Nationalrat debattiert über Außenpolitischen Bericht 2014
Wien (pk) - Österreich muss alles unternehmen, damit sich die Beziehungen der EU zu Russland wieder
in eine positive Richtung bewegen. Bei der Debatte im Nationalrat über den Außen- und Europapolitischen
Bericht 2014 trat Außenminister Sebastian Kurz am 10.12. dafür ein, den Kontakt mit Moskau aufrechtzuhalten
und meinte, gerade der Syrien-Konflikt habe die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Russland aufgezeigt. Eine
Änderung der Sanktionspolitik sei allerdings von Fortschritten bei der friedlichen Beilegung der Ukraine-Krise
abhängig, stellte Kurz klar.
Bei seinem Einsatz für eine friedliche Lösung des Syrien-Konflikts wiederum erhielt Kurz Rückenwind
auch durch eine einstimmige Entschließung des Nationalrats, in der sich die Abgeordneten nachdrücklich
zum Wiener Verhandlungsprozess bekannten und die Bundesregierung zur Teilnahme an humanitären Hilfsprogrammen
für die Menschen in der umkämpften Region aufriefen. Verstärkt wurde dies noch durch einen weiteren
einstimmigen Appell an den Außenminister, sich mit aller Kraft für die betroffene Zivilbevölkerung
in Syrien und im Nordirak, insbesondere Jesiden, Kurden und Christen, einzusetzen.
Der mehrheitlich zur Kenntnis genommene Außen- und Europapolitische Bericht 2014 unterstreicht einmal mehr
die "roten Fäden" der österreichischen Außenpolitik – EU-Perspektive für den Westbalkan,
Nachbarschaftspolitik, Engagement in EU und UNO - , erinnert aber auch an die zunehmende Verflechtung von Außen-
und Innenbereich hin und spricht in diesem Zusammenhang den Syrien-Konflikt und die daraus resultierenden Flüchtlingsströme
an.
SPÖ fordert engagierte Neutralitätspolitik und europäische Solidarität in der Flüchtlingspolitik
"Wir brauchen mehr Brücken und weniger Gräber in Europa", betonte SPÖ-Abgeordnete Christine
Muttonen und bekannte sich überdies zu einer engagierten Neutralitätspolitik. Im Syrien-Konflikt sah
sie Österreich aufgefordert, darauf zu achten, dass wichtige diplomatische, zivile und humanitäre Ziele
nicht vom militärischen Engagement der EU verdrängt werden. Mehrheitliche Zustimmung fand ein von Muttonen
eingebrachter Entschließungsantrag der Regierungsparteien, in dem Kurz aufgerufen wird, die UNO auf allen
Ebenen zu stärken und ins Zentrum des außenpolitischen Handelns zu stellen. Gisela Wurm (S) wiederum
sah die Rolle Österreichs im Europarat durch den Vorsitz im Jahr 2014 gestärkt und mahnte zudem in der
Flüchtlingspolitik europäische Solidarität und eine Besinnung auf die gemeinsamen Werte ein. Ihr
Fraktionskollege Hermann Krist rief Kurz auf, die Kinderrechte in den Fokus seiner Außenpolitik zu rücken.
Josef Cap (S) meldete Bedenken bezüglich der Wirksamkeit der Russland-Sanktionen an und plädierte für
einen Dialog mit Moskau. Harald Troch (S) erachtete es in diesem Zusammenhang für notwendig, Russland bei
der Suche nach einer Lösung des Syrien-Konflikts ins Boot zu holen.
ÖVP will dem Westbalkan an die EU heranführen
Die aktuelle Flüchtlingskrise zeige, dass Außenpolitik zunehmend auch zu Innenpolitik werde, zitierte
namens der ÖVP Werner Amon aus dem Bericht und sprach überdies auch die Rolle Österreichs als Vermittler
an. Nikolaus Berlakovich (V) richtete seinen Blick auf den Westbalkan und trat mit Nachdruck dafür ein, die
Länder der Region an die Europäische Union heranzuführen. Claudia Durchschlag (V) schließlich
unterstrich Österreichs Engagement für eine nuklearfreie Welt und hob zudem die Bedeutung Wiens als Konferenzstandort
hervor.
