Neues Staatsschutzgesetz: Koalition
 strebt Beschluss im Jänner an

 

erstellt am
02. 12. 15
11:00 MEZ

SPÖ und ÖVP legten im Innenausschuss gemeinsamen Abänderungsantrag vor
Wien (pk) – Das neue Staatsschutzgesetz nähert sich der Zielgerade. Nach mehrmonatigem Tauziehen hat der Innenausschuss des Nationalrats am 01.12. die Beratungen über den im Juli vorgelegten Regierungsentwurf aufgenommen. Geht es nach den Koalitionsparteien, sollen am ursprünglichen Gesetzestext noch einige wenige Adaptierungen vorgenommen werden, ein entsprechender Abänderungsantrag wurde in der heutigen Sitzung vorgelegt. Überdies haben SPÖ und ÖVP begleitende Änderungen im Telekommunikationsgesetz beantragt. Die Beschlussfassung des gesamten Gesetzespakets ist für den Jänner in Aussicht genommen, zuvor will die Koalition noch mit den Oppositionsparteien verhandeln.

Strittige Punkte gibt es jedoch noch viele, wie die heutigen Beratungen zeigten. So äußerten sich sowohl die Grünen als auch die FPÖ irritiert, dass mit dem "gesamtändernden Abänderungsantrag" der Koalitionsparteien, anders als medial kolportiert, weder bestimmte Deliktsgruppen aus dem Staatsschutzgesetz gestrichen noch wesentliche Änderungen bei der Institution des Rechtsschutzbeauftragten vorgenommen wurden. Von einem Senat sei im ganzen Gesetzestext nirgends die Rede, monierten etwa die FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz und Gernot Darmann. Seitens der Grünen wiesen Peter Pilz und Albert Steinhauser darauf hin, dass nach wie vor auch Personen ins Visier des Staatsschutzes geraten können, die sich über eine Landeshymne lustig machen oder von denen die Polizei annimmt, dass sie ein Hassposting verfassen könnten. Er habe sich offenbar vorschnell falschen Hoffnungen hingegeben, bedauerte Pilz. Alle vier Oppositionsparteien drängten außerdem auf eine Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle.

Laut ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon war bei der am Sonntag abgehaltenen Pressekonferenz zum neuen Staatsschutzgesetz ohnehin nie von einem "Senat", sondern nur von "senatsartigen Entscheidungen" der Rechtsschutzbeauftragten die Rede. Alles andere sei eine mediale Interpretation, meinte er und bekräftigte, dass die Grundlage für die Verhandlungen mit der Opposition nicht Medienberichte, sondern der am Tisch liegende Abänderungsantrag sei.

Rechtsschutzbeauftragter muss sich mit StellverteterInnen abstimmen
Im Wortlaut heißt es dazu im nunmehrigen Gesetzentwurf, dass sich der Rechtsschutzbeauftragte und seine StellvertreterInnen bei der Genehmigung besonderer Ermittlungsmethoden und anderen ihnen übertragenen Aufgaben im Bereich des Staatsschutzes "regelmäßig über ihre Wahrnehmungen zu unterrichten und in grundsätzlichen Fragen der Aufgabenerfüllung eine einvernehmliche Vorgangsweise anzustreben haben". Einer bzw. eine der StellvertreterInnen muss außerdem mindestens zehn Jahre als Richter/Richterin oder Staatsanwalt/Staatsanwältin tätig gewesen sein. Überdies soll eine verpflichtende räumliche Trennung von der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit die Unabhängigkeit der drei Rechtsschutzbeauftragten unterstreichen.

Weitere Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf ( 763 d.B.) betreffen die Organisation des Staatsschutzes und die parlamentarische Kontrolle. Demnach werden die Berichtspflichten des Innenministeriums gegenüber dem vertraulichen Unterausschuss des Innenausschusses, der parlamentarische Kontrollaufgaben im Bereich des Verfassungsschutzes wahrnimmt, teilweise ausgeweitet. Außerdem ist bei Bedarf ein direkter Austausch zwischen dem Rechtsschutzbeauftragten und dem Unterausschuss vorgesehen, wobei die Initiative zum Austausch von beiden Seiten ausgehen kann.

