwischenveranstaltungen". Bei der
Flüchtlingsfrage gehe es um wichtigere Themen, etwa, die Menschen nach dem erfolgten Kompetenzcheck punktgenau
zu integrieren.
Für heftige Diskussionen sorgte im Parlament einmal mehr die Zielpunkt-Pleite. Die Freiheitlichen werfen Sozialminister
Rudolf Hundstorfer vor, für die gekündigten MitarbeiterInnen keine unbürokratische und schnelle
Hilfe anbieten zu können. Ein Vorwurf, den sich Hundstorfer nicht so einfach gefallen lässt, zumal die
MitarbeiterInnen noch vor Weihnachten ihr Novembergehalt sowie das Weihnachtsgeld bekommen werden, wie er im Sozialausschuss
sagte.
Transparentere All-In-Verträge, kürzere Ruhezeiten in Saisonbetrieben
Durch das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz ( 903 d.B.) soll bei All-In-Verträgen in Zukunft der Grundlohn
am Dienstzettel angegeben werden, was mehr Transparenz bei der Entlohnung bringen soll. Konkurrenzklauseln sind
außerdem nur noch dann zulässig, wenn das Monatsentgelt mindestens 20mal so hoch ist wie die tägliche
ASVG-Höchstbeitragsgrundlage, also derzeit de facto zumindest 3.100 € beträgt. Auch bei der Rückforderung
von Ausbildungskosten kommt es zu Einschränkungen: die Rückforderungsfrist wird von fünf auf vier
Jahre verkürzt, zudem muss der Rückerstattungsbetrag künftig zwingend nach Monaten aliquotiert werden.
Zudem werden die Arbeitszeitregelungen mit den Anpassungen flexibler. Die Höchstarbeitszeit von 10 Stunden
darf um bis zu zwei Stunden überschritten werden, wenn es sich dabei um eine aktive Reisezeit, also wenn ein
Fahrzeug auf Anordnung des Dienstgebers gelenkt wird, handelt. Lehrlinge über 16 Jahre dürfen durch die
Anpassungen zudem bis zu zehn Stunden täglich arbeiten. Dann, wenn passive Fahrzeiten, etwa auf Grund von
Montagearbeiten, anfallen.
Der von der Koalition eingebrachte Abänderungsantrag wird Erleichterungen für Saisonbetriebe im Hotel-
und Gastgewerbe bringen. Da in derartigen Betrieben ein Ausgleich für verkürzte Ruhezeiten innerhalb
von zehn Tagen oft nur schwer möglich ist, soll der Kollektivvertrag künftig einen verlängerten
Durchrechnungszeitraum zulassen können. Erlaubt sein wird eine Verkürzung der täglichen Ruhezeit
auf bis zu acht Stunden, wenn solche Verkürzungen während der Saison bzw. in unmittelbarem Anschluss
an die Saison ausgeglichen werden. Dabei sind Ruhezeitverkürzungen in einem eigenen Ruhezeitkonto zu erfassen.
"Wir bekennen uns zu allen Punkten", sagte August Wöginger (V), der damit die grundsätzliche
Haltung seiner Fraktion gegenüber den geplanten Anpassungen im Arbeitsrecht zum Ausdruck brachte. Der Wunsch
nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeit komme verstärkt auch von ArbeitnehmerInnen, um nach dem Außendienst
die Möglichkeit zu haben, am selben Tag wieder nach Hause zu fahren. Zudem sei die Informationspflicht besonders
für die Frauenteilzeit sehr wichtig, wie sich Wöginger und SPÖ-Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig
einig waren.
Gerald Loacker (N) wertete die neue Auskunftsregelung wiederum als "Zwangsinformation" für UnternehmerInnen.
Zudem hätte er sich eine noch großzügigere Arbeitszeitflexibilisierung gewünscht, wie er meinte.
Kritisch sieht er aber die Einschränkungen bei der Rückerstattung von Ausbildungskosten. Bereits jetzt
gebe es eine "jenseitige Praxis". Unternehmen werde es dadurch erschwert, Investitionen für die
Ausbildung ihrer MitarbeiterInnen zu tätigen. Ein "völliger Holler" ist aus seiner Sicht zudem
die Informationspflicht für Unternehmen gegenüber ihren TeilzeitmitarbeiterInnen.
Die neuen Arbeitszeitregelungen bewertete Werner Groiß (V) als notwendige Anpassung der Arbeitszeit an die
Praxis. Es sei wichtig, Menschen das Arbeiten zu ermöglichen, wenn diese auch anfällt, was etwa in Saisonbetrieben
der Fall ist. Walter Schopf (S) stellte klar, dass die Arbeitszeitausweitung bei Lehrlingen nicht bedeutet, dass
diese länger arbeiten dürfen. Die neue Regelung komme ausschließlich bei passiver Reisezeit zum
Tragen.
