SPÖ und ÖVP legten im Innenausschuss gemeinsamen Abänderungsantrag vor
Wien (pk) – Das neue Staatsschutzgesetz nähert sich der Zielgerade. Nach mehrmonatigem Tauziehen hat
der Innenausschuss des Nationalrats am 01.12. die Beratungen über den im Juli vorgelegten Regierungsentwurf
aufgenommen. Geht es nach den Koalitionsparteien, sollen am ursprünglichen Gesetzestext noch einige wenige
Adaptierungen vorgenommen werden, ein entsprechender Abänderungsantrag wurde in der heutigen Sitzung vorgelegt.
Überdies haben SPÖ und ÖVP begleitende Änderungen im Telekommunikationsgesetz beantragt. Die
Beschlussfassung des gesamten Gesetzespakets ist für den Jänner in Aussicht genommen, zuvor will die
Koalition noch mit den Oppositionsparteien verhandeln.
Strittige Punkte gibt es jedoch noch viele, wie die heutigen Beratungen zeigten. So äußerten sich sowohl
die Grünen als auch die FPÖ irritiert, dass mit dem "gesamtändernden Abänderungsantrag"
der Koalitionsparteien, anders als medial kolportiert, weder bestimmte Deliktsgruppen aus dem Staatsschutzgesetz
gestrichen noch wesentliche Änderungen bei der Institution des Rechtsschutzbeauftragten vorgenommen wurden.
Von einem Senat sei im ganzen Gesetzestext nirgends die Rede, monierten etwa die FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz
und Gernot Darmann. Seitens der Grünen wiesen Peter Pilz und Albert Steinhauser darauf hin, dass nach wie
vor auch Personen ins Visier des Staatsschutzes geraten können, die sich über eine Landeshymne lustig
machen oder von denen die Polizei annimmt, dass sie ein Hassposting verfassen könnten. Er habe sich offenbar
vorschnell falschen Hoffnungen hingegeben, bedauerte Pilz. Alle vier Oppositionsparteien drängten außerdem
auf eine Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle.
Laut ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon war bei der am Sonntag abgehaltenen Pressekonferenz zum neuen Staatsschutzgesetz
ohnehin nie von einem "Senat", sondern nur von "senatsartigen Entscheidungen" der Rechtsschutzbeauftragten
die Rede. Alles andere sei eine mediale Interpretation, meinte er und bekräftigte, dass die Grundlage für
die Verhandlungen mit der Opposition nicht Medienberichte, sondern der am Tisch liegende Abänderungsantrag
sei.
Rechtsschutzbeauftragter muss sich mit StellverteterInnen abstimmen
Im Wortlaut heißt es dazu im nunmehrigen Gesetzentwurf, dass sich der Rechtsschutzbeauftragte und seine StellvertreterInnen
bei der Genehmigung besonderer Ermittlungsmethoden und anderen ihnen übertragenen Aufgaben im Bereich des
Staatsschutzes "regelmäßig über ihre Wahrnehmungen zu unterrichten und in grundsätzlichen
Fragen der Aufgabenerfüllung eine einvernehmliche Vorgangsweise anzustreben haben". Einer bzw. eine der
StellvertreterInnen muss außerdem mindestens zehn Jahre als Richter/Richterin oder Staatsanwalt/Staatsanwältin
tätig gewesen sein. Überdies soll eine verpflichtende räumliche Trennung von der Generaldirektion
für die öffentliche Sicherheit die Unabhängigkeit der drei Rechtsschutzbeauftragten unterstreichen.
Weitere Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf ( 763 d.B.) betreffen die Organisation des Staatsschutzes
und die parlamentarische Kontrolle. Demnach werden die Berichtspflichten des Innenministeriums gegenüber dem
vertraulichen Unterausschuss des Innenausschusses, der parlamentarische Kontrollaufgaben im Bereich des Verfassungsschutzes
wahrnimmt, teilweise ausgeweitet. Außerdem ist bei Bedarf ein direkter Austausch zwischen dem Rechtsschutzbeauftragten
und dem Unterausschuss vorgesehen, wobei die Initiative zum Austausch von beiden Seiten ausgehen kann.
