Fragestunde im Nationalrat über Flüchtlingskrise, Bildungsreform und Pensionsprognosen
Wien (pk) - Bundeskanzler Werner Faymann sah sich am Beginn der Nationalratssitzung vom 10.12. mit einer
breiten Palette von Fragen konfrontiert, die sowohl die Innen- als auch die Außenpolitik betrafen. Die Abgeordneten
interessierten sich nicht nur für die Auswirkungen der Steuerreform, die Umsetzung des neuen Bildungsreformkonzepts
und die Hypo-Verstaatlichung, sondern auch für die EU-Hilfen für die Türkei sowie die Pläne
zur Vereinheitlichung des Asylwesens in Europa. Bei der Flüchtlingskrise setzte Faymann auf ein stärkeres
Engagement vor Ort, um die Wurzeln des Problems anzugehen. Die internationale Gemeinschaft müsse u.a. mehr
Mittel zur Verfügung stellen, um die Lebensbedingungen der Flüchtlinge in der Region zu verbessern, war
er überzeugt.
Faymann verweist auf zahlreiche positive Effekte der Steuerreform
Bundeskanzler Werner Faymann ging zunächst auf die wirtschaftliche Situation ein und war überzeugt davon,
dass die Steuerreform, die für mehr als 6,4 Millionen Menschen eine Entlastung in der Höhe von 5,2 Mrd.
€ bringt, die Kaufkraft und somit das Wachstum ankurbeln wird. Untermauert werde dies durch eine Studie des Wifo,
das von einem realen Anstieg der Haushaltseinkommen um 2,3 % bis 2019 ausgeht. Auch laut den Prognosen der Nationalbank
sei im nächsten Jahr bereits mit einem Wirtschaftswachstum von 1,9 % zu rechnen, teilte der Kanzler Abgeordnetem
Andreas Schieder (S) mit. In einem engen Zusammenhang damit stehe auch die Fortsetzung des eingeleiteten Entbürokratisierungsprozesses,
um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes weiter zu verbessern. Bereits umgesetzt wurden z.B. die automatische
Arbeitnehmerveranlagung, die antragslose Familienbeihilfe, das einheitliche Gewerbeinformationssystem, die Reduktion
von Arbeitszeitaufzeichnungen und vieles mehr.
Zu dem von Abgeordnetem Josef Muchitsch (S) thematisierten aktuellen Pensionsgutachten der Pensionskommission merkte
Faymann an, dass laut der Berechnungen die Ausgaben für diesen Bereich bis 2019 um 4 Mrd. € geringer ausfallen
als erwartet. Positiv sei auch die Tatsache, dass das im Regierungsübereinkommen angepeilte faktische Pensionsantrittsalter
von 60,1 Jahren bereits im ersten Halbjahr 2015 erreicht werden konnte. Ende Februar 2016 werde noch ein diesbezüglicher
Monitoring-Bericht vorgelegt. Die weiteren politischen Diskussionen sollten dann auf Basis der vorhandenen Fakten
geführt werden, bekräftigte der Kanzler. Klar sei jedenfalls, dass vor allem die Beschäftigungsprogramme
für ältere Personen weiter forciert werden müssen.
Österreichs Beitrag für EU-Unterstützung für die Türkei steht noch nicht fest
Der Bundeskanzler stimmte mit SPÖ-Abgeordnetem Otto Pendl überein, dass die Flüchtlingsproblematik
nur an der Wurzel gelöst werden könne und man noch viel stärker vor Ort tätig werden müsse.
Eine Reihe von Fragen betrafen die beschlossenen EU-Unterstützungszahlungen an die Türkei, um die dortigen
Lebensbedingungen der Flüchtlinge zu verbessern. Faymann teilte diesbezüglich mit, dass er die genaue
Höhe des österreichischen Beitrags noch nicht nennen könne, da man auf europäischer Ebene noch
darüber diskutiere, ob nicht ein größerer Betrag als die bisher vorgesehenen 500 Mio. € aus dem
gemeinsamen EU-Budget geleistet werden soll. Je höher diese Summe ausfällt, desto niedriger ist dann
der bilaterale Zuschuss, erläuterte der Kanzler.