Waltraut Dietrich (T) sprach über "viele sinnvolle Maßnahmen" und nannte hier etwa die Einschränkungen
bei den Konkurrenzklauseln. Ein Punkt, dem man Birgit Schatz (G) zufolge ohne Bedenken zustimmen könne, nicht
aber der Verkürzung der Ruhezeiten in Saisonbetrieben. Massive Bedenken hat Schatz zudem hinsichtlich der
Arbeitszeitausweitungen.
Mit den Anpassungen im Arbeitsrecht mitverhandelt wurden drei Oppositionsanträge. Abgelehnt wurden mit den
Stimmen von SPÖ und ÖVP eine Initiative der NEOS, die eine Reihe von sozialrechtlichen Anliegen wie die
Ausweitung der Probezeit bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen von einem auf drei Monate enthält sowie
ein Antrag der Grünen. Darin spricht sich Birgit Schatz ( 1190/A(E)) für neue Regeln in All-In-Verträgen
aus. Es ist ihrer Meinung dringend notwendig, dem bedenklichen Wildwuchs in diesem Bereich gesetzlich entgegenzusteuern.
Die geplanten Regelungen im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz greifen ihr zu kurz. Es brauche speziell bei
niedrigen und mittleren Einkommen Beschränkungen von All-In-Verträgen.
Vertagt wurde der Vorstoß der FPÖ ( 1432/A(E)), für Beschäftigte in der Bauwirtschaft österreichweit
einen Beschäftigungsausweis nach Tiroler Vorbild einzuführen. Sie erwartet sich davon weniger Bürokratieaufwand
bei Baustellenkontrollen und ein erleichtertes Aufspüren von Schwarzarbeit, wie Carmen Schimanek (F) klarmachte.
Ihrer Meinung nach könnte dadurch auch Lohn- und Sozialdumping sowie die Konkurrenz für österreichische
ArbeitnehmerInnen durch Billigstarbeitskräfte abgedreht werden. Hundstorfer meinte, dass es ein Instrument
brauche, das fälschungssicher ist, die Abfrage jederzeit gewährleistet und wenig Bürokratie bedeutet.
"Das wollen wir entwickeln", meinte er.
Hundstorfer: Zielpunkt-MitarbeiterInnen werden ihr Geld vor Weihnachten bekommen
Zu einem Schlagabtausch zwischen den Freiheitlichen und Hundstorfer kam es in Sachen Zielpunkt-Pleite. Grund dafür
war ein Entschließungsantrag der Oppositionspartei. Eine Rechtsgrundlage sollte es den Freiheitlichen zufolge
ermöglichen, Ansprüche von ArbeitnehmerInnen im Fall einer Insolvenz durch Überbrückungszahlungen
vorzufinanzieren. Herbert Kickl wirft hier dem Sozialminister Untätigkeit vor. Während die Regierung
zigtausende Wirtschaftsflüchtlinge Österreichs Grenzen illegal passieren lässt und gegen nationales
Recht verstößt, berufe sich Hundstorfer auf Gesetze, die es ihm nicht erlauben würden, die Gehälter
der Zielpunkt-MitarbeiterInnen vorzufinanzieren, wie im Antrag argumentiert wird. Sonst werde die SPÖ auch
nicht müde, die "Ja wir schaffen das-Mentalität" bei Flüchtlingen an den Tag zu legen,
wie Kickl im Ausschuss sagte. Eine gesetzliche Grundlage hätte man aus seiner Sicht schon lange schaffen können,
etwa im Budgetplenum vorige Woche, um den Menschen schnell und unbürokratisch zu helfen. Nicht verstehen konnte
Kickl, warum sich Hundstorfer "einer strukturellen Lösung völlig verschließt".
Den Vorwürfen der FPÖ erteilte Hundstorfer eine klare Absage. "Wir haben die Sache rasch und unbürokratisch
gelöst", sagte er und verwies auf Gespräche mit der Firma Pfeiffer, dem Insolvenzentgeltfonds, den
BetriebsrätInnen oder den fünf Bankinstituten. Tätig sei man noch vor Konkurseröffnung geworden,
stellte er klar. Die Zielpunkt-MitarbeiterInnen werden demnach noch vor Weihnachten ihr November-Gehalt und Weihnachtsgeld
bekommen. "Bleiben wir bei dem System, wo es am schnellsten und einfachsten geht", sagte er. Gehandelt
habe er nach diesem Muster auch beim Alpine-Konkurs, ein Sondergesetz würde keine schnellere Hilfe bedeuten.
Was die Lehrlinge betrifft, werden diese von den anderen vier Handelsketten übernommen. Zielpunkt selbst wird
bis Jahresende bestehen. Der Lohnanspruch ab 1. Dezember soll aus der Masse bezahlt werden, Beendigungsansprüche
würden hingegen vom Insolvenzentgeltfonds übernommen. Er werde sich auch in Sachen Nachnutzung bemühen.