Organisatorisch wird es statt einem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und neun
Landesämtern, wie es der Regierungsentwurf ursprünglich vorgesehen hatte, nun aller Voraussicht nach
nur ein Bundesamt plus neun zusätzliche Spezialeinheiten der Landespolizeidirektionen geben. Ihnen sind in
Hinkunft staatsschutzrelevante Aufgaben wie die erweiterte Gefahrenforschung zum Schutz vor verfassungsgefährdenden
Angriffen und die Beurteilung und Analyse entsprechender Bedrohungen vorbehalten, wobei die Fäden beim Bundesamt
bzw. im Innenministerium zusammenlaufen sollen. Keine Änderungen wurden mit dem Abänderungsantrag bei
den erweiterten behördlichen Befugnissen zur Beobachtung verdächtiger Einzelpersonen, den im Gesetz verankerten
Deliktsgruppen, dem möglichen Einsatz von V-Leuten im Zuge verdeckter Ermittlungen und den Speicherfristen
für Daten vorgenommen.
Mikl-Leitner: Für Kampf gegen Terrorismus braucht es richtige Instrumentarien
Innenministern Johanna Mikl-Leitner zeigte sich überzeugt, dass Österreich mit den neuen Bestimmungen
im Kampf gegen den Terrorismus gut aufgestellt sein wird. Niemand könne Terroranschläge ausschließen,
betonte sie, jedes EU-Land rüste angesichts der aktuellen Bedrohungslage die Polizei aber auf, und zwar sowohl
in personeller Hinsicht als auch was die Befugnisse betrifft. "Wir kommen im Kampf gegen den Terror nicht
mit Romantik weiter", es brauche die richtigen Instrumentarien für den Staatsschutz, bekräftigte
sie.
Sowohl Mikl-Leitner als auch ÖVP-Sicherheitssprecher Amon betonten allerdings, dass es sich beim neuen Staatsschutzgesetz
um keine Anlassgesetzgebung handle. Die jüngsten Anschläge in Paris haben ihrer Ansicht nach jedoch die
Notwendigkeit einer Neuaufstellung des Verfassungsschutzes verdeutlicht. Man habe es mit neuen Tätertypen
zu tun, die gut ausgebildet sind, wahllos gegen Zivilisten vorgehen und das Internet intensiv nutzten, sagte Mikl-Leitner,
darauf müsse man reagieren.
Wesentlich ist für Mikl-Leitner, dass es sich beim Staatsschutz weiter um eine polizeiliche Sicherheitsbehörde
handelt. Anders als bisher hätten in Hinkunft aber nicht mehr alle PolizistInnen die gleichen Befugnisse,
vielmehr würden alle staatsschutzrelevanten Ermittlungen in einem Amt konzentriert. Ein Schwerpunkt des Staatsschutzes
werde die Prävention sein, hob Mikl-Leitner hervor, dafür brauche es zusätzliche Befugnisse.
Zur Kritik an der Institution des Rechtsschutzbeauftragten merkte Mikl-Leitner an, dieser schaffe sowohl Rechtssicherheit
für die Bevölkerung als auch für den Staatsschutz. Es gebe außerdem in keinem anderen Bereich
der Republik ein derart strenges Ernennungserfordernis wie für die Rechtsschutzbeauftragten. Sie hoffe sehr,
dass die Beratungen über das Gesetz zu einem guten Ende kommen werden, betonte die Innenministerin.
