Wien (tu) - Was hält Asphalt zusammen und macht unsere Straßen haltbar? Analysen an der TU Wien bringen
neue Einblicke in die Chemie von Bitumen und sollen alten Asphalt wieder jung erscheinen lassen. Bitumen ist das
klebrig-schwarze Bindemittel, das im Asphalt die Steine zusammenhält. Die Qualität dieses Erdölproduktes
bestimmt die Eigenschaften und die Haltbarkeit des Asphalts, daher ist es wichtig, das Verhalten von Bitumen auf
mikroskopischer Skala genau zu verstehen. An der TU Wien stieß man nun durch die Kombination unterschiedlicher
Analysemethoden auf überraschende Ergebnisse: Die unterschiedlichen Bestandteile werden von einer Art molekularer
Schutzhülle fixiert. Mit dieser Erkenntnis möchte man nun Asphalt haltbarer machen oder sogar alten Asphalt
wieder verjüngen.
Rezept für gutes Bitumen: Asphaltene und Maltene
Bitumen ist keine homogene Substanz. Ähnlich wie Milch, bei der kleine Fetttröpfchen in einer wässrigen
Umgebung verteilt sind , besteht Bitumen aus verschiedenen Komponenten. Wie gut sich die unterschiedlichen Bestandteile
vermischen können, hängt zu einem großen Teil von ihrer Polarität ab. Bei stark polaren Molekülen
ist die elektrische Ladung nicht gleich verteilt, sie haben ein positiv und eine negativ geladene Seite.
„Die Asphaltene beinhalten die polarsten und größten Moleküle im Bitumen“, erklärt der Chemiker
Florian Handle, der diese Zusammenhänge in seiner Dissertation genau untersucht hat. „Um sie herum findet
man viele aromatische Moleküle, die weniger stark polar und meist etwas kleiner sind.“
Wie die einzelnen Komponenten im Bitumen verteilt sind, kann man mit unterschiedlichen Methoden untersuchen. An
der TU Wien wurde das Bitumen mit Laserstrahlen beleuchtet, manche der Komponenten werden damit zum Fluoreszieren
angeregt. „Mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie wird abgebildet, an welchen Orten sich fluoreszierende Moleküle
aufhalten. Die Fluoreszenzeigenschaften von Stoffgruppen oder einzelnen Molekülen können mittels Fluoreszenzspektroskopie
untersucht werden. Kombiniert man diese beiden Informationen so erhält man einen klaren Blick in die Chemie
und Mikrostruktur des sehr komplizierten Materials Bitumen“, sagt Florian Handle.
Was leuchtet hier eigentlich?
„Bisher dachte man, für die Fluoreszenz seien die Asphaltene verantwortlich, oder vielleicht auch bestimmte
Wachse“, sagt der Chemiker Prof. Hinrich Grothe vom Institut für Materialchemie der TU Wien. „Wir haben die
Komponenten nun allerdings voneinander getrennt und erstaunlicherweise festgestellt, dass nicht die Asphaltene
fluoreszieren.“ Wie sich herausstellt, werden die Asphaltene im Bitumen nämlich von einer Schicht aromatischer
Verbindungen umgeben – und sie sind die Hauptursache für die Fluoreszenz.
Dass sich diese aromatischen Verbindungen wie eine Schale um die wenige Mikrometer kleinen Asphalten-Einschlüsse
legen, spielt für die Eigenschaften des Bitumens eine wichtige Rolle. „Dieser Schutzmantel ist letztlich dafür
verantwortlich, dass Bitumen und Asphalt rissfest, dehnbar und trotzdem relativ steif ist“, erklärt der Bauingenieur
Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswissenschaften (TU Wien). Der aromatische Schutzmantel hat nämlich
eine Polarität, der zwischen der Polarität der Asphaltene im Inneren und den anderen Bestandteilen des
Bitumens liegt. Dadurch ergibt sich ein sanfterer Übergang, hochpolare und niedrigpolare Moleküle stoßen
nicht direkt aneinander, und das hilft der Stabilität des Bitumens.
Verjüngungskur für die Straße?
Wenn der Asphalt altert, kann genau diese Schutzschicht beschädigt werden, etwa durch Oxidation. Der Asphalt
verliert dann seine Flexibilität, er wird spröde und brüchig. „Es gibt Versuche, alten Asphalt durch
Zugabe bestimmter Substanzen wieder zu verjüngen“, sagt Bernhard Hofko. „Das geschah bisher eher durch Versuch
und Irrtum. Wenn wir nun allerdings die Ursachen für die Alterung auf molekularer Ebene kennen, dann können
wir gezielt die fehlenden Bestandteile des gealterten Asphalts wieder herstellen.“
Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Materials and Structures“ publiziert und nun zu einem der zehn besten Publikationen
des Jahres gewählt – ein deutliches Zeichen, dass die Forschungsarbeit der TU Wien an der Schnittstelle zwischen
Bauingenieurwesen und Chemie auch international Aufmerksamkeit erregt.
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