Open Innovation in Science

 

erstellt am
03. 12. 15
11:00 MEZ

Einbindung der Bevölkerung in die Wissenschaft bringt neue Erkenntnisse
Wien (lbg) - In einem für Europa einzigartigen Open Innovation-Projekt „Reden Sie mit!“ hat die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) PatientInnen, Angehörige und betreuende Fachleute in die Generierung von Forschungsfragen eingebunden. Harald Mahrer, Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft: „Die Ergebnisse zeigen, dass Open Innovation neue Perspektiven in der Wissenschaft ermöglicht. Durch Ideen und Kreativität des gesamten Schwarms tauchen immer neue Fragestellungen auf. Das führt zu einem Mehr an Innovationen und konkreten Lösungen aus der Wissenschaft.“ Die österreichische Bundesregierung, die derzeit eine nationale Open Innovation-Strategie entwickelt, unterstützt das Vorhaben als Leuchtturm-Projekt, das internationale Sichtbarkeit bringt. Nun sollen konkrete Forschungsmaßnahmen im Bereich psychischer Erkrankungen, basierend auf den Ergebnissen von „Reden Sie mit!“, folgen.

Knapp 20.000 BesucherInnen der Online-Plattform aus über 80 Ländern und 400 hochwertige Beiträge – dieses Resultat schaffte die Crowdsourcing-Initiative „Reden Sie mit!“ im Bereich psychischer Erkrankungen. Die Erwartungen von ExpertInnen wurden weit übertroffen. Die Fragestellung „Welche ungelösten Fragen zu psychischen Erkrankungen soll die Wissenschaft Ihrer Meinung nach aufgreifen?“ beantworteten Betroffene, Angehörige, ÄrztInnen, TherapeutInnen und andere ExpertInnen auf einer Online-Plattform in großer Intensität. Die eingereichten Beiträge wurden analysiert und geclustert, von der Crowd und einer Fachjury bewertet und zu Forschungsansätzen verarbeitet.

Josef Pröll, Präsident der Ludwig Boltzmann Gesellschaft: „Laut WHO entfallen bereits 22 Prozent aller Krankheiten in westlichen Gesellschaften auf psychische Störungen. Das bedeutet, dass über 83 Millionen Menschen von psychischen Störungen betroffen waren bzw. sind. In Österreich sind etwa 900.000 Menschen psychisch erkrankt und es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer weit höher ist. Mit der Methode, die Crowd zu befragen, hat die Ludwig Boltzmann Gesellschaft das Potenzial aller Betroffenen (wie PatientInnen, Angehörige, TherapeutInnen, Pflegefachkräfte und MedizinerInnen) gebündelt und um deren Erfahrungen und Probleme gefragt. Das Vorbild dafür lieferte ein Projekt der Harvard Medical School. Wir sahen ein enormes Bedürfnis an neuen Forschungsarbeiten und konnten über Mustererkennungsprozesse drei Themenfelder identifizieren, deren Erforschung für die Crowd, die sich beteiligt hat, besonders dringlich ist und auch von den ExpertInnen der Fachjury bestätigt wurde: die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen und die Erzielung von größeren Fortschritten in der Versorgungsforschung.“

Neuartigkeit steigt durch Einbindung von Betroffenen
Die Resultate des Projekts zeigen eindeutig, dass die Wissenschaft davon profitieren kann, wenn sie Forschungsprozesse gezielt öffnet und Open Innovation-Methoden in ihre Arbeit integriert: Die Fachjury, in der das gesamte Spektrum der Fachexpertise zu psychischen Erkrankungen von WissenschaftlerInnen, TherapeutInnen bis hin zu direkt Betroffenen vertreten war, hat den Ergebnissen durchgängig eine hohe Neuartigkeit bescheinigt. Die meisten Fragestellungen wurden in dieser Form noch nicht oder kaum erforscht und erfordern einen hohen Grad an Interdisziplinarität in ihrer Bearbeitung.