Opposition sieht noch viel Verhandlungsbedarf
Die Opposition sieht allerdings noch in vielen Punkten Verhandlungsbedarf. So äußerten sich sowohl Grün-Abgeordneter
Peter Pilz als auch die FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz und Gernot Darmann enttäuscht, dass sich medial
kolportierte Verbesserungen am Gesetzentwurf nicht im von ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon vorgelegten
V-S-Abänderungsantrag wiederfinden. Delikte wie die Herabwürdigung staatlicher Symbole, Hasspostings
oder die Rädelsführerschaft bei Landfriedensbruch seien nach wie vor im Straftatenkatalog enthalten,
kritisierte Pilz. Allein das Wort "weltanschaulich" habe man durch das Wort "ideologisch" ersetzt.
Es sei nicht so, dass die Grünen die genannten Delikte gutheißen würden, unterstrich Pilz, es sei
aber notwendig den Staatsschutz auf zentrale Aufgaben wie die Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und
Spionage zu konzentrieren. Sollte sich an den Bestimmungen nichts ändern, werde er wie angekündigt öffentlich
"kleine Korrekturen" an der Kärntner Landeshymne vornehmen, um zu schauen, ob er damit ins Visier
des Staatsschutzes gerate.
Änderungsbedarf sehen Pilz und sein Fraktionskollege Albert Steinhauser aber nicht nur bei den Deliktsgruppen,
sondern auch beim Rechtsschutz und beim Einsatz von V-Leuten. Man müsse sich fragen, ob es wirklich sinnvoll
sei, Dschihadisten als bezahlte Spitzel anzuwerben, meinte Pilz. Er sieht dadurch ein großes Risiko, dass
der Staatsschutz selbst von Dschihadisten unterwandert wird. Steinhauser wies ergänzend darauf hin, dass man
in Deutschland mit dem Einsatz von V-Leuten "hochgradig gescheitert ist". Er sei an ernsthaften Verhandlungen
über das Gesetz interessiert, versicherte Pilz, ohne Änderungen könnten sich die Grünen aber
keine Zustimmung vorstellen.
FPÖ kritisiert "schwammige" Gesetzesbegriffe
Auch die FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz und Gernot Darmann drängten auf weitere Änderungen im
Gesetz. Es gebe zwar gewisse Verbesserungen im Entwurf, aber nicht in dem Ausmaß wie notwendig, betonte Rosenkranz
und forderte unter anderem eine präzisere Formulierung des Deliktkatalogs und schwammiger Gesetzesbegriffe
wie "Gruppierung" ein.
Ebenso noch nicht geklärt ist nach Ansicht der FPÖ die Frage des Rechtsschutzes. Schon jetzt müssten
sich der Rechtsschutzbeauftragte und seine Stellvertreter untereinander abstimmen, äußerte sich Rosenkranz
irritiert, dass diese notwendige Abstimmung "nun unter dem Etikett 'Senat' verkauft werden soll". Es
gebe ein enormes Auseinanderklaffen zwischen den medialen Ankündigungen am Sonntag und dem vorliegenden Abänderungsantrag,
stellte auch Darmann fest. Zusammenfassend nannte Rosenkranz die Verhandlungsposition seiner Fraktion: "Bei
einem gescheiten Gesetz stimmen wir zu, bei einem nicht gescheiten Gesetz nicht."
Deutliche Verbesserungen gegenüber dem allerersten Entwurf für ein neues Staatsschutzgesetz räumte
NEOS-Abgeordneter Nikolaus Alm ein. Wie die anderen Oppositionsparteien sieht er aber noch nicht alle Kritikpunkte
ausgeräumt. Konkret urgierte er etwa Nachbesserungen beim Deliktskatalog, beim Rechtsschutz, beim Einsatz
von V-Leuten und bei der parlamentarischen Kontrolle. Außerdem hält er es für notwendig, die Divergenz
zwischen der erlaubten Dauer der Datenspeicherung und der Dauer der Protokollierungspflicht zu beseitigen.