Organisatorisch wird es statt einem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und neun Landesämtern, wie es der Regierungsentwurf ursprünglich vorgesehen hatte, nun aller Voraussicht nach nur ein Bundesamt plus neun zusätzliche Spezialeinheiten der Landespolizeidirektionen geben. Ihnen sind in Hinkunft staatsschutzrelevante Aufgaben wie die erweiterte Gefahrenforschung zum Schutz vor verfassungsgefährdenden Angriffen und die Beurteilung und Analyse entsprechender Bedrohungen vorbehalten, wobei die Fäden beim Bundesamt bzw. im Innenministerium zusammenlaufen sollen. Keine Änderungen wurden mit dem Abänderungsantrag bei den erweiterten behördlichen Befugnissen zur Beobachtung verdächtiger Einzelpersonen, den im Gesetz verankerten Deliktsgruppen, dem möglichen Einsatz von V-Leuten im Zuge verdeckter Ermittlungen und den Speicherfristen für Daten vorgenommen.

Mikl-Leitner: Für Kampf gegen Terrorismus braucht es richtige Instrumentarien
Innenministern Johanna Mikl-Leitner zeigte sich überzeugt, dass Österreich mit den neuen Bestimmungen im Kampf gegen den Terrorismus gut aufgestellt sein wird. Niemand könne Terroranschläge ausschließen, betonte sie, jedes EU-Land rüste angesichts der aktuellen Bedrohungslage die Polizei aber auf, und zwar sowohl in personeller Hinsicht als auch was die Befugnisse betrifft. "Wir kommen im Kampf gegen den Terror nicht mit Romantik weiter", es brauche die richtigen Instrumentarien für den Staatsschutz, bekräftigte sie.

Sowohl Mikl-Leitner als auch ÖVP-Sicherheitssprecher Amon betonten allerdings, dass es sich beim neuen Staatsschutzgesetz um keine Anlassgesetzgebung handle. Die jüngsten Anschläge in Paris haben ihrer Ansicht nach jedoch die Notwendigkeit einer Neuaufstellung des Verfassungsschutzes verdeutlicht. Man habe es mit neuen Tätertypen zu tun, die gut ausgebildet sind, wahllos gegen Zivilisten vorgehen und das Internet intensiv nutzten, sagte Mikl-Leitner, darauf müsse man reagieren.

Wesentlich ist für Mikl-Leitner, dass es sich beim Staatsschutz weiter um eine polizeiliche Sicherheitsbehörde handelt. Anders als bisher hätten in Hinkunft aber nicht mehr alle PolizistInnen die gleichen Befugnisse, vielmehr würden alle staatsschutzrelevanten Ermittlungen in einem Amt konzentriert. Ein Schwerpunkt des Staatsschutzes werde die Prävention sein, hob Mikl-Leitner hervor, dafür brauche es zusätzliche Befugnisse.

Zur Kritik an der Institution des Rechtsschutzbeauftragten merkte Mikl-Leitner an, dieser schaffe sowohl Rechtssicherheit für die Bevölkerung als auch für den Staatsschutz. Es gebe außerdem in keinem anderen Bereich der Republik ein derart strenges Ernennungserfordernis wie für die Rechtsschutzbeauftragten. Sie hoffe sehr, dass die Beratungen über das Gesetz zu einem guten Ende kommen werden, betonte die Innenministerin.

Opposition sieht noch viel Verhandlungsbedarf
Die Opposition sieht allerdings noch in vielen Punkten Verhandlungsbedarf. So äußerten sich sowohl Grün-Abgeordneter Peter Pilz als auch die FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz und Gernot Darmann enttäuscht, dass sich medial kolportierte Verbesserungen am Gesetzentwurf nicht im von ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon vorgelegten V-S-Abänderungsantrag wiederfinden. Delikte wie die Herabwürdigung staatlicher Symbole, Hasspostings oder die Rädelsführerschaft bei Landfriedensbruch seien nach wie vor im Straftatenkatalog enthalten, kritisierte Pilz. Allein das Wort "weltanschaulich" habe man durch das Wort "ideologisch" ersetzt. Es sei nicht so, dass die Grünen die genannten Delikte gutheißen würden, unterstrich Pilz, es sei aber notwendig den Staatsschutz auf zentrale Aufgaben wie die Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und Spionage zu konzentrieren. Sollte sich an den Bestimmungen nichts ändern, werde er wie angekündigt öffentlich "kleine Korrekturen" an der Kärntner Landeshymne vornehmen, um zu schauen, ob er damit ins Visier des Staatsschutzes gerate.