Scharfe FPÖ-Kritik an Russland-Sanktionen und Flüchtlingspolitik
FPÖ-Mandatar Johannes Hübner kritisierte die Russland-Sanktionen als totalen Misserfolg und argumentierte,
diese hätten Österreich und der EU wirtschaftlich geschadet, ohne eine Lösung des Konflikts zu bewirken.
Der Außenpolitische Sprecher der Freiheitlichen appellierte an Kurz, wieder zu einer Politik des Ausgleichs
und der Neutralität zurückzukommen und forderte in einem bei der Abstimmung allerdings abgelehnten Entschließungsantrag
die Regierung auf, sich auf internationaler Ebene für eine Aufhebung der Sanktionen einzusetzen. Sein Fraktionskollege
Reinhard Eugen Bösch ging scharf mit der Flüchtlingspolitik ins Gericht und drängte auf eine Sicherung
der EU-Außengrenzen sowie auf Maßnahmen gegen illegale Einwanderung. Das Asylrecht müsse ein Recht
auf Zeit bleiben und dürfe nicht zu organisierter Zuwanderung führen, stellte er an die Adresse des Außenministers
gerichtet fest. Klare Strategien in der Außenpolitik vermisste Andreas Karlsböck (F) und sprach dabei
vor allem Afrika an, das nicht nur im Zusammenhang mit der Entwicklungspolitik, sondern auch aus dem Blickwinkel
der Wirtschaftsbeziehungen gesehen werden sollte.
Grüne fordern mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit
Österreich gebe nach wie vor zu wenig für bilaterale und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit aus,
bemängelte Tanja Windbüchler-Souschill von den Grünen. Nicht durchsetzen konnte sie sich dabei mit
einem Entschließungsantrag, in dem sie eine Erhöhung der diesbezüglichen Budgetmittel für
2016 auf 200 Mio. € sowie die Erarbeitung eines Stufenplans zur Erreichung des 0,7 %-Ziels von EZA-Ausgaben gemessen
am Bruttonationaleinkommen forderte.
NEOS drängen auf Reform der EU
NEOS-Abgeordneter Christoph Vavrik trat für eine langfristige Neuregelung der EU ein und begrüßte
unter diesem Aspekt die von Großbritannien geforderten Verhandlungen. Wenn die Union überleben will,
dann muss sie sich reformieren, steht für den Außenpolitischen Sprecher der NEOS fest, der vor allem
auf eine Forcierung des Binnenhandels sowie auf den Abbau von Bürokratie und unnötigen Regelungen pochte.
Scharf wandte er sich aber gegen Bestrebungen, die Europäische Union zu renationalisieren.
Auch Team Stronach lehnt Russland-Sanktionen ab
Christoph Hagen vom Team Stronach übte ebenfalls Kritik an den Russland-Sanktionen und sprach in diesem Zusammenhang
von einer total verfehlten Außenpolitik. Als problematisch aus Sicht der Wirtschaftsbeziehungen sah er auch
die Schließung der Botschaften in den baltischen Staaten. In der Flüchtlingspolitik wiederum drängte
Hagen auf die Einrichtung von Schutzzonen in den Herkunftsregionen. Falsch ist aus seiner Sicht die Wiederaufnahme
von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, wobei Hagen vor allem auf die Menschenrechtslage und den Kurden-Konflikt
hinwies. Seine Bedenken bezüglich der Russland-Sanktionen und der Politik gegenüber der Türkei wurden
auch von der fraktionslosen Abgeordneten Jessi Lintl geteilt.
Syrien-Konflikt: Nationalrat fordert Friedensverhandlungen und Hilfe für die Zivilbevölkerung
Das Bekenntnis zu einer friedlichen Lösung des Syrien-Konflikts kam auch durch ein einstimmiges Votum aller
Fraktionen zum Ausdruck. In einer auf einen Antrag von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zurückgehenden
Entschließung fordern die Abgeordneten Außenminister Kurz auf, die Weiterführung des mit den Gesprächen
von Wien begonnenen Friedensprozesses zu unterstützen und sich überdies auf Ebene von EU und UNO gegen
Geld- und Waffenlieferungen an den IS und für humanitäre Hilfe in den betroffenen Gebieten einzusetzen.