Seitens des Team Stronach hob Christoph Hagen die Notwendigkeit der Ausweitung der Polizeibefugnisse hervor. Wer
mehr Sicherheit wolle, müsse Einschränkungen der Privatsphäre in Kauf nehmen, unterstrich er. Er
drängte jedoch auf eine Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle. Vorstellen kann sich Hagen auch eine vorerst
befristete Regelung der neuen Bestimmungen für zwei bis drei Jahre.
Koalition will mit Opposition verhandeln
Grundsätzlich zufrieden äußerten sich die beiden SPÖ-Abgeordneten Hannes Fazekas und Rudolf
Plessl. Seit der Vorlage des Erstentwurfs sei viel Positives passiert, viele Schärfen seien aus dem Gesetz
entfernt worden, betonte Fazekas. Allerdings sieht auch die SPÖ noch nicht alle Fragen geklärt, etwa
was die Ausbildung der StaatschützerInnen und die vorgesehenen Sicherheitsüberprüfungen betrifft.
Zum Thema Rechtsschutzbeauftragter merkte Fazekas an, eine richterliche Kontrolle würde zu einem Spannungsverhältnis
zwischen Justiz, Exekutive und Legislative führen.
ÖVP-Abgeordneter Amon signalisierte namens der Koalition Bereitschaft für intensive Gespräche mit
der Opposition. Er ist allerdings überzeugt, dass es mit dem nunmehr vorliegenden Gesetzestext gelungen ist,
eine ausgewogene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Es würden keinerlei Bürgerfreiheiten
eingeschränkt, bekräftigte er. Zudem sei ein hohes Maß an Rechtsschutz sichergestellt. RichterInnen
sollten keine exekutiven Aufgaben wahrnehmen, sondern etwaiges Fehlverhalten nachgeordnet prüfen, verteidigte
er die Institution des Rechtsschutzbeauftragten. Amon ist auch überzeugt, dass der Einsatz von V-Leuten zu
keinem Massenphänomen wird, in ganz spezifischen Fällen würde ein solcher aber durchaus Sinn machen.
Gridling: 217 Anzeigen gegen verdächtige Dschihadisten
Ausdrücklich verteidigt wurde der Einsatz von V-Leuten auch von Innenministerin Mikl-Leitner und vom Leiter
des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Peter Gridling. Einen Vergleich mit Deutschland
sehen beide nicht für angebracht. Wenn man 17 Nachrichtendienste auf Länderebene und 17 Landeskriminalämter
habe, die alle V-Personen einsetzen könnten, sei es weitaus schwieriger, Kontrolle zu bewahren, als wenn es,
wie in Österreich vorgesehen, eine zentrale Datenbank, gepaart mit umfangreichen Dokumentations- und Kontrollpflichten
gebe, hielt Gridling fest. Überdies sei sichergestellt, dass auch V-Personen dem Strafrecht unterliegen.
Laut Gridling hat die Exekutive zuletzt in 256 Fällen in Richtung Dschihadismus ermittelt, gegen 217 Personen
wurde bis dato Anzeige erstattet. Es sei auch schon zu einigen Verurteilungen gekommen. Mit Stichtag gestern befanden
sich 27 Personen in Haft.
Das neue Staatsschutzgesetz sieht Gridling als einen Meilenstein in der Geschichte des Staatsschutzes. Seiner Ansicht
nach sind im Gesetz auch alle notwendigen Schranken und Aufsichtsmöglichkeiten enthalten. So müsse sich
ein Beamter zunächst einmal fragen, ob es sich bei einem Sachverhalt um einen verfassungsgefährdenden
Angriff handle, und dann noch vor dem Start von Ermittlungen die Genehmigung des Rechtsschutzbeauftragten einholen.
Für besondere Ermittlungsmethoden wie Observationen, verdeckte Ermittlungen oder Datenauskünfte brauche
es gesonderte Ermächtigungen. Bei der Datenspeicherung wird Gridling zufolge außerdem klar zwischen
verdächtigen Personen auf der einen Seite und Kontakt- und Begleitpersonen auf der anderen Seite unterschieden.
