Nationalrat stimmt Änderungen im
 Arbeits- und Familienrecht zu

 

erstellt am
11. 12. 15
11:00 MEZ

Mehr Transparenz bei All-In-Verträgen, flexiblere Arbeitszeiten, Väterkarenz steht künftig auch Frauen offen
Wien (PK) – Am Beginn seines letzten Plenartags für 2015 stimmte der Nationalrat am 10.12. einer Reihe an sozialpolitischen Änderungen mit Mehrheit zu. Ein Arbeitsrechtspaket soll vor allem mehr Transparenz bei All-In-Verträgen, Einschränkungen bei Konkurrenzklauseln und beim Ausbildungskostenrückersatz sowie flexiblere Arbeitszeiten bringen. Zudem müssen Unternehmen Teilzeitbeschäftigte in Zukunft informieren, wenn eine Stelle mit einem höheren Arbeitsausmaß ausgeschrieben wird. Verkürzt werden zudem die täglichen Ruhezeiten im Hotel- und Gastgewerbe. Außerdem wird der Geltungsbereich des Väter-Karenzgesetzes ausgeweitet. Damit können künftig auch Frauen, deren eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommt, Elternkarenz nach dem Väter-Karenzgesetz in Anspruch nehmen. Die Änderungen im Mutterschutzgesetz und im Väter-Karenzgesetz wurden im Plenum ebenfalls mehrheitlich verabschiedet.

Abgelehnt wurden zwei Initiativen der NEOS, die zum einen eine Reihe von sozialrechtlichen Anliegen wie die Ausweitung der Probezeit bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen von einem auf drei Monate enthält sowie zum anderen eine Reduktion der Normalarbeitszeit um 40-70% als Voraussetzung für Elternteilzeit fordert. Nicht durchsetzen konnte sich zudem ein Anliegen der Grünen. Darin spricht sich Birgit Schatz für neue Regeln in All-In-Verträgen aus. Es ist ihrer Meinung nach dringend notwendig, dem bedenklichen Wildwuchs in diesem Bereich gesetzlich entgegenzusteuern. Die geplanten Regelungen im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz greifen ihr zu kurz.

Hundstorfer: Zielpunkt-MitarbeiterInnen bekommen Geld Ende nächster Woche
Die Zielpunkt-Pleite war zudem einmal mehr Thema im Hohen Haus. Grund dafür war ein Entschließungsantrag von Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Die Freiheitlichen fordern eine Rechtsgrundlage um Ansprüche von ArbeitnehmerInnen im Fall einer Insolvenz durch Überbrückungszahlungen vorzufinanzieren. Bei den gekündigten Zielpunkt-MitarbeiterInnen geht der FPÖ die Hilfe durch Sozialminister Rudolf Hundstorfer und dem Insolvenzentgeltfonds nämlich nicht schnell und unbürokratisch genug. Der Antrag wurde in einer namentlichen Abstimmung mit 100 Nein- zu 45 Ja-Stimmen abgelehnt.

Die Vorwürfe der FPÖ wies Hundstorfer wie schon im Sozialausschuss vorige Woche zurück. Geht es nach dem Sozialminister, werden die Zielpunkt-MitarbeiterInnen Ende nächster Woche das Novembergehalt sowie das Weihnachtsgeld bekommen. Der Masseverwalter hat demnach heute die offenen Forderungen für das November-Gehalt sowie das Weihnachtsgeld für Zielpunkt-MitarbeiterInnen anerkannt. Was die Lehrlinge von Zielpunkt betrifft, werden diese von den anderen vier Handelsketten übernommen. Zielpunkt selbst wird bis Jahresende bestehen. Beendigungsansprüche können erst dann ausbezahlt werden. Hundstorfer hofft zudem, dass möglichst viele Filialen übernommen werden können. Die Wettbewerbsbehörde dürfe dabei den "Faktor Arbeitskraft" nicht übersehen, so sein Appell.

Kritik gegenüber dem Arbeitsrechtspaket kam vor allem von den Grünen und den NEOS. Sorgen machen den Grünen etwa die Arbeitszeitausweitungen etwa in der Montagebranche oder bei den Lehrlingen. Die Höchstarbeitszeit von 10 Stunden darf künftig nämlich um bis zu zwei Stunden überschritten werden, wenn es sich dabei um eine aktive Reisezeit handelt. Lehrlinge über 16 Jahre dürfen durch die Anpassungen zudem bis zu zehn Stunden täglich arbeiten. Dann nämlich, wenn passive Fahrzeiten, etwa auf Grund von Montagearbeiten, anfallen. Birgit Schatz (G) forderte für ihre Fraktion hingegen den Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung für mehr Lebensqualität und weniger gesundheitliche Belastungen. Es sei allgemein bekannt, dass die Arbeitsleistung nach der siebten Arbeitsstunde sinke und die Unfallanfälligkeit steige. "Sie gefährden mit diesen Maßnahmen Leben", so Schatz in Richtung Hundstorfer. Auch die kleinen arbeitsrechtlichen Verbesserungen könnten dieses "Belastungspaket" nicht ausgleichen. Zudem vermisst die Abgeordnete darin den von den Regierungsfraktionen angekündigten Kampf gegen All-In-Verträge.

