Zwischenmenschliche Bindungsmuster spiegeln sich in Kind-Hund-Interaktion wider
Wien (universität) - Ein interdisziplinäres Team im Bereich Psychologie, Sonderpädagogik
und Verhaltensbiologie untersuchte während eines sozialen "Stresstests" die Interaktionen zwischen
Kindern und Therapiehunden, die ihnen als emotionale und soziale Unterstützung zur Seite standen. Manuela
Wedl, Andrea Beetz und Kurt Kotrschal vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien fanden
dabei heraus, dass sich die Interaktionsbereitschaft von Kindern unterscheidet, je nachdem, ob sie unsicher- vermeidende
oder desorganisierte Bindungsmuster haben. Die Ergebnisse wurden letzte Woche im Journal "Anthrozoös"
erstmals veröffentlicht.
Bindung und emotionale Unterstützung gibt es nicht nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen Mensch und
Tier. Die emotionale soziale Unterstützung durch Tiere scheint für Kinder mit ungünstigen Erfahrungen
mit ihren primären Bezugspersonen von besonderer Bedeutung zu sein. Dies zeigt sich beispielsweise dadurch,
dass unsicher gebundene Kinder in der Anwesenheit und in Interaktion mit einem freundlichen Tier eher bereit sind,
mit einem Lehrer oder Therapeuten in Beziehung zu treten. Suboptimale Bindungsmuster stellen demnach eine besondere
Indikation für tiergestützte Interventionen in Pädagogik und Therapie dar.
Sicher gebundene Kinder suchen bei Stress oder Angst aktiv die Nähe zu ihrer Bezugsperson, um Trost und Unterstützung
zu erfahren. Aufgrund der positiven Erfahrungen, die sie in Interaktion mit ihren feinfühligen und verlässlichen
Bindungsfiguren haben, erwarten sie deren Verfügbarkeit und Unterstützung. Im Gegensatz dazu erwarten
unsicher-vermeidend gebundene Kinder kaum emotionale Unterstützung von Bezugspersonen, sondern eher Zurückweisung.
Sie versuchen diese dadurch zu vermeiden, dass sie sich zurückziehen. Kinder mit desorganisierter Bindung
zeigen im Schulalter oft fürsorgliches oder bestrafendes Kontrollverhalten, sowohl ihren Eltern als auch ihren
Lehrern gegenüber.
Sozialer "Stresstest" für Kinder in Anwesenheit eines Therapiehundes
Im Mittelpunkt der aktuellen Studie stand die Frage, ob sich Kinder mit unterschiedlichem Bindungsmuster in der
Interaktionsbereitschaft mit einem Therapiehund unterscheiden. Die ForscherInnen wollten herausfinden, ob sich
die Bindungsmuster, die die Kinder zu ihren primären Bezugspersonen aufgebaut hatten, darin spiegeln. Dazu
wurden acht unsicher-vermeidend gebundene und elf unsicher-desorganisiert gebundene Buben im Alter von 7 bis 11
Jahren getestet. Sie wurden alle einer Stresssituation in Form eines schulischen Leistungstests ausgesetzt und
mussten vor zwei unbekannten Personen unter Zeitvorgaben eine Geschichte vervollständigen und Kopfrechenaufgaben
lösen. Dabei stand ihnen ein Therapiehund als emotionale Unterstützung zur Seite.
Speichelprobenanalysen und Videoaufzeichnung
Als Indikator für den bei den Kindern ausgelösten Stress diente das Stresshormon Kortisol. Um den Kortisolspiegel
im zeitlichen Verlauf zu ermitteln, wurden zu fünf Zeitpunkten Speichelproben von den Kindern genommen. Außerdem
wurden die Kinder während des gesamten Versuches gefilmt. Die Verhaltensdaten liefern wichtige Informationen
über die Interaktionsbereitschaft der Kinder.
Buben mit unsicher-desorganisierter Bindung hatten mehr Körperkontakt zum Hund und sprachen auch mehr mit
ihm als Buben mit unsicher-vermeidender Bindung. Desorganisiert gebundene Buben kommunizierten auch mehr mit den
beim Versuch anwesenden Personen. "Wir konnten zeigen, dass sich die Interaktionsbereitschaft mit dem Hund
zwischen den Kindern genau so unterschied, wie aufgrund ihres Bindungsmusters, das sie zu ihren primären Bezugspersonen
aufgebaut hatten, zu erwarten war", so Manuela Wedl abschließend.
Diese Studie wurde durch die Unterstützung der IEMTs Österreich und Schweiz, von Mars Petcare Deutschland
(Projekt "Stress coping bei unsicher gebundenen Kindern in Abhängigkeit der emotionalen sozialen Unterstützung
durch Mensch oder Hund", Andrea Beetz und Henri Julius von der Universität Rostock, Kerstin Uvnäs-Moberg
von der University of Skövde, Dennis Turner von der Universität Zürich und Kurt Kotrschal von der
Universität Wien), sowie den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF (Projekt P 23345-
B17 "Faktoren der Mensch-Hund-Beziehung", Kurt Kotrschal und Manuela Wedl von der Universität Wien)
ermöglicht.
Publikation in "Anthrozoös"
"Children with Avoidant or Disorganized Attachment Relate Differently
to a Dog and to Humans During a Socially Stressful Situation": Manuela Wedl, Kurt Kotrschal, Henri Julius,
Andrea Beetz. Volume 28, Issue 4, 2015, online: 9. Dezember 2015
DOI: 10.1080/08927936.2015.1070002
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