Änderungsbedarf sehen Pilz und sein Fraktionskollege Albert Steinhauser aber nicht nur bei den Deliktsgruppen, sondern auch beim Rechtsschutz und beim Einsatz von V-Leuten. Man müsse sich fragen, ob es wirklich sinnvoll sei, Dschihadisten als bezahlte Spitzel anzuwerben, meinte Pilz. Er sieht dadurch ein großes Risiko, dass der Staatsschutz selbst von Dschihadisten unterwandert wird. Steinhauser wies ergänzend darauf hin, dass man in Deutschland mit dem Einsatz von V-Leuten "hochgradig gescheitert ist". Er sei an ernsthaften Verhandlungen über das Gesetz interessiert, versicherte Pilz, ohne Änderungen könnten sich die Grünen aber keine Zustimmung vorstellen.

FPÖ kritisiert "schwammige" Gesetzesbegriffe
Auch die FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz und Gernot Darmann drängten auf weitere Änderungen im Gesetz. Es gebe zwar gewisse Verbesserungen im Entwurf, aber nicht in dem Ausmaß wie notwendig, betonte Rosenkranz und forderte unter anderem eine präzisere Formulierung des Deliktkatalogs und schwammiger Gesetzesbegriffe wie "Gruppierung" ein.

Ebenso noch nicht geklärt ist nach Ansicht der FPÖ die Frage des Rechtsschutzes. Schon jetzt müssten sich der Rechtsschutzbeauftragte und seine Stellvertreter untereinander abstimmen, äußerte sich Rosenkranz irritiert, dass diese notwendige Abstimmung "nun unter dem Etikett 'Senat' verkauft werden soll". Es gebe ein enormes Auseinanderklaffen zwischen den medialen Ankündigungen am Sonntag und dem vorliegenden Abänderungsantrag, stellte auch Darmann fest. Zusammenfassend nannte Rosenkranz die Verhandlungsposition seiner Fraktion: "Bei einem gescheiten Gesetz stimmen wir zu, bei einem nicht gescheiten Gesetz nicht."

Deutliche Verbesserungen gegenüber dem allerersten Entwurf für ein neues Staatsschutzgesetz räumte NEOS-Abgeordneter Nikolaus Alm ein. Wie die anderen Oppositionsparteien sieht er aber noch nicht alle Kritikpunkte ausgeräumt. Konkret urgierte er etwa Nachbesserungen beim Deliktskatalog, beim Rechtsschutz, beim Einsatz von V-Leuten und bei der parlamentarischen Kontrolle. Außerdem hält er es für notwendig, die Divergenz zwischen der erlaubten Dauer der Datenspeicherung und der Dauer der Protokollierungspflicht zu beseitigen.

Seitens des Team Stronach hob Christoph Hagen die Notwendigkeit der Ausweitung der Polizeibefugnisse hervor. Wer mehr Sicherheit wolle, müsse Einschränkungen der Privatsphäre in Kauf nehmen, unterstrich er. Er drängte jedoch auf eine Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle. Vorstellen kann sich Hagen auch eine vorerst befristete Regelung der neuen Bestimmungen für zwei bis drei Jahre.

Koalition will mit Opposition verhandeln
Grundsätzlich zufrieden äußerten sich die beiden SPÖ-Abgeordneten Hannes Fazekas und Rudolf Plessl. Seit der Vorlage des Erstentwurfs sei viel Positives passiert, viele Schärfen seien aus dem Gesetz entfernt worden, betonte Fazekas. Allerdings sieht auch die SPÖ noch nicht alle Fragen geklärt, etwa was die Ausbildung der StaatschützerInnen und die vorgesehenen Sicherheitsüberprüfungen betrifft. Zum Thema Rechtsschutzbeauftragter merkte Fazekas an, eine richterliche Kontrolle würde zu einem Spannungsverhältnis zwischen Justiz, Exekutive und Legislative führen.

ÖVP-Abgeordneter Amon signalisierte namens der Koalition Bereitschaft für intensive Gespräche mit der Opposition. Er ist allerdings überzeugt, dass es mit dem nunmehr vorliegenden Gesetzestext gelungen ist, eine ausgewogene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Es würden keinerlei Bürgerfreiheiten eingeschränkt, bekräftigte er. Zudem sei ein hohes Maß an Rechtsschutz sichergestellt. RichterInnen sollten keine exekutiven Aufgaben wahrnehmen, sondern etwaiges Fehlverhalten nachgeordnet prüfen, verteidigte er die Institution des Rechtsschutzbeauftragten. Amon ist auch überzeugt, dass der Einsatz von V-Leuten zu keinem Massenphänomen wird, in ganz spezifischen Fällen würde ein solcher aber durchaus Sinn machen.