Dem entgegneten die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP, allen voran Josef Muchitsch (S) und August Wöginger (V), dass die Ausweitung der Höchstarbeitszeit dem Wunsch von ArbeitnerhmerInnen und ArbeitgeberInnen vor allem in der Montage entspricht. Viele wollen nach einem Arbeitstag die Heimreise zu ihren Familien antreten, diese aktive Reisezeit werde nunmehr angerechnet, so die Argumentation. "Wir legalisieren einen Zustand", sagte ebenfalls Sozialminister Rudolf Hundstorfer, man werde nur der Praxis gerecht. "Wie würde die Praxis aussehen, wenn die Firma den Lehrling nicht einsetzen kann, weil er um 14 Uhr im Bus sitzen muss?", meinte auch Waltraud Dietrich vom Team Stronach. Es dürfe nicht passieren, dass Firmen keine Lehrlinge mehr aufnehmen, weil sie die jungen Menschen nicht dort einsetzen können, wo sie gebraucht werden. Prinzipiell sprach sich Dietrich im Namen ihrer Fraktion für das Arbeitsrechtspaket aus. Dass "nicht von jeder Baustelle ein öffentliches Verkehrsmittel wegfährt, damit der Lehrling heimfahren kann", meinte ebenfalls Rupert Doppler (A). Zudem hat das Gesetz aus seiner Sicht "gute Ansätze".

Dass mit dem Arbeitsrechtspaket wichtige Interessen für die ArbeitnehmerInnen, als auch für die ArbeitgeberInnen umgesetzt werden, davon zeigten sich Werner Groiß (V) und Angela Fichtinger (V) überzeugt. Für Gabriel Obernosterer (V) ist die Verkürzung der täglichen Ruhezeiten im Hotel- und Gastgewerbe ein wichtiger Schritt für das Tourismusland Österreich.

"Mit ihrem Arbeitszeitverküzungsschmus werden sie es nicht schaffen, den Wohlstand zu erhöhen", so die Botschaft des NEOS-Abgeordneten Gerald Loacker (N) an die Grünen. Seine Fraktion fordert ganz im Gegenteil eine generelle Arbeitszeitflexibilisierung. Die Regierungsvorlage hat aus seiner Sicht keine klare Richtung und sei ein "typischer Sozialpartnerschaftskompromiss". Bemängelt wurde von ihm zudem insbesondere die Informationspflicht für Unternehmen hinsichtlich TeilzeitmitarbeiterInnen, die zeitliche Verkürzung bei den Ausbildungskosten nannte er einen "wirtschaftlichen Schuss ins Knie". Für Unternehmen werde es damit nämlich unattraktiver, in die Weiterbildung von ArbeitnehmerInnen zu investieren. Die Kritik gegenüber der Informationspflicht konnte August Wöginger (V) nicht nachvollziehen. Wenn es in Unternehmen sowieso passiere, dass TeilzeitarbeitnehmerInnen über Vollzeitstellen informiert werden, wie Loacker sagt, könne das auch legistisch festgelegt werden. Gerade für Frauen sei diese Regelung sehr wichtig, meinte Wöginger.

Peter Wurm (F) empfand die Informationspflicht für UnternehmerInnen als "ominös". Die Regelung sei nur Bürokratie, Unternehmen würden bereits jetzt versuchen, aus Teilzeitkräften Vollzeitkräfte zu machen. Prinzipiell wertete er das Arbeitsrechtspaket aber als positiv.

Walter Schopf (S) entgegnete der Forderung Loackers auf mehr Arbeitszeitflexibilisierung, dass es bereits jetzt in den Kollektivverträgen viele Möglichkeiten für Flexibilisierungen gebe, die jedoch nur wenig angenommen würden. Die SPÖ stehe nicht dafür ein, nur die Interessen der ArbeitgeberInnen zu vertreten, machte er klar.

Väterkarenz auch für Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften möglich
Die Möglichkeit für Frauen auf Väterkarenz in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften war vor allem der FPÖ ein Dorn im Auge. Die ÖVP habe sich gänzlich als Familienpartei verabschiedet, meinte Carmen Schimanek (F). Ein besonderes Anliegen war ihr aber der Kündigungsschutz für Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben. Es gibt Fälle, in denen Frauen nach einer Fehlgeburt gekündigt wurden, bemängelte sie, nun gebe es Rechtssicherheit und Schutz für Betroffene, so Schimanek.

Die Grünen betrachten die Möglichkeit für Frauen, in Väterkarenz gehen zu können, als sehr positiv. Auch, dass Pflegeeltern ohne Adoptionsabsicht nun in Karenz gehen können, wurde von Judith Schwentner (G) begrüßt. Nicht nachvollziehen konnte sie aber, warum es erschwert werde, in Elternteilzeit zu gehen. Ein entsprechender Entschließungsantraq, in dem die Grünen die Inanspruchnahme von Elternteilzeit erleichtert sehen wollen, wurde im Plenum abgelehnt.

"Heute ist ein guter Tag für ArbeitnehmerInnen", meinte Ulrike Königsberger-Ludwig (S). Mit den sozialpolitischen Änderungen würde ein Bündel an Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschlossen. Ihr Fraktionskollege Johann Hechtl (S) sprach von einem "Meilenstein" hinsichtlich der Verbesserungen in der Elternteilzeit.

Norbert Sieber (V) verwies auf das "hervorragende System" Österreichs in Sachen Familienpolitik im internationalen Vergleich. Trotz der aus seiner Sicht vielen Verbesserungen besteht für Fritz Grillitsch (V) noch "viel Spielraum" bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der wirtschaftlichen Praxis. Eltern sollte aus seiner Sicht mehr Wahlfreiheit zukommen.

Auch Christoph Vavrik (N) meinte, dass die Änderungen im Mutterschutzgesetz und im Väter-Karenzgesetz insbesondere bei der Elternteilzeit eine Reihe von Verbesserungen bringen. Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen würden die Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber nicht abschließen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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