Gesamtwirtschaftliche Prognose für Österreich 2015 bis 2017 vom Dezember 2015
Wien (oenb) - Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) erwartet in ihrer vorliegenden Prognose einen von
Sonderfaktoren unterstützten moderaten Aufschwung der österreichischen Wirtschaft. Für das Jahr
2015 wird das Wachstum mit 0,7 % noch schwach ausfallen. Aufgrund von drei Sonderfaktoren Inkrafttreten der Steuerreform
im Jänner 2016, Ausgaben für Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge sowie die Wohnbauinitiative
wird das österreichische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2016 um 1,9 % zunehmen. Für das Jahr 2017
wird ein Wirtschaftswachstum von 1,8 % erwartet. Damit bleibt diese Prognose gegenüber jener vom Juni 2015
unverändert. Österreichs Wirtschaft wird in den Jahren 2016 und 2017 so stark wie jene des Euroraumes
wachsen, kommentiert OeNB-Gouverneur Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny die Prognose.
Aufschwung bei Exporten seit Jahresmitte 2015
Die Perspektiven für die Weltwirtschaft haben sich im Verlauf des Jahres 2015 eingetrübt. Während
sich die entwickelten Volkswirtschaften auf einem Erholungspfad befinden, hat sich die Konjunktur in einer Reihe
von aufstrebenden Volkswirtschaften verlangsamt. Brasilien und Russland befinden sich in einer tiefen Rezession,
in China ist eine deutliche Wachstumsabschwächung zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass der Welthandel im Jahr
2015 eingebrochen ist. Neben konjunkturellen Faktoren spielen hierfür die Stagnation des Ausbaus der globalen
Produktionsketten und der Strukturwandel der chinesischen Wirtschaft hin zu einer Konsum- und Dienstleistungsgesellschaft
eine wichtige Rolle. Die entwickelten Volkswirtschaften verzeichnen hingegen durchwegs einen robusten Aufschwung,
der jedoch angesichts der Vielzahl gleichzeitig wirkender Stimuli verhalten ausfällt.
Mit der Abschwächung der Perspektiven für die Weltwirtschaft sehen sich die österreichischen Exporteure
mit einem im Vergleich zur Prognose vom Juni etwas schwächeren Exportmarktwachstum in den kommenden beiden
Jahren konfrontiert. Im Verlauf des Jahres 2015 hat die Exportentwicklung jedoch bereits an Schwung gewonnen. Das
Wachstum der Exporte wird sich von 2,3 % im Jahr 2015 bis auf 4,5 % im Jahr 2017 zusehends beschleunigen. Im Vergleich
zu früheren Aufschwungphasen fällt das Exportwachstum jedoch verhalten aus.
Unternehmen weiten Ausrüstungsinvestitionen aus, Wohnbauinitiative stützt Bauinvestitionen
Die Investitionstätigkeit hat sich in den letzten Jahren sehr schwach entwickelt. Neben pessimistischen Absatzerwartungen
der Unternehmen trugen dazu auch die sinkenden Bauinvestitionen bei. Vor allem die Schwäche des Wohnbaus überrascht
angesichts des allgemein hohen Wohnraumbedarfs, der stark gestiegenen Immobilienpreise und der günstigen Finanzierungsbedingungen.
Die von der österreichischen Regierung beschlossene Wohnbauinitiative wird aber wichtige Impulse liefern und
die Wohnbauinvestitionen somit stützen. Das Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen hat sich im Lauf des
Jahres 2015 zum Positiven hin gewendet. Aufgrund eines steigenden Bedarfs an Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen
werden die heimischen Unternehmen ihre Ausrüstungsinvestitionen in den Jahren 2016 und 2017 spürbar
erweitern.
Sonderfaktoren stützen privaten Konsum
Der private Konsum profitiert im Prognosezeitraum von zwei stützenden Faktoren. Die Steuerreform 2016 bringt
eine spürbare Entlastung der Nettoeinkommen. Gleichzeitig führen die öffentlichen Aufwendungen für
Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge in Form von Transferzahlungen zu einem Anstieg der nominellen Haushaltseinkommen.