Daten von Kontakt- und Begleitpersonen dürften nur gespeichert werden, wenn daraus relevante Erkenntnisse
für die Ermittlungen gewonnen werden können.
Nach dem Ende der Ermittlungen können die Daten noch zwei Jahre aufbewahrt werden, skizzierte Gridling. Eine
Verlängerung der Frist bis zu insgesamt sechs Jahren sei nur bei jährlicher Genehmigung des Rechtsschutzbeauftragten
möglich. Für Innenministerin Mikl-Leitner macht diese Vorgehensweise Sinn, derzeit müssten nach
neun Monaten alle Daten gelöscht werden, selbst wenn nicht alle Verdachtsmomente ausgeräumt werden konnten.
Damit drohe man wertvoller Ermittlungsergebnisse verlustig zu gehen, wenn der Betroffene zu einem späteren
Zeitpunkt neuerlich ins Visier des Staatsschutzes gerät.
FPÖ-Abgeordneter Gernot Darmann hält die sechsjährige Speicherdauer allerdings für überschießend.
Ihm zufolge kann diese Maximaldauer außerdem weiter überzogen werden, wenn es aus irgendwelchen Gründen
nicht möglich ist, die Betroffenen von den abgeschlossenen Ermittlungen zu informieren, wie es das Gesetz
grundsätzlich vorsieht.
Mikl-Leitner will über neue Mechanismen wie Ausnahmezustand diskutieren
Abseits der Diskussion über das Staatsschutzgesetz bekräftigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ihre
Absicht, eine offene Diskussion über neue Befugnisse der Staatsorgane in Krisensituationen zu führen.
Im Gegensatz zu Frankreich habe Österreich etwa nicht die Möglichkeit, den Ausnahmezustand zu verhängen,
machte sie geltend. Man müsse rechtzeitig darüber nachdenken, ob die geltenden Befugnisse der Polizei
für Worst-Case-Situationen ausreichten. Mikl-Leitner hat in diesem Sinn den Auftrag für die Einleitung
eines Diskussionsprozesses auf Wissenschafts- und Expertenebene erteilt.
Auf wiederholte Nachfrage von Grün-Abgeordnetem Peter Pilz bekräftigte Mikl-Leitner, dass sie noch keine
konkreten Vorstellungen habe, etwa ob in Ausnahmesituationen die Verhängung von Hausarrest oder andere Grundrechteeinschränkungen
möglich sein sollen. Für Pilz ist diese Vorgangsweise äußerst fahrlässig. ÖVP-Sicherheitssprecher
Werner Amon hält es demgegenüber für legitim, darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten
Staatsorgane in besonderen Krisenfällen haben sollen.
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Erweiterte Befugnisse bei der Observierung von Einzelpersonen
Ziel des neuen Polizeilichen Staatsschutzgesetzes und der begleitenden Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz
und im Telekommunikationsgesetz ist ein effektiver Schutz vor terroristischen Bedrohungen. Neben einer Neuorganisation
des Staatsschutzes sind in diesem Zusammenhang vor allem erweiterte Befugnisse bei der Observierung von Einzelpersonen
vorgesehen. Außerdem soll es künftig möglich sein, V-Leute im Zuge von verdeckten Ermittlungen
einzusetzen. Probeweise erlaubt wird auch das Tragen von Körperkameras durch PolizistInnen.
Konkret können Betroffene künftig dann unter Beobachtung gestellt werden, wenn ein "begründeter
Gefahrenverdacht" besteht, dass sie in absehbarer Zeit einen verfassungsgefährdenden Angriff begehen,
wobei die davon umfassten Straftaten taxativ aufgezählt werden. Darunter fallen etwa die Begründung bzw.