Für die Menschen, die ihre Jobs verloren haben, wird es Hundstorfer zufolge Stiftungen geben. In der Steiermark
kann er sich eine gemeinsame Stiftung mit den MitarbeiterInnen des Fleisch- und Wurstherstellers Schirnhofer vorstellen,
der durch die Zielpunkt-Insolvenz ebenfalls ins Straucheln gekommen ist. Er erwartet sich "da oder dort noch
Folgekonkurse". Genau sei das jetzt noch nicht abzuschätzen, weil der Supermarktbetrieb bei Zielpunkt
im Moment noch läuft.
Tödliche Arbeitsunfälle gehen zurück
Auf der Agenda des Sozialausschusses stand heute zudem der Bericht der Arbeitsinspektion 2014 ( III 214 d.B.),
der mehrheitlich ohne den Freiheitlichen zur Kenntnis genommen wurde. 2014 haben sich die tödlichen Arbeitsunfälle
in Österreich von 98 auf 65 stark reduziert, auch die Zahl der anerkannten Arbeitsunfälle unselbständig
Erwerbstätiger im engeren Sinn (ohne Wegunfälle) sanken von 90.419 um 1 % auf 89.502. Meldepflichtige
Unfälle gab es 2014 53.939 (53.965). Einen leichten Rückgang gab es zudem bei den anerkannten Berufserkrankungen,
und zwar von 1.274 auf 1.175.
2014 wurden 48.244 Arbeitsstätten von insgesamt 12.985 Unternehmen überprüft. Dabei wurden 66.927
Besichtigungen durchgeführt, bei denen je nach Anlassfall routinemäßige Kontrollen, Überprüfungen
besonderer Aspekte oder Schwerpunkterhebungen erfolgten. Zusätzlich zu diesen Besichtigungen kontrollierten
die InspektorInnen 402.832 Arbeitstage von LenkerInnen und nahmen an 16.128 behördlichen Verhandlungen teil.
Ferner wurden 18.924 Beratungen vor Ort in den Betrieben, 10.236 Vorbesprechungen betrieblicher Projekte sowie
63.442 arbeitsinspektionsärztliche Beurteilungen und 24.354 sonstige Tätigkeiten (z.B. Kooperation mit
Behörden, Tagungen) vorgenommen. Bei den dabei festgestellten Übertretungen von Schutzvorschriften gab
es eine leichte Zunahme, und zwar von 40,6% auf 41,9%.
In der Diskussion über den Bericht bemängelte Werner Neubauer (F), dass nicht alle in Österreich
arbeitenden Menschen, etwa im öffentlichen Dienst, vom Arbeitsmarktinspektionsgesetz erfasst werden. Die gesetzlichen
Regelungen zum Arbeitsschutz sind seiner Ansicht nach überholt und müssen dringend durch eine österreichweit
einheitliche Lösung angepasst werden. "Differenziert" betrachtete NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker
den Bericht. Nicht klar sei die Aufgabenteilung zwischen Arbeitsinspektorat und Unfallversicherung.
Birgit Schatz von den Grünen wünscht sich vom Arbeitsmarktinspektorat neben dem Bericht auch Empfehlungen,
zudem sollte es mehr Personal bekommen. Im Bereich der psychischen Arbeitsgesundheit werde zu wenig getan. Außerdem
sei der Arbeitsschutz zunehmend auf den männlichen Produktionsarbeiter abgestellt, was nicht der modernen
Arbeitswelt entspricht, wie sie kritisierte. Laut Hundstorfer wird der Personalstand der Arbeitsinspektion auch
in Zukunft stabil mit rund 300 MitarbeiterInnen bleiben. Gemeinsam mit den Sozialpartnern werde man sich auch in
Zukunft bemühen, Dinge anzupassen, wobei die Beratung immer im Vordergrund stehe. "Wir stehen zum Grundsatz
Beratung vor Strafe", meinte der Sozialminister.
Zufrieden mit der Arbeitsmarktinspektion zeigte sich Walter Schopf (S). Mit dem über Jahre gleichbleibenden
Personalstand werde "Gigantisches" geleistet. Einen Haken sah er im Verhältnis zwischen den Arbeitslosenzahlen
und der Arbeitszeit. Zum einen gebe es viele Arbeitslose, zum anderen würden die Menschen durchschnittlich
43 Stunden die Woche arbeiten. 1/3 dieser Überstunden würden dabei nicht ausbezahlt, sagte er und sah
hier eine verstärkte Kontrollaufgabe für die Arbeitsinspektion. Angelika Winzig von der ÖVP meinte,
dass es in Zukunft hilfreich wäre, Feedback vom Arbeitsinspektorat zu bekommen. Darüber etwa, welche
Vorschriften noch zeitgemäß sind und welche nicht.
|