Die steigende Inflation dämpft die reale Einkommensentwicklung zwar etwas, das Wachstum des privaten Konsums
wird sich aber auf 1,6 % im Jahr 2016 und 1,4 % im Jahr 2017 beschleunigen. Gleichzeitig wird die in den letzten
Jahren gesunkene Sparquote im Jahr 2016 um einen Prozentpunkt auf 8,1 % steigen. Die drei genannten Sonderfaktoren
Steuerreform (0,4 Prozentpunkte), Ausgaben für Flüchtlinge (0,3 Prozentpunkte), Wohnbauinitiative (0,1
Prozentpunkte) tragen in Summe 0,8 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei. Die zugrundeliegende konjunkturelle Dynamik
des BIP-Wachstums ohne diese Faktoren beträgt lediglich 1,1 %. Für das Jahr 2017 tragen die genannten
Sonderfaktoren voraussichtlich 0,4 Prozentpunkte zum Wachstum bei.
Externe Kostenfaktoren beschleunigen die österreichische Inflation von 0,8 % im Jahr 2015 auf 1,7 % im
Jahr 2017
Die Inflation gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) wird sich von 0,8 % im Jahr 2015 auf 1,3
% bzw. 1,7 % in den Jahren 2016 und 2017 beschleunigen. Der Anstieg der Inflation geht in erster Linie auf externe
Kostenfaktoren zurück. Sowohl die Importpreise von Rohstoffen als auch jene von importierten Waren weisen
nach oben. Demgegenüber sind heimische Faktoren für die Aufwärtsentwicklung der Inflationsrate weniger
ausschlaggebend. Die Mehrwertsteuererhöhung im Rahmen der Steuerreform beschleunigt die Gesamtinflationsrate
in den Jahren 2016 und 2017 kumuliert um 0,2 Prozentpunkte.
Arbeitslosigkeit steigt weiter
Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird über den gesamten Prognosezeitraum wie schon in den letzten Jahren
durch einen starken Anstieg des Arbeitskräfteangebots geprägt sein. Neben der Aufnahme von Asylwerbern
und der sonstigen Migration spielt auch die steigende Erwerbsbeteiligung älterer Personen und von Frauen eine
wichtige Rolle. Die Arbeitslosenquote wird 2015 in erster Linie aufgrund der noch schwachen Konjunkturdynamik und
des Anstiegs des Arbeitskräfteangebots weiter ansteigen (+5,8 %). In den Jahren 2016 und 2017 steigt die Arbeitslosenquote
trotz kräftigen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstums voraussichtlich weiter auf 6,1 % bzw. 6,3 %.
Budgetdefizit von Sonderfaktoren bestimmt
Der gesamtstaatliche Budgetsaldo wird sich heuer deutlich auf 1,6 % des BIP verbessern (nach 2,7 % des BIP im
Jahr 2014). Diese Verbesserung geht zum einen auf einen Rückgang der Vermögenstransfers an Banken zurück,
zum anderen überkompensieren unerwartete steuerliche Mehreinnahmen die zusätzlichen Ausgaben im Rahmen
des Flüchtlingszustroms. Diese Ausgaben sowie die Steuerreform 2016 bei der aufgrund der Richtlinien des
Europäischen Systems der Zentralbanken die Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung nicht in die Prognose
aufgenommen werden können erhöhen das Defizit 2016. Für 2017 ist dank eines erneut relativ hohen
Wirtschaftswachstums und eines weiteren Rückgangs des Vermögenstransfers an Banken von einer Verbesserung
des Budgetsaldos auszugehen. Die öffentliche Schuldenquote wird bis 2017 auf unter 82 % des BIP sinken. Nachdem
das strukturelle Defizit 2015 bei etwa ½ % des BIP liegen wird, kommt es 2016/17 durch die Steuerreform
und zusätzliche Ausgaben zu einer signifikanten Verschlechterung auf jeweils etwas über 1 % des BIP.
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