Gridling: 217 Anzeigen gegen verdächtige Dschihadisten
Ausdrücklich verteidigt wurde der Einsatz von V-Leuten auch von Innenministerin Mikl-Leitner und vom Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Peter Gridling. Einen Vergleich mit Deutschland sehen beide nicht für angebracht. Wenn man 17 Nachrichtendienste auf Länderebene und 17 Landeskriminalämter habe, die alle V-Personen einsetzen könnten, sei es weitaus schwieriger, Kontrolle zu bewahren, als wenn es, wie in Österreich vorgesehen, eine zentrale Datenbank, gepaart mit umfangreichen Dokumentations- und Kontrollpflichten gebe, hielt Gridling fest. Überdies sei sichergestellt, dass auch V-Personen dem Strafrecht unterliegen.

Laut Gridling hat die Exekutive zuletzt in 256 Fällen in Richtung Dschihadismus ermittelt, gegen 217 Personen wurde bis dato Anzeige erstattet. Es sei auch schon zu einigen Verurteilungen gekommen. Mit Stichtag gestern befanden sich 27 Personen in Haft.

Das neue Staatsschutzgesetz sieht Gridling als einen Meilenstein in der Geschichte des Staatsschutzes. Seiner Ansicht nach sind im Gesetz auch alle notwendigen Schranken und Aufsichtsmöglichkeiten enthalten. So müsse sich ein Beamter zunächst einmal fragen, ob es sich bei einem Sachverhalt um einen verfassungsgefährdenden Angriff handle, und dann noch vor dem Start von Ermittlungen die Genehmigung des Rechtsschutzbeauftragten einholen. Für besondere Ermittlungsmethoden wie Observationen, verdeckte Ermittlungen oder Datenauskünfte brauche es gesonderte Ermächtigungen. Bei der Datenspeicherung wird Gridling zufolge außerdem klar zwischen verdächtigen Personen auf der einen Seite und Kontakt- und Begleitpersonen auf der anderen Seite unterschieden. Daten von Kontakt- und Begleitpersonen dürften nur gespeichert werden, wenn daraus relevante Erkenntnisse für die Ermittlungen gewonnen werden können.

Nach dem Ende der Ermittlungen können die Daten noch zwei Jahre aufbewahrt werden, skizzierte Gridling. Eine Verlängerung der Frist bis zu insgesamt sechs Jahren sei nur bei jährlicher Genehmigung des Rechtsschutzbeauftragten möglich. Für Innenministerin Mikl-Leitner macht diese Vorgehensweise Sinn, derzeit müssten nach neun Monaten alle Daten gelöscht werden, selbst wenn nicht alle Verdachtsmomente ausgeräumt werden konnten. Damit drohe man wertvoller Ermittlungsergebnisse verlustig zu gehen, wenn der Betroffene zu einem späteren Zeitpunkt neuerlich ins Visier des Staatsschutzes gerät.

FPÖ-Abgeordneter Gernot Darmann hält die sechsjährige Speicherdauer allerdings für überschießend. Ihm zufolge kann diese Maximaldauer außerdem weiter überzogen werden, wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, die Betroffenen von den abgeschlossenen Ermittlungen zu informieren, wie es das Gesetz grundsätzlich vorsieht.

Mikl-Leitner will über neue Mechanismen wie Ausnahmezustand diskutieren
Abseits der Diskussion über das Staatsschutzgesetz bekräftigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ihre Absicht, eine offene Diskussion über neue Befugnisse der Staatsorgane in Krisensituationen zu führen. Im Gegensatz zu Frankreich habe Österreich etwa nicht die Möglichkeit, den Ausnahmezustand zu verhängen, machte sie geltend. Man müsse rechtzeitig darüber nachdenken, ob die geltenden Befugnisse der Polizei für Worst-Case-Situationen ausreichten. Mikl-Leitner hat in diesem Sinn den Auftrag für die Einleitung eines Diskussionsprozesses auf Wissenschafts- und Expertenebene erteilt.

Auf wiederholte Nachfrage von Grün-Abgeordnetem Peter Pilz bekräftigte Mikl-Leitner, dass sie noch keine konkreten Vorstellungen habe, etwa ob in Ausnahmesituationen die Verhängung von Hausarrest oder andere Grundrechteeinschränkungen möglich sein sollen. Für Pilz ist diese Vorgangsweise äußerst fahrlässig. ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon hält es demgegenüber für legitim, darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten Staatsorgane in besonderen Krisenfällen haben sollen.