Abgeordnetem Robert Lugar (T) gegenüber merkte Faymann weiters an, dass der Vizepräsident der EU-Kommission
Frans Timmermanns derzeit Gespräche mit der Türkei, die über 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen
hat, führt. Fest stehe jedenfalls, dass die Mittel (insgesamt 3 Mrd. €) nur dann frei gegeben werden, wenn
entsprechende infrastrukturelle Maßnahmen gesetzt werden. Ein großes Interesse bestehe auch daran,
dass die über 14.000 Kilometer lange Küstengrenze gemeinsam kontrolliert und die Schlepper bekämpft
werden. Erst dann könne über legale Einreisemöglichkeiten nachgedacht werden. Nicht richtig sei
jedoch, dass es bei den Gesprächen um die Umsiedlung von 500.000 Menschen geht; dies habe Timmermanns nie
gesagt.
Den Vorschlag von Justizminister Wolfgang Brandstetter nach Etablierung von einheitlichen Asylregelungen in der
EU unterstütze er sehr, merkte Faymann in Richtung der G-Abgeordneten Alev Korun an. Derzeit gebe es aber
noch vehemente Widerstände gegen solche Bestrebungen, gab er zu bedenken.
Was die furchtbaren Anschläge in Paris betrifft, die auch ein Angriff auf die europäische Lebensweise
waren, so müsse ein internationaler Pakt gegen den Terrorismus geschmiedet werden, erklärte Faymann.
Zu der vom Abgeordneten Werner Amon angesprochenen Beistandspflicht gemäß Art. 42 Abs. 7 EU-Vertrag,
die von der französischen Regierung ausgerufen wurde, führte Faymann aus, dass Österreich diverse
Maßnahmen, wie z.B. die Entsendung von Cobra-Beamten oder die Unterstützung von UNO-Missionen, angeboten
hat. Keinerlei konkrete Pläne gebe es jedoch hinsichtlich der von Abgeordnetem Walter Rosenkranz (F) angesprochenen
Möglichkeit zur Verhängung des Ausnahmezustandes.
Gemeinsame Schule: Bildungsreformkonzept ist wichtiger Startschuss
Abgeordnetem Harald Walser (G) gegenüber räumte Faymann ein, dass er persönlich schon immer ein
Anhänger der Gemeinsamen Schule gewesen sei, weil dies aus gesellschaftspolitischer Sicht der richtige Weg
wäre. Auch wenn noch viele weitere Diskussionen darüber notwendig sein werden, so sei er sicher, dass
das nun vorgestellte Bildungsreformkonzept, das unter Einbeziehung der Bundesländer zustande gekommen ist
und die Einführung von Modellregionen beinhaltet, einen sehr wichtigen Startschuss darstellt. Um die Chancengleichheit
der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten, trat Faymann für ein ausreichendes Angebot an ganztägigen
Schulformen mit verschränktem Unterricht ein. Am Schluss des ganzen Diskussionsprozesses sollte es jedenfalls
eine Schule geben, die mehr Autonomie ermöglicht und österreichweit eine gewisse Einheitlichkeit aufweist.
Die Hypo-Verstaatlichung und die Landeshaftungen
Auf eine Frage des FPÖ-Mandatars Gernot Darmann (F) stellte Faymann klar, dass er unmittelbar vor der Verstaatlichung
der Hypo von Seiten der Österreichischen Nationalbank, der EZB und der Aufsichtsorgane des Finanzministeriums
über alle möglichen Szenarien und Risikoeinschätzungen informiert worden sei. Bei der Entscheidungsfindung
hätten natürlich die enormen Haftungen des Landes Kärnten eine zentrale Rolle gespielt, gab er zu
bedenken. Ohne diese Haftungen hätte es eine ganz andere Ausgangslage gegeben.
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