Finanzierung einer terroristischen Vereinigung, das unerlaubte Hantieren mit radioaktivem Material, nachrichtendienstliche
Tätigkeit und Wirtschaftsspionage, bestimmte Formen von Verhetzung, die Hortung von Kampfmittel, Hackerangriffe
gegen staatliche Einrichtungen und kritische Infrastrukturen sowie Verstöße gegen das Kriegsmaterialgesetz
und das Verbotsgesetz. Bei einigen der im Gesetz aufgelisteten Deliktsgruppen müssen zusätzlich zum Tatbestand
außerdem "ideologische oder religiöse" Motive vorliegen. Der Informationsaustausch mit ausländischen
Sicherheitsbehörden sowie bestimmten anderen in- und ausländischen Stellen ist ausdrücklich gestattet.
Begleitend zu den neuen Behördenbefugnissen sind auch Änderungen im Telekommunikationsgesetz vorgesehen.
Damit soll eine gesetzliche Grundlage für die Erteilung von vom Staatsschutz angeforderter Auskünfte
durch Telekom-Anbieter geschaffen werden. Über den heute von SPÖ und ÖVP vorgelegten Gesetzesantrag
soll gemeinsam mit dem neuen Staatsschutzgesetz abgestimmt werden.
Umfassende Datenschutzbestimmungen
In zwei eigenen "Hauptstücken" des Staatsschutzgesetzes geregelt ist der Umgang der Staatsschutzbehörden
mit personenbezogenen Daten und der Rechtsschutz der BürgerInnen. So wird etwa ausdrücklich normiert,
dass die Staatsschutzbehörden bei der Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten die Verhältnismäßigkeit
zu beachten haben und bei der Verwendung sensibler und strafrechtlich relevanter Daten angemessene Vorkehrungen
zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen sind. Ein automatisierter Datenabgleich, Stichwort
Rasterfahndung, ist untersagt.
Für die erweiterte Gefahrenforschung und den Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden wie verdeckte Observationen,
Abhörmaßnahmen sowie die Einholung von Auskünften zu IP-Adressen, Handy-Standortdaten und Reisebewegungen
brauchen die StaatsschützerInnen eine ausdrückliche Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten des
Innenressorts bzw. seiner StellvertreterInnen. Die Ermächtigung ist dabei grundsätzlich auf sechs Monate
befristet, kann aber – auch mehrmals – verlängert werden. Gleichzeitig wird ausdrücklich festgehalten,
dass die im konkreten Fall eingesetzten Ermittlungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zur befürchteten
Straftat stehen müssen und die Ermittlungen zu beenden sind, sobald die Voraussetzungen wegfallen. Keine gesonderte
Erlaubnis ist für Recherchen in offenen Internet-Foren, Blogs und Newsgroups erforderlich.
Erhobene Daten zu Verdächtigen und ihren Kontaktpersonen sind grundsätzlich spätestens nach fünf
Jahren zu löschen, wobei eine Aktualisierung und etwaige Richtigstellung von Daten laufend zu erfolgen hat.
Um missbräuchliche Datenabfragen zu vermeiden, muss überdies jede Abfrage und Übermittlung personenbezogener
Daten so protokolliert werden, dass sie einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Diese Protokollaufzeichnungen
sind drei Jahre lang aufzubewahren. Eine längere Speicherung eigentlich zu löschender personenbezogener
Daten ist nur in Ausnahmefällen und nur mit Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten gestattet, sechs Jahren
nach Ende der erteilten Ermittlungs-Ermächtigung ist allerdings endgültig Schluss.
Nach dem Ende der besonderen Ermittlungsmaßnahmen sind die Betroffenen grundsätzlich über Anlass,
Art und Dauer der Observation zu informieren. Nur in begründeten Fällen kann diese Information aufgeschoben
werden bzw. unterbleiben, wobei auch hier der Rechtschutzbeauftragte das letzte Wort hat. Der Rechtsschutzbeauftragte
hat darüber hinaus dem Innenministerium jährlich einen Bericht über seine Tätigkeit und seine
Wahrnehmungen zu erstatten, der auch dem geheimen Unterausschuss des Innenausschusses des Nationalrats vorzulegen
ist.