     

Erweiterte Befugnisse bei der Observierung von Einzelpersonen
Ziel des neuen Polizeilichen Staatsschutzgesetzes und der begleitenden Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz und im Telekommunikationsgesetz ist ein effektiver Schutz vor terroristischen Bedrohungen. Neben einer Neuorganisation des Staatsschutzes sind in diesem Zusammenhang vor allem erweiterte Befugnisse bei der Observierung von Einzelpersonen vorgesehen. Außerdem soll es künftig möglich sein, V-Leute im Zuge von verdeckten Ermittlungen einzusetzen. Probeweise erlaubt wird auch das Tragen von Körperkameras durch PolizistInnen.

Konkret können Betroffene künftig dann unter Beobachtung gestellt werden, wenn ein "begründeter Gefahrenverdacht" besteht, dass sie in absehbarer Zeit einen verfassungsgefährdenden Angriff begehen, wobei die davon umfassten Straftaten taxativ aufgezählt werden. Darunter fallen etwa die Begründung bzw. Finanzierung einer terroristischen Vereinigung, das unerlaubte Hantieren mit radioaktivem Material, nachrichtendienstliche Tätigkeit und Wirtschaftsspionage, bestimmte Formen von Verhetzung, die Hortung von Kampfmittel, Hackerangriffe gegen staatliche Einrichtungen und kritische Infrastrukturen sowie Verstöße gegen das Kriegsmaterialgesetz und das Verbotsgesetz. Bei einigen der im Gesetz aufgelisteten Deliktsgruppen müssen zusätzlich zum Tatbestand außerdem "ideologische oder religiöse" Motive vorliegen. Der Informationsaustausch mit ausländischen Sicherheitsbehörden sowie bestimmten anderen in- und ausländischen Stellen ist ausdrücklich gestattet.

Begleitend zu den neuen Behördenbefugnissen sind auch Änderungen im Telekommunikationsgesetz vorgesehen. Damit soll eine gesetzliche Grundlage für die Erteilung von vom Staatsschutz angeforderter Auskünfte durch Telekom-Anbieter geschaffen werden. Über den heute von SPÖ und ÖVP vorgelegten Gesetzesantrag soll gemeinsam mit dem neuen Staatsschutzgesetz abgestimmt werden.

Umfassende Datenschutzbestimmungen
In zwei eigenen "Hauptstücken" des Staatsschutzgesetzes geregelt ist der Umgang der Staatsschutzbehörden mit personenbezogenen Daten und der Rechtsschutz der BürgerInnen. So wird etwa ausdrücklich normiert, dass die Staatsschutzbehörden bei der Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten die Verhältnismäßigkeit zu beachten haben und bei der Verwendung sensibler und strafrechtlich relevanter Daten angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen sind. Ein automatisierter Datenabgleich, Stichwort Rasterfahndung, ist untersagt.

Für die erweiterte Gefahrenforschung und den Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden wie verdeckte Observationen, Abhörmaßnahmen sowie die Einholung von Auskünften zu IP-Adressen, Handy-Standortdaten und Reisebewegungen brauchen die StaatsschützerInnen eine ausdrückliche Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten des Innenressorts bzw. seiner StellvertreterInnen. Die Ermächtigung ist dabei grundsätzlich auf sechs Monate befristet, kann aber – auch mehrmals – verlängert werden. Gleichzeitig wird ausdrücklich festgehalten, dass die im konkreten Fall eingesetzten Ermittlungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zur befürchteten Straftat stehen müssen und die Ermittlungen zu beenden sind, sobald die Voraussetzungen wegfallen. Keine gesonderte Erlaubnis ist für Recherchen in offenen Internet-Foren, Blogs und Newsgroups erforderlich.

Erhobene Daten zu Verdächtigen und ihren Kontaktpersonen sind grundsätzlich spätestens nach fünf Jahren zu löschen, wobei eine Aktualisierung und etwaige Richtigstellung von Daten laufend zu erfolgen hat. Um missbräuchliche Datenabfragen zu vermeiden, muss überdies jede Abfrage und Übermittlung personenbezogener Daten so protokolliert werden, dass sie einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Diese Protokollaufzeichnungen sind drei Jahre lang aufzubewahren. Eine längere Speicherung eigentlich zu löschender personenbezogener Daten ist nur in Ausnahmefällen und nur mit Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten gestattet, sechs Jahren nach Ende der erteilten Ermittlungs-Ermächtigung ist allerdings endgültig Schluss.

