Geschichten gefällig

 

erstellt am
17. 12. 15
11:00 MEZ

Uni-Graz-Studie zeigt die Bedeutung von Vorlesen für das Erlernen von gutem Schriftdeutsch
Graz (universität) - Bereits im Kindergartenalter können Kinder das Wissen erwerben, Geschichten vollständig und sinnreich zu erzählen. Im Schulbereich geht schließlich die Fähigkeit hervor, eine Erzählung, einen Aufsatz, in weiterer Folge einen argumentierenden Essay zu verfassen. Am Institut für Sprachwissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz untersuchte ein Team von LinguistInnen, wie sich das Vorlesen von Geschichten bereits im Vorschulalter auf die spätere Entwicklung - speziell bei MigrantInnen-Kindern – auswirkt. Dabei fanden sie heraus: Durch gezieltes Vorlesen auch durch die Eltern zuhause kann bereits im Kindergartenalter die Kompetenz, narrative Inhalte wiederzugeben, umfassend gefördert werden.

„Geschichten haben im europäischen Kontext eine bestimmte Struktur, wie wir sie etwa in den bekannten Märchen finden“, erklärt Ao.Univ.-Prof. Dr. Ralf Vollmann, Sprachwissenschafter und Leiter des Projekts. In anderen Gegenden der Welt hat Geschichtenerzählen wenig bis gar keine Tradition. Kinder mit Migrationshintergrund entwickeln die literate Kompetenz daher schwerer und haben in der Schule Nachteile. „Sie sprechen meist gutes Deutsch, Fall-Fehler und andere Probleme lassen sich mit der Zeit korrigieren“, erklärt Vollmann, „Schriftliche Ausdrucksfähigkeit muss aber gezielt gefördert werden.“ MigrantInnen fehlt dafür einerseits das Bewusstsein. Auf der anderen Seite wachsen Kinder von ZuwanderInnen oft in mehrsprachlichen Situationen auf.

In mehreren Studien erhoben Vollmann und sein Team, welche Schwierigkeiten im Vorschulbereich überhaupt erkennbar sind. Dafür wurden 120 einsprachige und 30 mehrsprachige Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren aufgefordert, kleine Geschichten nachzuerzählen. Analysiert wurde die grammatische und narrative Kompetenz der Kinder. Es fiel auf, dass die Kompetenz bei bilingualen Sprösslingen verzögert ist und ihnen die üblichen, aber unwichtigen grammatikalischen wie stilistischen Fehler passieren. Sichtbar sind diese Defizite auch dort, wo bei der Bildung von Sätzen vermehrt auf Hilfsverben zurückgegriffen wird. MigrantInnen konstruieren einfache Aussagen wie „Dann tut der dort essen“ oder „Da tut sie schlafen“. Das Projekt war eingebettet in eine internationale Studie zur narrativen Kompetenz monolingualer Kinder in zwölf Sprachen und geschah in Kooperation mit der Med Uni Graz sowie dem Land Steiermark und der Stadt Graz.

„Wichtig ist, dass sich Eltern mit ihren Kindern beschäftigen, um sie an die literate Kompetenz in Deutsch heranzuführen“, rät der Experte. „In Frankreich zum Beispiel gibt es die Möglichkeit, Kinder sehr früh in eine Ganztagsbetreuung in Kindergarten oder Schule zu geben. So könnten etwa Vorlesestunden die literate Kompetenz gezielt stärken, und jedes Kind hätte von Beginn an dieselben Voraussetzungen für den Schulunterricht. In Österreich wurden erste Schritte in diese Richtung bereits gesetzt: Das verpflichtende Kindergartenjahr und die Ganztagsschule seien fruchtbare Ergebnisse dieser Initiativen.

Ein ausführlicher Artikel zu dem Thema ist in der aktuellen Ausgabe der UNIZEIT, des Forschungsmagazins der Uni Graz, nachzulesen.

 

 

 

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