Österreich entwickelt nationale Open Innovation-Strategie
Die Initiative „Reden Sie mit!“ der Ludwig Boltzmann Gesellschaft steht im Einklang mit einer von der Bundesregierung begonnenen Open Innovation-Strategie. Staatssekretär Mahrer: „Als eines der ersten Länder weltweit erarbeiten wir derzeit eine nationale Open Innovation-Strategie. Dabei spielen die Erkenntnisse der Crowdsourcing-Initiative ‚Reden Sie mit!‘ eine bedeutende Rolle. Die Initiative ist ein absolutes Leuchtturm-Projekt und international einzigartig. Sie gibt einerseits wichtige Impulse für mehr Transparenz und Beteiligung in der Wissenschaft, andererseits setzt sie neue Maßstäbe in der Entwicklung und Anwendung von Open Innovation-Methoden in der europäischen Forschungslandschaft. Die gewonnenen Erkenntnisse müssen nun zügig Eingang in den Forschungsprozess in anderen Wissenschaftsdisziplinen finden. Und wir müssen die Anwendung von Open Innovation-Methoden nachhaltig im österreichischen Forschungs- und Innovationssystem verankern.“

Mahrer hob hervor, dass die Zusammenarbeit quer über die Grenzen von Organisationen und Disziplinen hinweg wesentlich für die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich sei, auch angesichts des zunehmenden Wettbewerbs mit Asien. „Für eine kleine, offene Volkswirtschaft, die kaum natürliche Ressourcen hat, ist hohe Innovationskraft die einzige Überlebensversicherung. Mit der Open Innovation Strategie wollen wir brach liegendes Innovationspotenzial in Österreich heben. Dabei setzen wir von Beginn an auf aktive Bürgerbeteiligung. Immerhin haben wir acht Millionen Experten im Land, das Potenzial an Kreativität wollen wir heben. Jeder kann unter www.openinnovation.gv.at an der Strategie mitschreiben und seine Ideen einbringen. Ganz nach dem Motto 'Mitgestalten statt nur Zuschauen'". Mahrer kündigte zudem an, dass BMVIT und BMWFW am 18. Jänner 2016 in Wien im Rahmen der Erarbeitung der nationalen Open Innovation-Strategie einen Stakeholder-Workshop durchführen würden. Zu diesem seien die VertreterInnen aus der Wissenschaft, der Wirtschaft und aus den Bereichen soziale Innovation / Zivilgesellschaft herzlich eingeladen.

Ludwig Boltzmann Gesellschaft plant gezielte Maßnahmen zur Erforschung psychischer Erkrankungen
Der logische nächste Schritt nach „Reden Sie mit“ ist eine rasche Überführung der Ergebnisse in konkrete Forschungsaktivitäten. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, ist die Ludwig Boltzmann Gesellschaft bereits mit nationalen und internationalen PartnerInnen in Kontakt. Ziel ist es, dass die Wissenschaft eine Brücke in die Gesellschaft und Wirtschaft schlägt und die Fragestellungen interdisziplinär und in Partnerschaften zwischen Wissenschaft und anwendungsorientierten Institutionen bearbeitet werden. „2009 haben in Österreich 900.000 Menschen Sozialleistungen aufgrund psychischer Erkrankungen erhalten. Die Kosten werden mit rund 850 Millionen Euro pro Jahr angesetzt“, sagte Josef Pröll und fügte hinzu: „An jedem statistischen Fall hängt ein Schicksal. Als Gesellschaft brauchen wir hier gezielte Forschung und auch neue Lösungen aus der Wissenschaft.“

Für Claudia Lingner als Geschäftsführerin der Ludwig Boltzmann Gesellschaft ist es wichtig, umgehend mit der wissenschaftlichen Arbeit zu beginnen: „Die große Beteiligung an unserer Open Innovation-Initiative ist auch als Auftrag zu verstehen. Das nehmen wir sehr ernst.“

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.lbg.ac.at

 

 

 

 

 

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