Nach dem Ende der besonderen Ermittlungsmaßnahmen sind die Betroffenen grundsätzlich über Anlass, Art und Dauer der Observation zu informieren. Nur in begründeten Fällen kann diese Information aufgeschoben werden bzw. unterbleiben, wobei auch hier der Rechtschutzbeauftragte das letzte Wort hat. Der Rechtsschutzbeauftragte hat darüber hinaus dem Innenministerium jährlich einen Bericht über seine Tätigkeit und seine Wahrnehmungen zu erstatten, der auch dem geheimen Unterausschuss des Innenausschusses des Nationalrats vorzulegen ist.

Einsatz von V-Leuten bei verdeckten Ermittlungen möglich
Begleitend zum neuen Polizeilichen Staatsschutzgesetz werden auch Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz vorgenommen. So wird den Sicherheitsbehörden künftig der Einsatz von Vertrauensleuten im Zuge verdeckter Ermittlungen ausdrücklich gestattet. Sie sollen nicht nur zur Abwehr verfassungsgefährdender Bedrohungen, sondern auch bei Ermittlungen gegen kriminelle Organisationen zum Einsatz kommen können. Aufgrund der äußerst konspirativ agierenden Personenkreise in diesen Bereichen und wegen vorhandener Sprachbarrieren sei es schwierig, Sicherheitsorgane in verdächtige Gruppierungen einzuschleusen, heißt es dazu in der Begründung. Zur Kontrolle der angeheuerten Vertrauensleute sind gewisse Führungs-, Überwachungs- und Dokumentationspflichten vorgesehen.

Ausgeweitet wird daneben auch die Möglichkeit, Handy-Standortdaten zu ermitteln. Nicht nur gefährdete Personen wie potentielle SelbstmörderInnen sollen in Hinkunft geortet werden dürfen, sondern auch Personen, die im Zuge der erweiterten Gefahrenforschung in das Visier der Ermittler geraten sind und von denen eine konkrete Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen ausgeht. Als Beispiel werden etwa Personen genannt, die angekündigt haben, eine Bombe zu zünden.

Polizei soll bei Einsätzen künftig Körperkameras verwenden können
Mit so genannten "body worn cams" will das Innenministerium Polizeieinsätze künftig besser dokumentieren und damit nicht nur die Verfolgung von StraftäterInnen erleichtern, sondern auch strafbaren Handlungen vorbeugen und die Rechtmäßigkeit von Amtshandlungen kontrollieren, wie in den Erläuterungen vermerkt wird. Die Erlaubnis zum Einsatz der Kameras ist vorerst bis Ende 2019 befristet, in einem ersten Schritt sollen 25 Körperkameras zu Erprobungszwecken angeschafft werden. Darüber hinaus soll es den Sicherheitsbehörden künftig ausdrücklich gestattet sein, auch kleinere Splittergruppen rund um Demonstrationen zu filmen und vorhandenes Videomaterial auch zur Verfolgung bestimmter Verwaltungsübertretungen zu verwenden. Damit hofft man etwa Verstöße gegen das Pyrotechnikgesetz bei Sportgroßveranstaltungen leichter ahnden zu können.

Schließlich sollen mit zwei neuen Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz die Befugnisse von Sicherheitsorganen in Passagierflugzeugen klar geregelt und eine gesetzliche Grundlage für die digitale Verarbeitung und personenbezogene Zuordnung von Spuren geschaffen werden, die auf Grundlage der Strafprozessordnung ermittelt wurden.

FPÖ und NEOS fordern Evaluierung der Polizeibefugnisse
Mitverhandelt mit dem neuen Staatsschutzgesetz wurden ein Antrag der FPÖ ( 283/A(E)) und ein Antrag der NEOS ( 1413/A(E)). Den beiden Oppositionsparteien geht es insbesondere darum, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zu evaluieren und "grundrechtsschonende Aufklärungsmethoden" zu forcieren, wie es NEOS-Abgeordneter Nikolaus Alm formuliert. Beide Anträge wurden gemeinsam mit dem Staatsschutzgesetz vertagt, was die AntragstellerInnen ausdrücklich bedauerten. Es wäre sinnvoll gewesen, die bestehenden Polizeibefugnisse zu evaluieren, bevor man das neue Gesetz beschließt, hielt FPÖ-Abgeordneter Rosenkranz fest.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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