Mehr Transparenz bei All-In-Verträgen, flexiblere Arbeitszeiten, Väterkarenz steht
künftig auch Frauen offen
Wien (PK) – Am Beginn seines letzten Plenartags für 2015 stimmte der Nationalrat am 10.12. einer Reihe
an sozialpolitischen Änderungen mit Mehrheit zu. Ein Arbeitsrechtspaket soll vor allem mehr Transparenz bei
All-In-Verträgen, Einschränkungen bei Konkurrenzklauseln und beim Ausbildungskostenrückersatz sowie
flexiblere Arbeitszeiten bringen. Zudem müssen Unternehmen Teilzeitbeschäftigte in Zukunft informieren,
wenn eine Stelle mit einem höheren Arbeitsausmaß ausgeschrieben wird. Verkürzt werden zudem die
täglichen Ruhezeiten im Hotel- und Gastgewerbe. Außerdem wird der Geltungsbereich des Väter-Karenzgesetzes
ausgeweitet. Damit können künftig auch Frauen, deren eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin
durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommt, Elternkarenz nach dem Väter-Karenzgesetz
in Anspruch nehmen. Die Änderungen im Mutterschutzgesetz und im Väter-Karenzgesetz wurden im Plenum ebenfalls
mehrheitlich verabschiedet.
Abgelehnt wurden zwei Initiativen der NEOS, die zum einen eine Reihe von sozialrechtlichen Anliegen wie die Ausweitung
der Probezeit bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen von einem auf drei Monate enthält sowie zum anderen
eine Reduktion der Normalarbeitszeit um 40-70% als Voraussetzung für Elternteilzeit fordert. Nicht durchsetzen
konnte sich zudem ein Anliegen der Grünen. Darin spricht sich Birgit Schatz für neue Regeln in All-In-Verträgen
aus. Es ist ihrer Meinung nach dringend notwendig, dem bedenklichen Wildwuchs in diesem Bereich gesetzlich entgegenzusteuern.
Die geplanten Regelungen im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz greifen ihr zu kurz.
Hundstorfer: Zielpunkt-MitarbeiterInnen bekommen Geld Ende nächster Woche
Die Zielpunkt-Pleite war zudem einmal mehr Thema im Hohen Haus. Grund dafür war ein Entschließungsantrag
von Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Die Freiheitlichen fordern eine Rechtsgrundlage um Ansprüche von ArbeitnehmerInnen
im Fall einer Insolvenz durch Überbrückungszahlungen vorzufinanzieren. Bei den gekündigten Zielpunkt-MitarbeiterInnen
geht der FPÖ die Hilfe durch Sozialminister Rudolf Hundstorfer und dem Insolvenzentgeltfonds nämlich
nicht schnell und unbürokratisch genug. Der Antrag wurde in einer namentlichen Abstimmung mit 100 Nein- zu
45 Ja-Stimmen abgelehnt.
Die Vorwürfe der FPÖ wies Hundstorfer wie schon im Sozialausschuss vorige Woche zurück. Geht es
nach dem Sozialminister, werden die Zielpunkt-MitarbeiterInnen Ende nächster Woche das Novembergehalt sowie
das Weihnachtsgeld bekommen. Der Masseverwalter hat demnach heute die offenen Forderungen für das November-Gehalt
sowie das Weihnachtsgeld für Zielpunkt-MitarbeiterInnen anerkannt. Was die Lehrlinge von Zielpunkt betrifft,
werden diese von den anderen vier Handelsketten übernommen. Zielpunkt selbst wird bis Jahresende bestehen.
Beendigungsansprüche können erst dann ausbezahlt werden. Hundstorfer hofft zudem, dass möglichst
viele Filialen übernommen werden können. Die Wettbewerbsbehörde dürfe dabei den "Faktor
Arbeitskraft" nicht übersehen, so sein Appell.
Kritik gegenüber dem Arbeitsrechtspaket kam vor allem von den Grünen und den NEOS. Sorgen machen den
Grünen etwa die Arbeitszeitausweitungen etwa in der Montagebranche oder bei den Lehrlingen. Die Höchstarbeitszeit
von 10 Stunden darf künftig nämlich um bis zu zwei Stunden überschritten werden, wenn es sich dabei
um eine aktive Reisezeit handelt. Lehrlinge über 16 Jahre dürfen durch die Anpassungen zudem bis zu zehn
Stunden täglich arbeiten. Dann nämlich, wenn passive Fahrzeiten, etwa auf Grund von Montagearbeiten,
anfallen. Birgit Schatz (G) forderte für ihre Fraktion hingegen den Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung
für mehr Lebensqualität und weniger gesundheitliche Belastungen. Es sei allgemein bekannt, dass die Arbeitsleistung
nach der siebten Arbeitsstunde sinke und die Unfallanfälligkeit steige. "Sie gefährden mit diesen
Maßnahmen Leben", so Schatz in Richtung Hundstorfer. Auch die kleinen arbeitsrechtlichen Verbesserungen
könnten dieses "Belastungspaket" nicht ausgleichen. Zudem vermisst die Abgeordnete darin den von
den Regierungsfraktionen angekündigten Kampf gegen All-In-Verträge.