Präzisiert wird dieses Anliegen überdies durch eine weitere einstimmig angenommene Initiative – hier
gaben die Grünen gemeinsam mit den Regierungsparteien den Anstoß – der auf die Wiederherstellung der
Sicherheit vor allem in den umkämpften Städten Kohane und Shingal abzielt und Maßnahmen zum Schutz
der Zivilbevölkerung, insbesondere Jesiden, Kurden und Christen, fordert.
Die Flüchtlingsströme könne man nur dann eindämmen, wenn es gelingt, den Syrien-Konflikt zu
lösen und in der Region sichere und stabile Strukturen aufzubauen, zeigten sich Reinhold Lopatka (V) und Andreas
Schieder (S) überzeugt. ÖVP-Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg unterstrich zudem die Bedeutung von humanitärer
Hilfe vor Ort, während Anton Heinzl (S) die Wiener Syrien-Konferenz als ersten Hoffnungsschimmer begrüßte.
Zustimmung zu den Anträgen signalisierte auch FPÖ-Mandatar Johannes Hübner, der allerdings vor allzu
großem Optimismus warnte.
Hilfe vor Ort müsse auch entsprechend budgetär ausgestattet werden, mahnte namens der Grünen Tanja
Windbüchler-Souschill. Christoph Vavrik von den NEOS wiederum sprach die Rolle der Türkei an und sah
Ankara aufgefordert, den Konflikt mit den Kurden beizulegen. Team Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen hielt die
Einrichtung von Schutzzonen für unumgänglich, forderte aber auch konkrete Maßnahmen gegen Geld-
und Waffenlieferungen an den IS. Sein Klubkollege Robert Lugar rief zur Unterstützung des Assad-Regimes auf,
um den IS zu besiegen. Einen emotionalen Appell für den Schutz der Menschenrechte der bedrohten kurdischen
Bevölkerung im Nordirak richtete Aygül Berivan Aslan (G) ans Plenum. Die heutige Entschließung
könne den Menschen vor Ort zumindest ein Stückchen Hoffnung geben, meinte sie.
Asyl: Mehrheit gegen Wiedereinführung des Botschaftsverfahrens
Nicht durchsetzen konnten sich hingegen die Grünen mit ihrem Vorstoß auf Wiedereinführung des Botschaftsverfahrens
zur Beantragung von Asyl. Nur wenn Asylsuchende die Möglichkeit erhalten, zur Führung eines Asylverfahrens
legal mit einem Visum nach Europa einzureisen, könne der Schlepperei wirksam entgegengetreten werden, argumentierte
Alev Korun (G) und erinnerte auch an einen diesbezüglichen Vorstoß von Justizminister Brandstetter.
ÖVP-Abgeordnete Elisabeth Pfurtscheller wandte sich gegen einen Alleingang Österreichs und meinte ebenso
wie Christoph Vavrik (N), das Problem könne nur die EU als Ganzes lösen. Josef Cap (S) setzte auf die
nunmehr eingerichteten Hotspots und gab zu bedenken, das Botschaftsverfahren habe den Antragstellern nichts gebracht.
Johannes Hübner (F) lehnte schrankenlose Einwanderung nach Europa ab, während Christoph Hagen (T) in
der Initiative eine Einladung von "zig Millionen an Wirtschaftsflüchtlingen in das reiche Österreich"
sah.
Vorbehalte Österreichs gegen tadschikische Urkunden
Einstimmig genehmigte der Nationalrat schließlich den Einspruch Österreichs gegen den Beitritt Tadschikistans
zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung und schließt
sich damit den Bedenken der Bundesregierung bezüglich der Echtheit von Dokumenten aus dem zentralasiatischen
Staat an. Wie ÖVP-Abgeordnete Beatrix Karl erklärte, zielt diese Maßnahme darauf ab zu verhindern,
dass tadschikische Urkunden, die mit einer Apostille versehen sind, ohne weitere Kontrolle der Echtheit und inhaltlichen
Richtigkeit in Verfahren vor österreichischen Behörden als Beweismittel zugelassen werden. Begründet
wird der Schritt vor allem mit der hohen Korruption in Tadschikistan.
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