Einsatz von V-Leuten bei verdeckten Ermittlungen möglich
Begleitend zum neuen Polizeilichen Staatsschutzgesetz werden auch Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz vorgenommen.
So wird den Sicherheitsbehörden künftig der Einsatz von Vertrauensleuten im Zuge verdeckter Ermittlungen
ausdrücklich gestattet. Sie sollen nicht nur zur Abwehr verfassungsgefährdender Bedrohungen, sondern
auch bei Ermittlungen gegen kriminelle Organisationen zum Einsatz kommen können. Aufgrund der äußerst
konspirativ agierenden Personenkreise in diesen Bereichen und wegen vorhandener Sprachbarrieren sei es schwierig,
Sicherheitsorgane in verdächtige Gruppierungen einzuschleusen, heißt es dazu in der Begründung.
Zur Kontrolle der angeheuerten Vertrauensleute sind gewisse Führungs-, Überwachungs- und Dokumentationspflichten
vorgesehen.
Ausgeweitet wird daneben auch die Möglichkeit, Handy-Standortdaten zu ermitteln. Nicht nur gefährdete
Personen wie potentielle SelbstmörderInnen sollen in Hinkunft geortet werden dürfen, sondern auch Personen,
die im Zuge der erweiterten Gefahrenforschung in das Visier der Ermittler geraten sind und von denen eine konkrete
Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen ausgeht. Als Beispiel werden etwa Personen
genannt, die angekündigt haben, eine Bombe zu zünden.
Polizei soll bei Einsätzen künftig Körperkameras verwenden können
Mit so genannten "body worn cams" will das Innenministerium Polizeieinsätze künftig besser
dokumentieren und damit nicht nur die Verfolgung von StraftäterInnen erleichtern, sondern auch strafbaren
Handlungen vorbeugen und die Rechtmäßigkeit von Amtshandlungen kontrollieren, wie in den Erläuterungen
vermerkt wird. Die Erlaubnis zum Einsatz der Kameras ist vorerst bis Ende 2019 befristet, in einem ersten Schritt
sollen 25 Körperkameras zu Erprobungszwecken angeschafft werden. Darüber hinaus soll es den Sicherheitsbehörden
künftig ausdrücklich gestattet sein, auch kleinere Splittergruppen rund um Demonstrationen zu filmen
und vorhandenes Videomaterial auch zur Verfolgung bestimmter Verwaltungsübertretungen zu verwenden. Damit
hofft man etwa Verstöße gegen das Pyrotechnikgesetz bei Sportgroßveranstaltungen leichter ahnden
zu können.
Schließlich sollen mit zwei neuen Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz die Befugnisse von Sicherheitsorganen
in Passagierflugzeugen klar geregelt und eine gesetzliche Grundlage für die digitale Verarbeitung und personenbezogene
Zuordnung von Spuren geschaffen werden, die auf Grundlage der Strafprozessordnung ermittelt wurden.
FPÖ und NEOS fordern Evaluierung der Polizeibefugnisse
Mitverhandelt mit dem neuen Staatsschutzgesetz wurden ein Antrag der FPÖ ( 283/A(E)) und ein Antrag der NEOS
( 1413/A(E)). Den beiden Oppositionsparteien geht es insbesondere darum, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden
zu evaluieren und "grundrechtsschonende Aufklärungsmethoden" zu forcieren, wie es NEOS-Abgeordneter
Nikolaus Alm formuliert. Beide Anträge wurden gemeinsam mit dem Staatsschutzgesetz vertagt, was die AntragstellerInnen
ausdrücklich bedauerten. Es wäre sinnvoll gewesen, die bestehenden Polizeibefugnisse zu evaluieren, bevor
man das neue Gesetz beschließt, hielt FPÖ-Abgeordneter Rosenkranz fest.
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