Dem entgegneten die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP, allen voran Josef Muchitsch (S) und August Wöginger
(V), dass die Ausweitung der Höchstarbeitszeit dem Wunsch von ArbeitnerhmerInnen und ArbeitgeberInnen vor
allem in der Montage entspricht. Viele wollen nach einem Arbeitstag die Heimreise zu ihren Familien antreten, diese
aktive Reisezeit werde nunmehr angerechnet, so die Argumentation. "Wir legalisieren einen Zustand", sagte
ebenfalls Sozialminister Rudolf Hundstorfer, man werde nur der Praxis gerecht. "Wie würde die Praxis
aussehen, wenn die Firma den Lehrling nicht einsetzen kann, weil er um 14 Uhr im Bus sitzen muss?", meinte
auch Waltraud Dietrich vom Team Stronach. Es dürfe nicht passieren, dass Firmen keine Lehrlinge mehr aufnehmen,
weil sie die jungen Menschen nicht dort einsetzen können, wo sie gebraucht werden. Prinzipiell sprach sich
Dietrich im Namen ihrer Fraktion für das Arbeitsrechtspaket aus. Dass "nicht von jeder Baustelle ein
öffentliches Verkehrsmittel wegfährt, damit der Lehrling heimfahren kann", meinte ebenfalls Rupert
Doppler (A). Zudem hat das Gesetz aus seiner Sicht "gute Ansätze".
Dass mit dem Arbeitsrechtspaket wichtige Interessen für die ArbeitnehmerInnen, als auch für die ArbeitgeberInnen
umgesetzt werden, davon zeigten sich Werner Groiß (V) und Angela Fichtinger (V) überzeugt. Für
Gabriel Obernosterer (V) ist die Verkürzung der täglichen Ruhezeiten im Hotel- und Gastgewerbe ein wichtiger
Schritt für das Tourismusland Österreich.
"Mit ihrem Arbeitszeitverküzungsschmus werden sie es nicht schaffen, den Wohlstand zu erhöhen",
so die Botschaft des NEOS-Abgeordneten Gerald Loacker (N) an die Grünen. Seine Fraktion fordert ganz im Gegenteil
eine generelle Arbeitszeitflexibilisierung. Die Regierungsvorlage hat aus seiner Sicht keine klare Richtung und
sei ein "typischer Sozialpartnerschaftskompromiss". Bemängelt wurde von ihm zudem insbesondere die
Informationspflicht für Unternehmen hinsichtlich TeilzeitmitarbeiterInnen, die zeitliche Verkürzung bei
den Ausbildungskosten nannte er einen "wirtschaftlichen Schuss ins Knie". Für Unternehmen werde
es damit nämlich unattraktiver, in die Weiterbildung von ArbeitnehmerInnen zu investieren. Die Kritik gegenüber
der Informationspflicht konnte August Wöginger (V) nicht nachvollziehen. Wenn es in Unternehmen sowieso passiere,
dass TeilzeitarbeitnehmerInnen über Vollzeitstellen informiert werden, wie Loacker sagt, könne das auch
legistisch festgelegt werden. Gerade für Frauen sei diese Regelung sehr wichtig, meinte Wöginger.
Peter Wurm (F) empfand die Informationspflicht für UnternehmerInnen als "ominös". Die Regelung
sei nur Bürokratie, Unternehmen würden bereits jetzt versuchen, aus Teilzeitkräften Vollzeitkräfte
zu machen. Prinzipiell wertete er das Arbeitsrechtspaket aber als positiv.
Walter Schopf (S) entgegnete der Forderung Loackers auf mehr Arbeitszeitflexibilisierung, dass es bereits jetzt
in den Kollektivverträgen viele Möglichkeiten für Flexibilisierungen gebe, die jedoch nur wenig
angenommen würden. Die SPÖ stehe nicht dafür ein, nur die Interessen der ArbeitgeberInnen zu vertreten,
machte er klar.
Väterkarenz auch für Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften möglich
Die Möglichkeit für Frauen auf Väterkarenz in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften war vor allem
der FPÖ ein Dorn im Auge. Die ÖVP habe sich gänzlich als Familienpartei verabschiedet, meinte Carmen
Schimanek (F). Ein besonderes Anliegen war ihr aber der Kündigungsschutz für Frauen, die eine Fehlgeburt
erlitten haben. Es gibt Fälle, in denen Frauen nach einer Fehlgeburt gekündigt wurden, bemängelte
sie, nun gebe es Rechtssicherheit und Schutz für Betroffene, so Schimanek.
Die Grünen betrachten die Möglichkeit für Frauen, in Väterkarenz gehen zu können, als
sehr positiv. Auch, dass Pflegeeltern ohne Adoptionsabsicht nun in Karenz gehen können, wurde von Judith Schwentner
(G) begrüßt. Nicht nachvollziehen konnte sie aber, warum es erschwert werde, in Elternteilzeit zu gehen.
Ein entsprechender Entschließungsantraq, in dem die Grünen die Inanspruchnahme von Elternteilzeit erleichtert
sehen wollen, wurde im Plenum abgelehnt.
"Heute ist ein guter Tag für ArbeitnehmerInnen", meinte Ulrike Königsberger-Ludwig (S). Mit
den sozialpolitischen Änderungen würde ein Bündel an Maßnahmen für die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf beschlossen. Ihr Fraktionskollege Johann Hechtl (S) sprach von einem "Meilenstein"
hinsichtlich der Verbesserungen in der Elternteilzeit.
Norbert Sieber (V) verwies auf das "hervorragende System" Österreichs in Sachen Familienpolitik
im internationalen Vergleich. Trotz der aus seiner Sicht vielen Verbesserungen besteht für Fritz Grillitsch
(V) noch "viel Spielraum" bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der wirtschaftlichen Praxis.
Eltern sollte aus seiner Sicht mehr Wahlfreiheit zukommen.
Auch Christoph Vavrik (N) meinte, dass die Änderungen im Mutterschutzgesetz und im Väter-Karenzgesetz
insbesondere bei der Elternteilzeit eine Reihe von Verbesserungen bringen. Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen
würden die Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber nicht abschließen.
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