Außenpolitischer Ausschuss plädiert für heimische Unterstützung
beim Syrien-Friedensprozess
Wien (pk) - Die Europäische Union müsse glaubhaft vermitteln, dass sie die Flüchtlingssituation
nicht mehr bewältigen kann, dabei aber eigenständig für die Sicherung ihrer Außengrenzen sorgen,
sagte Außenminister Sebastian Kurz am 02.12. im Außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats. Andernfalls
schüre man einerseits bei den Flüchtlingen falsche Hoffnungen und mache sich andererseits erpressbar,
meinte er in Anspielung auf das Abkommen der EU mit der Türkei. Den Vorwurf von Grünen-Asylsprecherin
Alev Korun, er begrüße die drastischen Maßnahmen der türkischen Behörden zur Flüchtlingsabwehr,
wies Kurz dezidiert zurück: "Die Türkei wird bezahlt, das zu tun, was Europa nicht tun möchte",
nämlich alle Flüchtlinge aufzuhalten. Solange die EU nicht geeint in Sachen Flüchtlingsregistrierung
und Grenzsicherung auftrete, bleibe aber keine andere Möglichkeit, als mit der Türkei zu kooperieren.
Im Zusammenhang mit den in Wien gestarteten Friedensverhandlungen zum Syrien-Konflikt bemerkt der Ressortchef des
Außenamts positiv, die Verhandlungsparteien würden ihre starren Haltungen aufgeben, gerade was das syrische
Regime betrifft. "Der Kampf gegen den IS-Terror ist der kleinste gemeinsame Nenner", beschrieb er die
Gespräche dennoch als große Herausforderung, schon aufgrund der Spannungen zwischen Saudi Arabien und
dem Iran. Vor dem Hintergrund des jahrelangen Konflikts in der Region appellierte der Ausschuss einstimmig für
eine Weiterführung des Syrien-Friedensprozesses bzw. für humanitäre Hilfe in den Krisengebieten
Syriens und des Irak. Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag der Grünen, Asylsuchende schon an Botschaften ihr
Verfahren eröffnen zu lassen.
Den Einspruch Österreichs gegen den Beitritt Tadschikistans zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer
öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung trägt der Ausschuss einstimmig mit, einen FPÖ-Antrag
zum Selbstbestimmungsrecht Südtirols wollen die Abgeordneten im eigens für Südtirol-Fragen eingerichteten
Unterausschuss weiterbehandeln. Den Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 ( III-220 d.B.) nahmen bis
auf die Freiheitlichen alle Ausschussmitglieder zur Kenntnis.
Kooperation mit der Türkei soll Weiterreise von Flüchtlingen stoppen
Ziel des Türkei-Deals mit der EU sei, alle Flüchtlinge aufzuhalten, egal ob sie aus Syrien oder aus anderen
Ländern stammen, umriss Außenminister Kurz auf Nachfrage von Christoph Vavrik (N) den Aktionsplan zur
Eindämmung der Flüchtlingsbewegungen nach Europa. Ob das Geld, das die EU der Türkei zur Versorgung
der Schutzsuchenden zugesagt hat, tatsächlich bei den Flüchtlingen ankommt, darauf will Kurz sich nicht
zu "hundert Prozent" festlegen. Immerhin halte die Türkei jedoch mit dem Abkommen ihr Versprechen,
die Menschen von der Weiterreise abzuhalten, wenn auch teilweise mit Mitteln wie Tränengas und Schlagstöcken,
was nicht den menschenrechtlichen Standards der EU entspreche.
Große Zweifel am Funktionieren des Aktionsplans hegen Grüne, NEOS und Team Stronach. Tanja Windbüchler-Souschill
(G) und Christoph Vavrik (N) sehen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und die Kurdenpolitik der türkischen
Regierung als Argument gegen eine Zusammenarbeit, die auch die Wiedereröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen
umfasst. Für Aygül Berivan Aslan (G) ist ungewiss, welche Schritte die türkische Regierung setzen
wird, um der Terrororganisation IS ihre Finanzierungsquelle, sprich Öl-Einnahmen, trocken zu legen. Christoph
Hagen (T) vermisst ein Vorgehen Ankaras gegen den Handel mit gefälschten Pässen für Flüchtlinge
und Alev Korun (G) hinterfragte, inwieweit sicherzustellen sei, dass die österreichischen 57 Mio. € als Teil
der 3 Mrd. €-Hilfe der EU bei den Flüchtlingen in der Türkei ankommen, wo derzeit über 80% der Schutzsuchenden
menschenunwürdig untergebracht seien. Details über die Kontrolle des Mitteleinsatzes wisse er noch nicht,
so Kurz, er betonte aber, das Abkommen bestätige, dass die EU die Sicherung ihrer Außengrenzen selbst
in die Hand nehmen muss – denn "je schwächer wir agieren, desto mehr solcher Maßnahmen werden kommen".
Bewegung bei den Syrien-Gesprächen
Einer Meinung mit Josef Cap (S) und Reinhold Lopatka (V) ist Minister Kurz, letztendlich müssten die Ursachen
für die Flüchtlingsströme nach Europa behoben werden. Bei den Friedensverhandlungen zu Syrien arbeiteten
daher drei Arbeitsgruppen Konzepte für Hilfsleistungen vor Ort aus. Österreich beteilige sich an diesen
Überlegungen, versicherte er Andreas Schieder (S). Als Grundlage für die weiteren Verhandlungen werde
nun unter Federführung von Jordanien und Saudi Arabien eine Liste erstellt, welche Oppositionsparteien Verhandlungen
mit dem Regime von Baschar al-Assad aufnehmen sollen. Wichtig sei dabei, eine Definition der terroristischen Gruppen
zu finden. An der Schlüsselrolle, die Saudi-Arabien dabei zugestanden wird, stieß sich allerdings Peter
Pilz (G), der das Land nicht als Teil der Lösung bezeichnete, sondern als zentral verantwortlich für
die Ausbreitung radikalislamischer Ideologien. Wie FPÖ-Mandatar Werner Neubauer kritisierte Pilz in Verbindung
damit massiv das saudi-arabische König Abdullah Zentrum in Wien, zumal es kaum den kulturellen Dialog fördere.
Kurz hielt dem zwar entgegen, das Zentrum verurteile die Terroranschläge von IS deutlich, er versicherte aber,
die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bei seinem kürzlichen Besuch dort problematisiert zu haben. Grundsätzlich
gab Kurz zu bedenken, ein plötzlicher Regime-Wechsel ziehe selten eine Verbesserung der gesellschaftlichen
Lage nach sich, das zeige die jüngste Vergangenheit.
Anders als der Außenminister erwartet sich Johannes Hübner (F) keine substanziellen Änderungen
durch die Syrien-Gespräche, habe sich die Situation doch sogar weiter verschärft infolge der Bombardements
durch die internationale Anti-IS-Allianz. Mangels Durchsetzung einer fairen Flüchtlingsverteilung in der EU
hält der Freiheitliche ein Festhalten am Dublin-Abkommen für unabdingbar. Kurz bestätigte dies zu
einem gewissen Grad, so lange keine andere Regelung geltendes Recht sei, müsse am Dublin-System festgehalten
werden. Dazu sei nicht zuletzt der Druck auf Griechenland beziehungsweise auf die EU-Kommission zu erhöhen,
nach der Maxime "wie bringt man Griechenland dazu, sich helfen zu lassen?", um den automatischen Weitertransport
von Flüchtlingen zu unterbinden. Ein stärkeres Auftreten der EU erwartet Kurz außerdem gegenüber
Libyen, wobei die Rettung von Bootsflüchtlingen, die von der libyschen Küste über das Mittelmeer
unterwegs sind, jedenfalls mit einer Rückführung dieser Personen zu verbinden sei.
Aufruf den Syrien- Friedensprozess weiterzuführen
Rückenwind beim Engagement für eine rasche, zukunftsträchtige und friedliche Regelung des Syrien-Konflikts
erhält Außenminister Kurz durch eine Initiative von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS ( 1459/A(E)).
Deutlich machen damit die Abgeordneten Josef Cap (S), Reinhold Lopatka (V), Tanja Windbüchler-Souschill (G)
und Christoph Vavrik (N), nicht nur die Weiterführung des mit den Gesprächen in Wien begonnenen Friedensprozesses
sei von Österreich aktiv zu unterstützen. Die Bundesregierung solle sich überdies gemeinsam mit
anderen EU-Staaten nachdrücklich gegen Geld- und Waffenlieferungen an den IS einsetzen und im Rahmen der UNO
an humanitären Hilfsprogrammen für die Menschen in Syrien und im Irak beteiligen. Letzteres Anliegen
präzisieren SPÖ, ÖVP und Grüne in einem weiteren Antrag, der auf die Wiederherstellung der
Sicherheit vor allem in den umkämpften Städten Shingal (Nordirak) und Kobanê (Nordsyrien) abzielt.
Konkret ersuchen die Abgeordneten Andreas Schieder (S), Reinhold Lopatka (V) und Aygül Berivan Aslan (G) den
Außenminister, sich mit den Vereinten Nationen sowie auf EU-Ebene und in bilateralen Kontakten mit aller
Kraft für die lokale Zivilbevölkerung einzusetzen. Insbesondere Kurden, Jesiden und Christen als Minderheiten
in den betroffenen Gebieten bedürften ausreichend Schutz und Versorgung ( 1463/A(E)).
Während diese beiden Anträge einhellige Zustimmung im Ausschuss fanden, konnten sich die Grünen
mit einem weiteren Vorstoß nicht durchsetzen: mit der Forderung von Asylsprecherin Alev Korun (G), Botschaftsverfahren
zur Beantragung von Asyl wiedereinzuführen ( 1328/A(E)). Koruns Argument, der Schlepperei sei nur beizukommen,
wenn Asylsuchende mittels Visum legal für ein Asylverfahren nach Europa gelangen, hielt Josef Cap (S) entgegen,
die EU-Hotspots als Registrierungsstellen an den Außengrenzen leisteten hier viel bessere Dienste.
Ausschuss bestätigt Vorbehalte gegen tadschikische Urkunden
Gegen den Beitritt Tadschikistans zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden
von der Beglaubigung will Österreich Einspruch erheben. Dieser Schrittes findet im Außenausschuss einstimmige
Billigung. Ziel dieser Maßnahme ist zu verhindern, dass tadschikische Urkunden, die mit einer Apostille versehen
sind, ohne weitere Kontrolle der Echtheit und inhaltlichen Richtigkeit in Verfahren von österreichischen Behörden
als Beweismittel zugelassen werden. Im Hinblick auf die hohe Korruption in Verbindung mit dem niedrigen Einkommensniveau
bestehe derzeit hohe Urkundenunsicherheit, heißt es dazu in den Erläuternden Bemerkungen zur entsprechenden
Regierungsvorlage ( 780 d.B.). Es sei somit nicht auszuschließen, dass Urkunden in Tadschikistan mit unrichtigem
Inhalt käuflich erworben werden können
Selbstbestimmung Südtirols weiter Thema der heimischen Außenpolitik
Mit Zustimmung der Stimmenmehrheit dem Südtirol-Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses zugewiesen
wurde schließlich ein Antrag der FPÖ ( 1280/A(E)), der ein klares Bekenntnis Österreichs zum Selbstbestimmungsrecht
Südtirols einmahnt. Besonders irritiert den Südtirol-Sprecher der Freiheitlichen Werner Neubauer ein
Passus im Außenpolitischen Bericht 2013, wo es heißt, die Südtirol-Autonomie beruhe völkerrechtlich
auch auf dem Selbstbestimmungsrecht, das als fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie
ausgeübt werde. Diese Formulierung sei bestenfalls unklar und zweideutig, schlimmstenfalls bedeute sie aber
eine Absage an die völkerrechtlichen Prinzipien und den Willen der Südtiroler, kritisiert Neubauer, der
sein Anliegen deswegen im Außenpolitischen Ausschuss und nicht im Unterausschuss behandelt wissen wollte.
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